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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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d) Die Legitimation <strong>der</strong> re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Zwangsbefugnisse<br />

In jüngerer Zeit hat Apel seine Theorie <strong>der</strong> Verantwortungsethik weiter verfeinert.<br />

Ein 'Teil B 1 ' <strong>der</strong> Begründung seiner Diskurstheorie »behandelt die moralis<strong>ch</strong>e Begründung<br />

(bzw. Legitimation) <strong>der</strong> Zwangsbefugnisse des Re<strong>ch</strong>tsstaats und insofern<br />

<strong>der</strong> au<strong>ch</strong> auf Zwang beruhenden Geltung re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er Normen.« 544 Das Re<strong>ch</strong>t verortet<br />

Apel dabei »zwis<strong>ch</strong>en Moral und Politik« 545 . Für die Begründung von Re<strong>ch</strong>tsnormen<br />

stellt si<strong>ch</strong> die Frage, ob man die Zwangsordnung <strong>der</strong> staatli<strong>ch</strong> monopolisierten Gewalt<br />

dur<strong>ch</strong> ein Handlungsprinzip U h begründen kann, obwohl dieses selbst gerade die<br />

Zwanglosigkeit in einem hers<strong>ch</strong>aftsfreien Diskurs for<strong>der</strong>e 546 . Wie bereits beim Ergänzungsprinzip<br />

E sagt Apel au<strong>ch</strong> hier, daß <strong>der</strong> Unters<strong>ch</strong>ied zwis<strong>ch</strong>en realen Bedingungen<br />

und idealer Kommunikationsgemeins<strong>ch</strong>aft es moralis<strong>ch</strong> gebieten könne, »Strategiekonterstrategien<br />

bzw. Anti-Gewalt-Gewaltausübung zu praktizieren« 547 . Eigentli<strong>ch</strong><br />

verpfli<strong>ch</strong>tet das Universalisierungsprinzip U h zwar alle Diskursteilnehmer zu einer<br />

strategiefreien Konsensbildung, also insbeson<strong>der</strong>e einer sol<strong>ch</strong>en, die herrs<strong>ch</strong>aftsfrei<br />

ohne Ausnutzung realer Ma<strong>ch</strong>tvorteile dur<strong>ch</strong> Gewaltanwendung o<strong>der</strong> Drohung erfolgt.<br />

Wenn aber die realen Bedingungen von den idealen Bedingungen eines Diskurses<br />

no<strong>ch</strong> so weit entfernt sind, daß eine Strategie- und Gewaltfreiheit ni<strong>ch</strong>t zumutbar<br />

und ni<strong>ch</strong>t verantwortbar ers<strong>ch</strong>eint, dann und solange dürfen (ausnahmsweise)<br />

Zwangsmittel eingesetzt werden, um die diskursverzerrende Gewalt zurückzudrängen.<br />

Es ist deshalb na<strong>ch</strong> Apel nur s<strong>ch</strong>einbar paradox, wenn die Diskursethik für<br />

die Begründung des Zwangs in <strong>der</strong> Geltung re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er Normen herangezogen wird,<br />

denn es gehe ledigli<strong>ch</strong> um »Konsensbildung mit strategiekonterstrategis<strong>ch</strong>em<br />

Zwang«: Das Gewaltmonopol eines Re<strong>ch</strong>tsstaates ermögli<strong>ch</strong>e erst, daß die einzelnen<br />

Bürger es si<strong>ch</strong> weitgehend ohne Risiko leisten können, moralis<strong>ch</strong> zu handeln 548 .<br />

3. Theorie <strong>der</strong> diskursiven Rekonstruktion des Re<strong>ch</strong>ts (J. Habermas)<br />

Die Diskurstheorien von Habermas und Apel sind zeitli<strong>ch</strong> und inhaltli<strong>ch</strong> weitgehend<br />

parallel entwickelt worden. Habermas hat seine Diskursethik indes universal- statt<br />

transzendentalpragmatis<strong>ch</strong> begründet. Außerdem entwickelte er sie zu einer diskurstheoretis<strong>ch</strong>en<br />

Begründung eines Systems <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>te weiter 549 und erläutert mit<br />

ihr ein prozedurales Paradigma im Re<strong>ch</strong>t 550 . Eine Rekonstruktion des Re<strong>ch</strong>ts aus diskurstheoretis<strong>ch</strong>er<br />

Si<strong>ch</strong>t bedeutet die Anwendung prozeduraler Rationalität bei <strong>der</strong><br />

544 K.-O. Apel, Diskursethik vor <strong>der</strong> Problematik von Re<strong>ch</strong>t und Politik (1992), S. 61.<br />

545 K.-O. Apel, Diskursethik vor <strong>der</strong> Problematik von Re<strong>ch</strong>t und Politik (1992), S. 37.<br />

546 Zur Frage ausführli<strong>ch</strong> K.-O. Apel, Diskursethik vor <strong>der</strong> Problematik von Re<strong>ch</strong>t und Politik (1992),<br />

S. 40 ff.<br />

547 K.-O. Apel, Diskursethik vor <strong>der</strong> Problematik von Re<strong>ch</strong>t und Politik (1992), S. 57. (Hervorhebungen<br />

bei Apel).<br />

548 K.-O. Apel, Diskursethik vor <strong>der</strong> Problematik von Re<strong>ch</strong>t und Politik (1992), S. 57 f.<br />

549 J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 151 ff.<br />

550 J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 468 ff., 493 ff., 516 ff.; dazu unten S. 245 ff. (prozedurales<br />

Re<strong>ch</strong>tsparadigma).<br />

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