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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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etis<strong>ch</strong>er Notwendigkeiten Zurückhaltung geboten 38 . Nur in engen Grenzen vermag<br />

eine sol<strong>ch</strong>e Begründung Elemente von Demokratie und Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tsordnung zu<br />

stützen. Im wesentli<strong>ch</strong>en muß sie inhaltli<strong>ch</strong> auf eine minimale Volkssouveränität<br />

und die für <strong>der</strong>en Nutzung erfor<strong>der</strong>li<strong>ch</strong>e Existenzsi<strong>ch</strong>erung und Meinungsäußerungsfreiheit<br />

in politis<strong>ch</strong>en Angelegenheiten (political spee<strong>ch</strong>) bes<strong>ch</strong>ränkt bleiben.<br />

Nur insoweit läßt si<strong>ch</strong>, zusammen mit empiris<strong>ch</strong>en und analytis<strong>ch</strong>en Prämissen, das<br />

transzendentale Argument anführen, daß die universelle Anerkennung <strong>der</strong> Autonomie<br />

im Handeln eine notwendige Voraussetzung für mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Kommunikation<br />

darstellt 39 .<br />

Die unmittelbare Begründung verstärkt si<strong>ch</strong> allerdings, indem die diskursive<br />

Notwendigkeit eines Konsenses über die Anerkennung von Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>ten und<br />

Demokratie gezeigt wird. Nimmt man s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>e empiris<strong>ch</strong>e Prämissen über die<br />

Wirkungszusammenhänge <strong>der</strong> Lebenswelt hinzu, so müssen die wi<strong>ch</strong>tigsten Kategorien<br />

von Grundre<strong>ch</strong>ten als ein notwendiges Ergebnis je<strong>der</strong> idealen mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Kommunikation<br />

über staatli<strong>ch</strong>e Ordnung angesehen werden. Dur<strong>ch</strong> diese beiden Argumentationss<strong>ch</strong>ritte<br />

zusammen lassen si<strong>ch</strong> universelle und vorpositive Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te<br />

zumindest als konkretisierungsbedürftige Kategorien diskursiv begründen, ohne<br />

daß es auf die Dur<strong>ch</strong>führung konkreter Diskurse ankäme 40 . Der Diskurs unter idealen<br />

Bedingungen fungiert dabei als (hypothetis<strong>ch</strong>es) Verfahren reiner prozeduraler <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

41 .<br />

Ergänzt wird die unmittelbare Begründung zunä<strong>ch</strong>st dur<strong>ch</strong> die ents<strong>ch</strong>eidungstheoretis<strong>ch</strong>en<br />

Überlegungen dazu, was eine Konkretisierung und Institutionalisierung<br />

<strong>der</strong> Grundre<strong>ch</strong>tskategorien als positives Re<strong>ch</strong>t notwendig ma<strong>ch</strong>t.<br />

Die mittelbare Begründung gere<strong>ch</strong>ten Re<strong>ch</strong>ts kann s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> nur darin bestehen,<br />

die »Bedingungen einer legitimationswirksamen Genese des Re<strong>ch</strong>ts« aufzuzeigen 42 –<br />

d.h. die »diskurstheoretis<strong>ch</strong> begründeten Anfor<strong>der</strong>ungen« 43 , unter denen die in juristis<strong>ch</strong>en<br />

und politis<strong>ch</strong>en Verfahren getroffenen Ents<strong>ch</strong>eidungen gere<strong>ch</strong>t sind. Dadur<strong>ch</strong>,<br />

daß für reale Verfahren bereits die unmittelbar begründeten Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tskategorien<br />

normativ vorgegeben sind, gibt es insoweit teils einen äußeren Rahmen<br />

und teils einen verfahrensexternen Maßstab für <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>. Reale Diskurse und<br />

an<strong>der</strong>e Verfahren explizieren deshalb ni<strong>ch</strong>t mehr reine prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>,<br />

son<strong>der</strong>n es kommen nur no<strong>ch</strong> die Gedanken <strong>der</strong> quasi-reinen, unvollkommenen und<br />

vollkommenen prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> zum Ausdruck 44 . Als Verfahren quasi-reiner<br />

Verfahrensgere<strong>ch</strong>tigkeit gilt beispielsweise die Auswahl, die ein Gesetzgeber unter<br />

unzähligen diskursiv mögli<strong>ch</strong>en und damit gere<strong>ch</strong>ten Ents<strong>ch</strong>eidungen treffen kann 45 .<br />

Als Verfahren unvollkommener Verfahrensgere<strong>ch</strong>tigkeit, bei <strong>der</strong> die Verfahrensdur<strong>ch</strong>führung<br />

nur die Aufgabe hat, ein aufgrund verfahrensexterner Kriterien als gere<strong>ch</strong>t<br />

38 Dazu oben S. 302 ff. (Kritik an <strong>der</strong> Notwendigkeit <strong>der</strong> genuinen Diskursteilnahme).<br />

39 Dazu unten S. 321 ff. (diskurstheoretis<strong>ch</strong> notwendige <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen).<br />

40 Dazu unten S. 326 ff. (diskursiv notwendige <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen).<br />

41 Dazu oben S. 127 (reine prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>).<br />

42 J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 349.<br />

43 R. Alexy, Diskurstheorie und Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te (1995), S. 146.<br />

44 Dazu oben S. 127 (reine prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>).<br />

45 Vgl. oben S. 128 (quasi-reine prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>).<br />

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