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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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) Die Skalierbarkeitsthese als Ausweg (B. Barry)<br />

Das Verhältnis zwis<strong>ch</strong>en Mikro- und Makrotheorien ist, ohne daß dies immer ausdrückli<strong>ch</strong><br />

betont würde 344 , als das einer we<strong>ch</strong>selseitigen Entspre<strong>ch</strong>ung festgelegt<br />

worden, dur<strong>ch</strong> die ein kritis<strong>ch</strong>er Verglei<strong>ch</strong> von <strong>Theorien</strong> aus beiden 'Theoriewelten'<br />

mögli<strong>ch</strong> wird 345 . Die im Kleinen gefundenen Prinzipien und Verfahren sollen si<strong>ch</strong><br />

ohne inhaltli<strong>ch</strong>en Unters<strong>ch</strong>ied o<strong>der</strong> weitere Voraussetzungen auf eine größere Gruppe von<br />

Individuen und Sa<strong>ch</strong>verhalten und damit letztli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> auf den Anwendungsberei<strong>ch</strong><br />

<strong>der</strong> staatli<strong>ch</strong>en Ordnung erweitern lassen, also verzerrungsfrei vom Kleinen ins Große<br />

skaliert werden können (Skalierbarkeitsthese).<br />

Die maßstäbli<strong>ch</strong>e Vergrößerbarkeit von Theorieansätzen (Skalierbarkeit) ist von<br />

großer praktis<strong>ch</strong>er Bedeutung. Denn das, was eine Theorie im Kleinen untersu<strong>ch</strong>t,<br />

wird häufig erst dadur<strong>ch</strong> wi<strong>ch</strong>tig, daß si<strong>ch</strong> dieselben Grundsätze au<strong>ch</strong> auf <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

in <strong>der</strong> staatli<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>tsgemeins<strong>ch</strong>aft übertragen lassen sollen 346 . Die Skalierbarkeit<br />

ist erfor<strong>der</strong>li<strong>ch</strong>, wenn man analytis<strong>ch</strong> von Konflikten im Zweipersonenverhältnis<br />

zur Re<strong>ch</strong>tfertigung sozialer Institutionen übergehen will 347 . Dazu werden Mikrotheorien<br />

und Makrotheorien auf <strong>der</strong> Basis struktureller Merkmale einan<strong>der</strong> zugeordnet,<br />

selbst wenn sie einen unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Anwendungsberei<strong>ch</strong> haben – die Ents<strong>ch</strong>eidungsrationalität<br />

<strong>der</strong> Zweipersonensituation wä<strong>ch</strong>st zur Sozialvertragstheorie,<br />

<strong>der</strong> Diskurs in <strong>der</strong> Kleingruppe wä<strong>ch</strong>st zur Kommunikationsgesells<strong>ch</strong>aft. Die<br />

Selbstverständli<strong>ch</strong>keit, mit <strong>der</strong> die meisten Autoren die Skalierbarkeit implizieren,<br />

zeigt si<strong>ch</strong> in den von ihnen gezogenen Verglei<strong>ch</strong>en zwis<strong>ch</strong>en vernünftigen Einzelfallents<strong>ch</strong>eidungen<br />

im Zweipersonenverhältnis auf <strong>der</strong> einen Seite und <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien<br />

für das polits<strong>ch</strong>e Gemeinwesen auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en 348 . Sol<strong>ch</strong>e Verglei<strong>ch</strong>barkeit<br />

zwis<strong>ch</strong>en <strong>Theorien</strong> unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Anwendungsberei<strong>ch</strong>e wird erst dadur<strong>ch</strong> errei<strong>ch</strong>t,<br />

daß man Mikro- und Makrotheorien einan<strong>der</strong> we<strong>ch</strong>selseitig zuordnet. Verglei<strong>ch</strong><br />

und Zuordnung wie<strong>der</strong>um implizieren, daß si<strong>ch</strong> eine Mikrotheorie maßstäbli<strong>ch</strong><br />

vergrößern (o<strong>der</strong> eine Makrotheorie maßstäbli<strong>ch</strong> verkleinern) läßt, bis sie in den<br />

jeweils an<strong>der</strong>en <strong>Theorien</strong> eine Entspre<strong>ch</strong>ung findet 349 .<br />

344 Erwähnung des Skalierbarkeitsproblems bei J.C. Harsanyi, Maximin Principle (1975), S. 605: »In<br />

fact, it would be a priori rather surprising if, at the most fundamental level, the basic principles of<br />

morality should take different forms for large-scale and for small-scale situations.« Kritis<strong>ch</strong>e Erörterung<br />

bei B. Peters, Integration mo<strong>der</strong>ner Gesells<strong>ch</strong>aften (1993), S. 380 f.<br />

345 Vgl. etwa B. Barry, Theories of Justice (1989), S. 293: »The result will be that theories with very different<br />

substantive conclusions will be treated together as having the same structure«; sowie S. 321<br />

– Zuordnung <strong>der</strong> <strong>Theorien</strong> von Harsanyi und Rawls als <strong>Theorien</strong> glei<strong>ch</strong>er Struktur.<br />

346 So au<strong>ch</strong> B. Peters, Integration mo<strong>der</strong>ner Gesells<strong>ch</strong>aften (1993), S. 380 f., <strong>der</strong> dies als den Vorteil <strong>der</strong><br />

Ents<strong>ch</strong>eidungstheorien s<strong>ch</strong>il<strong>der</strong>t, dem inhaltli<strong>ch</strong>en Gewinn aus den Folgerungen aber skeptis<strong>ch</strong><br />

gegenübersteht.<br />

347 Exemplaris<strong>ch</strong> B. Barry, Theories of Justice (1989), S. 145: »[W]e move on from fair division to social<br />

justice. By 'fair division' I mean to refer to proposed solutions to conflicts among small numbers of<br />

people ... . By 'social justice' I intend to refer to criteria to appraise social institutions«.<br />

348 B. Barry, Theories of Justice (1989), S. 145.<br />

349 Implizit au<strong>ch</strong> Gauthier, <strong>der</strong> die Theorie des Verhandelns (theory of bargaining) als mit seiner Theorie<br />

<strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> verbunden bezei<strong>ch</strong>net und diese später mit Sozialvertragstheorien verglei<strong>ch</strong>t.<br />

Siehe D. Gauthier, Bargaining and Justice (1985), S. 206; <strong>der</strong>s., The Social Contract as Ideology<br />

(1977), S. 350: »Insofar as the two [contractarian and noncontractarian conceptions] are mutually<br />

supportive, all is well.«<br />

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