Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch
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s<strong>ch</strong>en »einsam, arm, unangenehm, brutal und kurz« 205 ma<strong>ch</strong>t, desto eher konnte das<br />
Argument überzeugen, daß <strong>der</strong> Übergang von <strong>der</strong> Anar<strong>ch</strong>ie in die Staatli<strong>ch</strong>keit für<br />
jeden einzelnen, au<strong>ch</strong> den 'Starken', vorteilhaft sei 206 . Mit dieser Gesamtents<strong>ch</strong>eidung<br />
für o<strong>der</strong> gegen Staatli<strong>ch</strong>keit war aber no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts über die ri<strong>ch</strong>tige Verteilung<br />
von Re<strong>ch</strong>ten und Pfli<strong>ch</strong>ten innerhalb eines Staatswesens gesagt. So konnte einerseits<br />
Hobbes den Sozialvertrag zur Re<strong>ch</strong>tfertigung au<strong>ch</strong> <strong>der</strong> absolutistis<strong>ch</strong>en Herrs<strong>ch</strong>aft heranziehen<br />
207 , während etwa Nozick ihn für die Begründung eines Minimalstaates anführt<br />
208 . Diese unbefriedigende Beliebigkeit rührt letztli<strong>ch</strong> daher, daß jede Staatli<strong>ch</strong>keit<br />
den Vorteil eines höheren Niveaus si<strong>ch</strong>er genießbarer Güter für alle bietet, ohne<br />
daß si<strong>ch</strong> ausma<strong>ch</strong>en ließe, wel<strong>ch</strong>e unter den vorteilhaften Organisationsformen für<br />
die Beteiligten optimal ist.<br />
Dur<strong>ch</strong> die Spieltheorie 209 ist in diesem Jahrhun<strong>der</strong>t etwas klarer geworden, in<br />
wel<strong>ch</strong>en Fällen eine ni<strong>ch</strong>t nur irgendwie vorteilhafte, son<strong>der</strong>n insgesamt optimale<br />
Ents<strong>ch</strong>eidung vorliegt. Die <strong>Theorien</strong> zur Optimierung relativer Nutzenfaktoren, die<br />
letztli<strong>ch</strong> alle auf Nash zurückgehen, geben den Rahmen vor, innerhalb dessen si<strong>ch</strong> eine<br />
no<strong>ch</strong> zu erörternde Varianz von Ents<strong>ch</strong>eidungstheorien entwickelt hat. Na<strong>ch</strong> den<br />
<strong>Theorien</strong> zur Optimierung relativer Nutzenfaktoren wird jeweils die unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e<br />
Verhandlungsma<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> Parteien zum Kriterium für die Ents<strong>ch</strong>eidung zwis<strong>ch</strong>en<br />
vers<strong>ch</strong>iedenen Pareto-optimalen Ergebnissen gema<strong>ch</strong>t. Übersetzt in die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>ssemantik<br />
lautet die prozedurale Bedingung: Gere<strong>ch</strong>t ist dasjenige Pareto-optimale<br />
Verteilungsergebnis, das deshalb Ausdruck einer rationalen Ents<strong>ch</strong>eidung ist,<br />
weil es dur<strong>ch</strong> Ausübung von Verhandlungsma<strong>ch</strong>t zustandegekommen ist (Ma<strong>ch</strong>tproporzbedingung)<br />
210 . Die Theorie zur Optimierung relativer Nutzenfaktoren ist<br />
Warre, where every man is Enemy to every man; the same is consequent to the time, wherein men<br />
live without other security, than what their own strength, and their own invention shall furnish<br />
them withall.« Au<strong>ch</strong> das 'homo homini lupus' stammt aus <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>rift 'Vom Bürger' (1642): ebd.,<br />
Widmung: »Nun sind si<strong>ch</strong>er beide Sätze wahr: Der Mens<strong>ch</strong> ist ein Gott für den Mens<strong>ch</strong>en, und: Der<br />
Mens<strong>ch</strong> ist ein Wolf für den Mens<strong>ch</strong>en; jener, wenn man die Bürger untereinan<strong>der</strong>, dieser, wenn man<br />
die Staaten untereinan<strong>der</strong> verglei<strong>ch</strong>t.«<br />
205 T. Hobbes, Leviathan (1651), Kapitel 13: »Nature has made men so equall, in the faculties of body,<br />
and mind; ... the weakest has strength enough to kill the strongest, either by secret ma<strong>ch</strong>ination,<br />
or by confe<strong>der</strong>acy with others, that are in the same danger with himselfe. ... And the life of man,<br />
[is] solitary, poore, nasty, brutish, and short.«<br />
206 T. Hobbes, Leviathan (1651), Kapitel 17: »The finall Cause, End, or Designe of men ... is the foresight<br />
of their own pre<strong>servat</strong>ion, and of a more contented life thereby«. Zu dem Zusammenhang<br />
zwis<strong>ch</strong>en negativem Naturzustandsbild und Überzeugungskraft des Staatsbildungsarguments<br />
R. Nozick, Anar<strong>ch</strong>y, State, and Utopia (1974), S. 3 ff.<br />
207 T. Hobbes, Leviathan (1651), Kapitel 30: »Of the Office of the Soveraign Representative«.<br />
208 Dazu unten S. 183 ff. (Theorie des libertären Minimalstaates).<br />
209 Dazu unten S. 270 ff. (Kritik spieltheoretis<strong>ch</strong>er Grundlegung).<br />
210 Die Ma<strong>ch</strong>tproporzbedingung wird von Nash auf drei Unterbedingungen rationalen Ents<strong>ch</strong>eidens<br />
zurückgeführt. (1) Die zugrundegelegten Nutzenfaktoren sollen einheitsunabhängig sein, eine<br />
Verzehnfa<strong>ch</strong>ung aller Einzelnutzenfaktoren einer Partei also immer no<strong>ch</strong> zum glei<strong>ch</strong>en Ergebnis<br />
führen. Dem wird dur<strong>ch</strong> die Multiplikation entspro<strong>ch</strong>en. (2) Die Nutzenfaktoren sollen symmetris<strong>ch</strong><br />
sein, so daß identis<strong>ch</strong>e Nutzenfaktoren <strong>der</strong> Parteien zu einer Glei<strong>ch</strong>verteilung führen. Dem<br />
wird dur<strong>ch</strong> eine Normalisierung <strong>der</strong> Faktoren im Berei<strong>ch</strong> 0.0 bis 1.0 Re<strong>ch</strong>nung getragen. (3) Die<br />
Ents<strong>ch</strong>eidung muß unabhängig von irrelevanten (d.h. unerrei<strong>ch</strong>baren) Alternativen sein. Diese<br />
Bedingung betrifft den Fall, daß si<strong>ch</strong> bei bestimmten Konstellationen <strong>der</strong> Gesamtumfang des Gewinns<br />
und damit mögli<strong>ch</strong>erweise alle Nutzenfaktoren <strong>der</strong> Parteien vers<strong>ch</strong>ieben. Dann dürfen in<br />
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