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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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Ewigkeitsgarantie unterliegt 166 . Dabei gibt es zwei Auslegungsmögli<strong>ch</strong>keiten für die<br />

Norm. Sieht man sie als Prinzip an, dann wäre sie mit an<strong>der</strong>en Grundre<strong>ch</strong>ten in jedem<br />

Einzelfall abzuwägen; die diskursive Kontrolle wäre dadur<strong>ch</strong> gewahrt. Gilt sie<br />

indes als Regel mit wenigen feststehenden Ausnahmen, so läge darin eine Konkretisierung<br />

des relativen Gewi<strong>ch</strong>ts von Freiheitsre<strong>ch</strong>ten, die einer diskursiven Kontrolle<br />

faktis<strong>ch</strong> entzogen wäre. Eine Interpretation des Verfassungsre<strong>ch</strong>ts als abwägungsbedürftiges<br />

Prinzip ist deshalb gere<strong>ch</strong>tigkeitstheoretis<strong>ch</strong> geboten.<br />

Au<strong>ch</strong> anhand <strong>der</strong> Verfassung <strong>der</strong> Bundesrepublik Deuts<strong>ch</strong>land läßt si<strong>ch</strong> Ähnli<strong>ch</strong>es<br />

zeigen. Von <strong>der</strong> grundgesetzli<strong>ch</strong>en Ewigkeitsgarantie (Art. 79 III i.V.m. Art. 1<br />

und 20 GG) sind ni<strong>ch</strong>t nur die Verfassungskonkretisierungen notwendiger <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen<br />

(Grundre<strong>ch</strong>te auf Glei<strong>ch</strong>heit, optimierte Freiheit und Demokratie), son<strong>der</strong>n<br />

au<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>e Verfassungsprinzipien erfaßt, die zu den optionalen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen<br />

zählen (Bundesstaatli<strong>ch</strong>keit, Staatsform <strong>der</strong> Republik) und folgli<strong>ch</strong> einer diskursiven<br />

Kontrolle unterliegen müssen 167 . Diese Kontrolle besteht nur, wenn man<br />

annimmt, daß si<strong>ch</strong> (jedenfalls über eine zulässige Verfassungsän<strong>der</strong>ung) die verfassunggebende<br />

Gewalt aktivieren ließe, um auf diesem Wege die ni<strong>ch</strong>t diskurstheoretis<strong>ch</strong><br />

o<strong>der</strong> diskursiv notwendigen Normen zu än<strong>der</strong>n. Ginge das ni<strong>ch</strong>t, enthielte<br />

die normative Ordnung des Grundgesetzes insoweit eine ungere<strong>ch</strong>te Bes<strong>ch</strong>ränkung<br />

<strong>der</strong> Volkssouveränität. Eine Auslegung, die zumindest eine Totalrevision zuläßt<br />

(Art. 146 GG) und dadur<strong>ch</strong> die öffentli<strong>ch</strong>e Diskussion über Revisionen des Fö<strong>der</strong>alismus<br />

und Republikanismus ni<strong>ch</strong>t von vornherein als Aufruf zur Revolution diskreditiert,<br />

ist deshalb gere<strong>ch</strong>tigkeitstheoretis<strong>ch</strong> geboten 168 .<br />

e) Ergebnisse<br />

Die Beispiele zeigen, daß si<strong>ch</strong> Kriterien für 'ri<strong>ch</strong>tiges Re<strong>ch</strong>t' aus Si<strong>ch</strong>t einer Diskurstheorie<br />

<strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> allein daraus ableiten lassen, daß Verfassunggebung und<br />

Verfassungsän<strong>der</strong>ung als reale Diskurse verstanden werden.<br />

166 Zur faktis<strong>ch</strong>en Sperrwirkung am Beispiel <strong>der</strong> ers<strong>ch</strong>werten Än<strong>der</strong>ungsmodalitäten in Art. V, letzter<br />

Halbsatz U.S.-Verf. (»[N]o State, without its Consent, shall be deprived of its equal Suffrage in<br />

the Senate.«) vgl. B. Ackerman, We The People (1991), S. 15 mit Fn. 21: »This effort to entren<strong>ch</strong> Fe<strong>der</strong>alism<br />

caused all sorts of trouble in the aftermath of the Civil War.« Zu einer ni<strong>ch</strong>t bloß faktis<strong>ch</strong>en,<br />

son<strong>der</strong>n normativen Unabän<strong>der</strong>li<strong>ch</strong>keitsklausel vgl. ebd., S. 15 – Die Bestimmung des Artikels<br />

V, I Sec. 9 (1) <strong>der</strong> U.S.-Verfassung vom 17.9.1787 (»Provided that no Amendment whi<strong>ch</strong> may<br />

be made prior to the Year One thousand eight hundred and eight shall in any Manner affect the<br />

first and fourth Clauses in the Ninth Section of the first Article«; »The Migration or Importation of<br />

Su<strong>ch</strong> Persons as any of the States now existing shall think proper to admit, shall not be prohibited<br />

by the Congress prior to the Year one thousand eight hundred and eight, but a Tax or duty may<br />

be imposed on su<strong>ch</strong> Importation, not exceeding ten dollars for ea<strong>ch</strong> Person.«) habe die explizite<br />

Unabän<strong>der</strong>li<strong>ch</strong>keit <strong>der</strong> Sklaverei vor dem Jahr 1808 geregelt. Allerdings wäre eine sol<strong>ch</strong>e Festlegung<br />

na<strong>ch</strong> Ackermans Konzept <strong>der</strong> 'dualen Demokratie' als gere<strong>ch</strong>t einzustufen; vgl. oben S. 258<br />

(dualistis<strong>ch</strong>e Demokratie bei Ackerman).<br />

167 Kritis<strong>ch</strong> zur Einbeziehung H. Dreier, Grenzen demokratis<strong>ch</strong>er Freiheit im Verfassungsstaat (1994),<br />

S. 747 ff. – Problematik <strong>der</strong> Unantastbarkeitsgarantie.<br />

168 Vgl. B. Stückrath, Art. 146 GG: Verfassungsablösung zwis<strong>ch</strong>en Legalität und Legitimität (1997),<br />

S. 185 ff. – Legalität einer künftigen Verfassungsneus<strong>ch</strong>öpfung; ebd., S. 253 – die legale Aufhebung<br />

des deuts<strong>ch</strong>en Fö<strong>der</strong>alismus sei im Rahmen des Art. 146 mögli<strong>ch</strong>.<br />

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