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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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U h ':<br />

»Handle (stets) so, als ob du Mitglied einer idealen Kommunikationsgemeins<strong>ch</strong>aft<br />

wärest!« 527<br />

c) Das Ergänzungsprinzip (E)<br />

In 'Teil B' <strong>der</strong> Begründung seiner Diskurstheorie rekurriert Apel auf ein Ergänzungsprinzip,<br />

das die Brücke von einer kantis<strong>ch</strong>en Prinzipienethik, die im Webers<strong>ch</strong>en Sinne<br />

reine (folgenneutrale) Gesinnungsethik sei 528 , hin zu einer (folgensensiblen) Verantwortungsethik<br />

bilden soll 529 . Bei diesem Begründungsteil geht es um die Bewältigung<br />

des Problems, daß »die ideale Kommunikationsgemeins<strong>ch</strong>aft, auf die das<br />

Universalisierungsprinzip <strong>der</strong> Diskursethik kontrafaktis<strong>ch</strong> bezogen ist, in <strong>der</strong> Wirkli<strong>ch</strong>keit<br />

immer no<strong>ch</strong> erst zu realisieren ist.« 530 Insoweit spri<strong>ch</strong>t Apel von einer prinzipiellen<br />

Differenz (D) zwis<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Interaktion in handlungsentlasteten<br />

Diskursen, also sol<strong>ch</strong>en, die weitgehend frei von Zwängen sind 531 , und den lebensweltli<strong>ch</strong>en<br />

Interessenkonflikten 532 . Apel führt als Beispiel die internationale Politik<br />

an, in <strong>der</strong> na<strong>ch</strong> wie vor ein re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>es Sanktionssystem zur Konfliktbeilegung fehlt:<br />

Würde man hier, etwa in Abrüstungsverhandlungen, das S<strong>ch</strong>icksal <strong>der</strong> Welt einem<br />

'moralis<strong>ch</strong>en Politiker' im Sinne Kants anvertrauen, so käme das <strong>der</strong> Selbstaufgabe im<br />

Namen <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> glei<strong>ch</strong> (fiat justitia, pereat mundus) 533 . Eine bloße Prinzipien-<br />

Moralität ist den Betroffenen im wirkli<strong>ch</strong>en Leben deshalb we<strong>der</strong> zumutbar, no<strong>ch</strong><br />

würde sie genügen, um <strong>der</strong> politis<strong>ch</strong>en Verantwortung gere<strong>ch</strong>t zu werden 534 . Vielmehr<br />

muß ein Ergänzungsprinzip die Verantwortungsethik dadur<strong>ch</strong> formulieren,<br />

daß es die (wenn au<strong>ch</strong> niemals vollständige, so do<strong>ch</strong> progressive) Realisierung <strong>der</strong><br />

(kommunikativen) Rahmen-Bedingungen eines glei<strong>ch</strong>bere<strong>ch</strong>tigten und glei<strong>ch</strong>verantwortli<strong>ch</strong>en<br />

Miteinan<strong>der</strong>s för<strong>der</strong>t 535 .<br />

E: »Erstens muß es in allem Tun und Lassen darum gehen,<br />

das Überleben <strong>der</strong> mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Gattung als <strong>der</strong> realen<br />

Kommunikationsgemeins<strong>ch</strong>aft si<strong>ch</strong>erzustellen, zweitens<br />

darum, in <strong>der</strong> realen die ideale Kommunikationsgemeins<strong>ch</strong>aft<br />

zu verwirkli<strong>ch</strong>en. Das erste Ziel ist die<br />

527 Die Formulierung stammt ursprüngli<strong>ch</strong> von Annemarie Pieper und wurde von Apel übernommen;<br />

K.-O. Apel, Diskursethik vor <strong>der</strong> Problematik von Re<strong>ch</strong>t und Politik (1992), S. 36.<br />

528 Dieser These Apels von <strong>der</strong> Folgenneutralität <strong>der</strong> Gesinnungsethik wi<strong>der</strong>spre<strong>ch</strong>en allerdings Webers<br />

Ausführungen zur Gesinnung als unter Umständen re<strong>ch</strong>tsnormativ Gebotenem; M. Weber,<br />

Wirts<strong>ch</strong>aft und Gesells<strong>ch</strong>aft (1976), Bd. I, S. 191.<br />

529 K.-O. Apel, Postkantis<strong>ch</strong>er Standpunkt <strong>der</strong> Moralität (1986), S. 246 ff.; <strong>der</strong>s., Diskurs und Verantwortung<br />

(1988), S. 270 ff.; <strong>der</strong>s., Diskursethik vor <strong>der</strong> Problematik von Re<strong>ch</strong>t und Politik (1992),<br />

S. 34 f.<br />

530 K.-O. Apel, Diskursethik vor <strong>der</strong> Problematik von Re<strong>ch</strong>t und Politik (1992), S. 36 f.<br />

531 Dazu oben S. 220 (handlungsentlastete Diskurse).<br />

532 K.-O. Apel, Diskurs und Verantwortung (1988), S. 144.<br />

533 K.-O. Apel, Die Vernunftfunktion <strong>der</strong> kommunikativen Rationalität (1996), S. 40.<br />

534 K.-O. Apel, Diskurs und Verantwortung (1988), S. 144; <strong>der</strong>s., Die Vernunftfunktion <strong>der</strong> kommunikativen<br />

Rationalität (1996), S. 40.<br />

535 K.-O. Apel, Diskursethik vor <strong>der</strong> Problematik von Re<strong>ch</strong>t und Politik (1992), S. 37.<br />

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