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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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(1) 'Antitheorien' <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> = nietzs<strong>ch</strong>eanis<strong>ch</strong>e Grundposition<br />

(2) Materiale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien = aristotelis<strong>ch</strong>e Grundposition<br />

(3) <strong>Prozedurale</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien<br />

(a) Ents<strong>ch</strong>eidungstheorien <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> = hobbesianis<strong>ch</strong>e Grundposition<br />

(!) Ni<strong>ch</strong>tvertragli<strong>ch</strong>e <strong>Theorien</strong> rationalen Ents<strong>ch</strong>eidens (Braithwaite)<br />

(") Neohobbesianis<strong>ch</strong>e Sozialvertragstheorien (Nozick, Bu<strong>ch</strong>anan)<br />

(b) Universalistis<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien = kantis<strong>ch</strong>e Grundposition<br />

(!) Kantis<strong>ch</strong>e Sozialvertragstheorien (Rawls)<br />

(") Standpunkttheorien (Nagel)<br />

(#) Diskurstheorien (Apel, Habermas, Alexy)<br />

Das S<strong>ch</strong>ema zeigt, wie prozedurale <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> dana<strong>ch</strong> unters<strong>ch</strong>ieden<br />

werden können, wel<strong>ch</strong>e Antwort sie auf die Frage na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Begründbarkeit von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

geben, o<strong>der</strong> allgemein: wel<strong>ch</strong>e Konzeptionen <strong>der</strong> praktis<strong>ch</strong>en Vernunft sie<br />

verfolgen.<br />

Ents<strong>ch</strong>eidungstheorien (rational <strong>ch</strong>oice theories 443 ) urteilen dana<strong>ch</strong>, wie si<strong>ch</strong> Mens<strong>ch</strong>en<br />

'vernünftigerweise' in Ents<strong>ch</strong>eidungssituationen verhalten. Sie definieren Ents<strong>ch</strong>eidungsverfahren<br />

444 und nehmen das Ents<strong>ch</strong>eidungsverhalten egoistis<strong>ch</strong>er Nutzenmaximierer<br />

als Ausgangspunkt, um die Ri<strong>ch</strong>tigkeit des Handelns zu erklären 445 .<br />

Ents<strong>ch</strong>eidungstheorien in diesem Sinne sind nur die <strong>Theorien</strong>, die na<strong>ch</strong> dem Verhalten<br />

egoistis<strong>ch</strong>er Nutzenmaximierer fragen (hobbesianis<strong>ch</strong>e Grundposition), ni<strong>ch</strong>t etwa<br />

alle Sozialvertragstheorien (au<strong>ch</strong>: kantis<strong>ch</strong>e Grundposition) o<strong>der</strong> gar alle Nutzenmaximierungstheorien<br />

des Utilitarismus (aristotelis<strong>ch</strong>e Grundposition) 446 .<br />

Universalistis<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien untersu<strong>ch</strong>en, wie si<strong>ch</strong> Mens<strong>ch</strong>en 'vernünftigerweise'<br />

verhalten, wenn sie ni<strong>ch</strong>t nur eigennützig ihren Neigungen na<strong>ch</strong>geben,<br />

son<strong>der</strong>n si<strong>ch</strong> als autonome Selbstgesetzgeber fragen, was au<strong>ch</strong> für an<strong>der</strong>e, letztli<strong>ch</strong><br />

sogar für alle das Ri<strong>ch</strong>tige ist. Im Zentrum <strong>der</strong> Diskussion steht dabei die kantis<strong>ch</strong>e<br />

Sozialvertragstheorie von Rawls. Do<strong>ch</strong> sollen in dieser Untersu<strong>ch</strong>ung als Gegenpol<br />

zu den Ents<strong>ch</strong>eidungstheorien vor allem die <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> rationalen Argumentation<br />

in ihrer Ausprägung als <strong>Theorien</strong> des rationalen praktis<strong>ch</strong>en Diskurses<br />

443 Hier wird 'rational <strong>ch</strong>oice theory' dur<strong>ch</strong>weg mit 'Theorie rationaler Ents<strong>ch</strong>eidung' o<strong>der</strong> einfa<strong>ch</strong> 'Ents<strong>ch</strong>eidungstheorie'<br />

übersetzt, da die wörtli<strong>ch</strong>e Übersetzung ('Theorie rationaler Wahl') ni<strong>ch</strong>t in<br />

glei<strong>ch</strong>er Weise geeignet ist, diejenigen Ents<strong>ch</strong>eidungen zu berücksi<strong>ch</strong>tigen, die eine Auswahlmögli<strong>ch</strong>keit<br />

erst gestalten.<br />

444 Eine allgemeine Definition hierfür findet si<strong>ch</strong> bei J.R. Lucas, Principles of Politics (1966), S. 366: »A<br />

decision procedure is the method of deciding disputes that is common to members of a community.«<br />

Dabei ist ein Disput die Uneinigkeit über Handeln, ni<strong>ch</strong>t Ideen (S. 11). Das Ents<strong>ch</strong>eidungsverfahren<br />

wird nötig, wenn vernünftige Diskussion und Argumentation keinen Konsens bewirken<br />

und das Gewaltverbot, das eine Gemeins<strong>ch</strong>aft begriffli<strong>ch</strong> erst ausma<strong>ch</strong>t, eine (friedli<strong>ch</strong>e) Ents<strong>ch</strong>eidung<br />

erfor<strong>der</strong>t (S. 11).<br />

445 G. Kir<strong>ch</strong>gässner, Homo oeconomicus (1991), S. 12 ff., 45 ff. – eigener Vorteil als Charakteristikum;<br />

R.A. Posner, Economic Analysis of Law (1992), S. 4, 264 ff. – Eigeninteresse, Anreizorientierung.<br />

446 Zu an<strong>der</strong>en Verwendungen des Begriffs <strong>der</strong> Ents<strong>ch</strong>eidungstheorie vgl. R. Dreier, Re<strong>ch</strong>t und <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

(1991), S. 116 f. (au<strong>ch</strong> kantis<strong>ch</strong>e Sozialvertragstheorien).<br />

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