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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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verbunden ist 11 . Die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> <strong>der</strong> staatli<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>tsordnung ist na<strong>ch</strong> wie vor<br />

von ungebro<strong>ch</strong>ener Aktualität. Mag au<strong>ch</strong> die gegenwärtige Staatenentwicklung Anlaß<br />

zur Hoffnung geben, daß die unverholen und offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> ungere<strong>ch</strong>ten Systeme,<br />

die Okkupations-, Genozid- und Apartheidsregime, <strong>der</strong>zeit im Nie<strong>der</strong>gang begriffen<br />

sind; ein 'Ende <strong>der</strong> Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te' zei<strong>ch</strong>net si<strong>ch</strong> damit keineswegs ab 12 . Denn<br />

selbst wenn die These stimmen sollte, daß si<strong>ch</strong> sämtli<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> etwa 180 zur Zeit existierenden<br />

unabhängigen Staaten letztli<strong>ch</strong> am mo<strong>der</strong>nen europäis<strong>ch</strong>en Staatsmodell<br />

orientieren 13 , so ist do<strong>ch</strong> we<strong>der</strong> erkennbar, ob si<strong>ch</strong> die staatli<strong>ch</strong>en Ordnungsmodelle<br />

dabei überhaupt teleologis<strong>ch</strong> auf ein Optimierungsziel hin entwickeln, statt nur einer<br />

vorübergehenden politis<strong>ch</strong>en Mode anzuhängen 14 , no<strong>ch</strong> ähneln si<strong>ch</strong> die unter dem<br />

Bekenntnis demokratis<strong>ch</strong>er Verfaßtheit versammelten Staatsordnungen stark genug,<br />

um von einem einheitli<strong>ch</strong>en, als gere<strong>ch</strong>t anerkannten Modell spre<strong>ch</strong>en zu können.<br />

Zwis<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> kommunistis<strong>ch</strong>en Volksrepublik China, <strong>der</strong> religiösen Republik Iran<br />

und den kapitalistis<strong>ch</strong>-laizistis<strong>ch</strong>en Vereinigten Staaten von Amerika entfaltet si<strong>ch</strong><br />

ein so weites Band unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Demokratievorstellungen, daß we<strong>ch</strong>selseitige<br />

Vorwürfe von Ungere<strong>ch</strong>tigkeit eher die Regel als die Ausnahme sind. Und selbst<br />

wenn es in einer politis<strong>ch</strong> konsolidierten Zukunft jemals einen breiten Konsens über<br />

die ri<strong>ch</strong>tige(n) Staatsordnung(en) geben sollte, so müßte dieser do<strong>ch</strong> stets aufs neue<br />

gegenüber je<strong>der</strong> Einzelstimme <strong>der</strong> Kritik na<strong>ch</strong> innen und außen verteidigt werden.<br />

Zweitens liegt eine Selbstbes<strong>ch</strong>ränkung darin, daß diese Untersu<strong>ch</strong>ung si<strong>ch</strong> auf<br />

'<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien <strong>der</strong> Gegenwart' konzentriert. Die Klassiker <strong>der</strong> Ideenges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

politis<strong>ch</strong>er <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (Aristoteles, Hobbes, Locke, Kant u.v.m.), zu denen es<br />

zahlrei<strong>ch</strong>e Detailstudien gibt, finden hier nur insoweit ausdrückli<strong>ch</strong> Erwähnung, als<br />

sie zu einer unverzi<strong>ch</strong>tbaren Grundlage neuerer <strong>Theorien</strong> geworden sind. Als '<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien<br />

<strong>der</strong> Gegenwart' sind sol<strong>ch</strong>e gemeint, die – wie die Theorie von<br />

Rawls 15 – jedenfalls na<strong>ch</strong> Etablierung <strong>der</strong> Spieltheorie dur<strong>ch</strong> J. v. Neumann und<br />

11 Illustrativ die frühe Formulierung bei R. v. Jhering, Geist des römis<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>ts auf den vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Stufen seiner Entwicklung (1894), S. 22: »Von allen übrigen Mä<strong>ch</strong>ten und Ideen, wel<strong>ch</strong>e das<br />

mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Handeln bestimmen: <strong>der</strong> des Guten, S<strong>ch</strong>önen, Zweckmäßigen, <strong>der</strong> Religion, unters<strong>ch</strong>eidet<br />

si<strong>ch</strong> das Re<strong>ch</strong>t dadur<strong>ch</strong>, daß es si<strong>ch</strong> zu seiner Verwirkli<strong>ch</strong>ung des Zwanges bedient, also<br />

die Freiheit des eigenen Ents<strong>ch</strong>lusses aufhebt.« Ausführli<strong>ch</strong>er <strong>der</strong>s., Der Zweck im Re<strong>ch</strong>t (1884),<br />

S. 320 ff. beginnend mit <strong>der</strong> Definition: »Re<strong>ch</strong>t ist <strong>der</strong> Inbegriff <strong>der</strong> in einem Staate geltenden<br />

Zwangsnormen« (Hervorhebung bei Jhering). Ähnli<strong>ch</strong> H.L.A. Hart, Concept of Law (1961), S. 84:<br />

»[W]hen physical sanctions are prominent or usual among the forms of pressure, ... we shall be<br />

inclined to classify the rules as a primitive or rudimentary form of law.«<br />

12 Vgl. aber die Thesen von F. Fukuyama, The End of History? (1989), S. 3 ff. (4): »What we may be<br />

witnessing is not just the end of the Cold War, ... but the end of history as su<strong>ch</strong>: that is, the end<br />

point of mankind's ideological evolution and the universalization of Western liberal democracy as<br />

the final form of human government.«; <strong>der</strong>s., The End of History and the Last Man (1992); dagegen<br />

S.P. Huntington, No Exit: The Errors of Endism (1989); <strong>der</strong>s., The Clash of Civilizations? (1993),<br />

S. 38: »conflict between civilizations will supplant ideological and other forms of conflict as the<br />

dominant global form of conflict«.<br />

13 S.E. Finer, History of Government (1997), S. 88; ähnli<strong>ch</strong> in Form einer Vorhersage bereits M. Kriele,<br />

Die demokratis<strong>ch</strong>e Weltrevolution (1987), §§ 1, 16 ff. (S. 9 ff., 53 ff.).<br />

14 Gründe für Skepsis etwa bei S.E. Finer, History of Government (1997), S. 88; frühe Kritik am historis<strong>ch</strong>en<br />

Determinismus bei I. Berlin, Historical Inevitability (1953), S. 109 ff.<br />

15 Die Grundlagen <strong>der</strong> Rawlss<strong>ch</strong>en Theorie wurden bereits am 28. Dezember 1957 gelegt, in einem<br />

Vortrag vor <strong>der</strong> American Philosophical Association, Eastern Division, publiziert als J. Rawls, Ju-<br />

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