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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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e<strong>ch</strong>tigkeit gegenüber <strong>der</strong> Natur (Tiere, Pflanzen, unbelebte Entitäten), gegenüber<br />

künftigen Generationen, an<strong>der</strong>en Staaten o<strong>der</strong> unter den Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tern zu erweitern<br />

257 . Im Li<strong>ch</strong>te dieser These soll abs<strong>ch</strong>ließend in Grundzügen beleu<strong>ch</strong>tet werden,<br />

auf wel<strong>ch</strong>em Weg eine Diskurstheorie <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> au<strong>ch</strong> hier Maßstäbe entwikkeln<br />

könnte.<br />

I. Zur <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> gegenüber <strong>der</strong> Natur<br />

Die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> gegenüber <strong>der</strong> Natur bezei<strong>ch</strong>net mehr als die Umwelts<strong>ch</strong>utzprobleme<br />

<strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>en; sie fragt na<strong>ch</strong> einer Überwindung des Anthropozentrismus.<br />

Hier ist die Diskurstheorie vor das Problem gestellt, daß Diskurse nur unter Mens<strong>ch</strong>en<br />

geführt werden können 258 . Bei diesem Verfahren <strong>der</strong> praktis<strong>ch</strong>en Erkenntnis<br />

sind Tiere und Pflanzen (Biozentrismus) o<strong>der</strong> unbelebte Entitäten (Holismus) von<br />

vornherein keine taugli<strong>ch</strong>en Teilnehmer. Damit stellt si<strong>ch</strong> die Erweiterbarkeit no<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>wieriger dar, als bei <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> hobbesianis<strong>ch</strong>en Grundposition, die auf Interessen<br />

abstellen, und deshalb für ein (wie au<strong>ch</strong> immer konkretisiertes) Nutzenkalkül<br />

immerhin auf objektive Lebens- o<strong>der</strong> Bestandsinteressen von Tieren, Pflanzen o<strong>der</strong> sogar<br />

unbelebten Entitäten zurückgreifen könnten.<br />

Die Erweiterbarkeitsproblematik hat eine Parallele in <strong>der</strong> ökologis<strong>ch</strong>en Ethik.<br />

Dort wird diskutiert, ob Naturentitäten überhaupt eigene Re<strong>ch</strong>te haben können, o<strong>der</strong><br />

ob es notwendig nur um (einseitige) mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Pfli<strong>ch</strong>ten gegenüber <strong>der</strong> Natur gehen<br />

müsse. Eine mögli<strong>ch</strong>e Antwort lautet, daß jedenfalls für die Zwecke des positiven<br />

Re<strong>ch</strong>ts eine Zuweisung von 'Re<strong>ch</strong>ten' zu Naturentitäten genauso mögli<strong>ch</strong> ist, wie sie<br />

bei juristis<strong>ch</strong>en Personen ges<strong>ch</strong>ieht. Für die Naturentität wird dadur<strong>ch</strong> eine mens<strong>ch</strong>enähnli<strong>ch</strong>e<br />

Persönli<strong>ch</strong>keit fingiert, um sie in den vollen Genuß <strong>der</strong> instrumentellen<br />

Kraft eines 'Re<strong>ch</strong>tes' (claim right) kommen zu lassen. Über juristis<strong>ch</strong>e Vertreter<br />

kann ein sol<strong>ch</strong>es 'Re<strong>ch</strong>t' dann geltend gema<strong>ch</strong>t werden 259 .<br />

Die Gedanken einer Personenfiktion und <strong>der</strong> Vertretungsmögli<strong>ch</strong>keit lassen si<strong>ch</strong><br />

zumindest für reale Diskurse fru<strong>ch</strong>tbar ma<strong>ch</strong>en. Bestimmte Diskursideale, etwa das<br />

<strong>der</strong> unbegrenzten Teilnehmers<strong>ch</strong>aft, könnten dadur<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> für Naturentitäten näherungsweise<br />

verwirkli<strong>ch</strong>t werden. Entlang dieser Entwicklungslinien wäre es beispielsweise<br />

denkbar, diskurstheoretis<strong>ch</strong>e Anfor<strong>der</strong>ungen an Verwaltungsverfahren<br />

zu entwickeln, na<strong>ch</strong> denen einem Baum, bevor er gefällt wird, mögli<strong>ch</strong>st vollständige<br />

Informationen zugeleitet und eine Mögli<strong>ch</strong>keit zur Stellungnahme eingeräumt werden<br />

muß. Die Erweiterung <strong>der</strong> Diskurstheorie auf Fragen <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> gegenüber<br />

<strong>der</strong> Natur ist folgli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t völlig ausges<strong>ch</strong>lossen.<br />

257 Dazu oben S. 114 ff. (Erweiterbarkeitsthese).<br />

258 So au<strong>ch</strong> J. Habermas, Erläuterungen zur Diskursethik (1991), S. 219 ff.; W. Kuhlmann, Anthropozentrismus<br />

(1989), S. 131 ff., beide m.w.N. Vgl. G. Skirbekk, Ethical Gradualism and Discourse Ethics<br />

(1993), S. 297 ff., 306 ff. – Zusammenhänge zwis<strong>ch</strong>en moral agent, moral subject und moral discussant.<br />

259 Vgl. zu dieser ni<strong>ch</strong>tanthropozentris<strong>ch</strong>en Lösungsmögli<strong>ch</strong>keit innerhalb eines na<strong>ch</strong> wie vor anthropozentris<strong>ch</strong>en<br />

Re<strong>ch</strong>tsverständnisses S. Emmenegger/A. Ts<strong>ch</strong>ents<strong>ch</strong>er, Taking Nature's Rights Seriously<br />

(1994), S. 572 ff., 586 ff.<br />

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