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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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Die transzendentalpragmatis<strong>ch</strong>e Begründung besteht darin zu zeigen, daß die<br />

Diskursregeln zu den notwendigen Voraussetzungen je<strong>der</strong> Kommunikation gehören.<br />

Transzendental ist ein sol<strong>ch</strong>es Argument, weil es na<strong>ch</strong> den Bedingungen <strong>der</strong> Mögli<strong>ch</strong>keit<br />

fragt (Präsuppositionsanalyse 513 ). In spra<strong>ch</strong>pragmatis<strong>ch</strong>er Fassung formuliert<br />

Apel: »Wer argumentiert, <strong>der</strong> anerkennt implizit alle mögli<strong>ch</strong>en Ansprü<strong>ch</strong>e aller<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kommunikationsgemeins<strong>ch</strong>aft, die dur<strong>ch</strong> vernünftige Argumente gere<strong>ch</strong>tfertigt<br />

werden können ... und er verpfli<strong>ch</strong>tet si<strong>ch</strong> zuglei<strong>ch</strong>, alle eigenen Ansprü<strong>ch</strong>e<br />

an an<strong>der</strong>e dur<strong>ch</strong> Argumente zu re<strong>ch</strong>tfertigen.« 514 Diese 'Grundnorm' soll unabhängig<br />

davon gelten, ob die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kommunikationsgemeins<strong>ch</strong>aft sie im<br />

Einzelfall faktis<strong>ch</strong> anerkennen 515 . Es gilt ein Apriori sowohl <strong>der</strong> realen wie <strong>der</strong> idealen<br />

Kommunikationsgemeins<strong>ch</strong>aft 516 , wobei die ideale Kommunikationsgemeins<strong>ch</strong>aft<br />

zum regulativen Prinzip je<strong>der</strong> ethis<strong>ch</strong>-normativen Begründung von Werturteilen<br />

gerät 517 . Die Anerkennung <strong>der</strong> Kommunikationsgemeins<strong>ch</strong>aft, die dur<strong>ch</strong> die<br />

Diskursregeln konkretisiert wird, ist dana<strong>ch</strong> eine notwendige Voraussetzung dafür,<br />

überhaupt zu argumentieren. Wer also argumentiert, dabei aber die Gültigkeit <strong>der</strong><br />

Diskursregeln bestreitet, begeht einen performativen Selbstwi<strong>der</strong>spru<strong>ch</strong>: Sein Handeln<br />

ist mit dem dur<strong>ch</strong> das Handeln implizit Gesagten logis<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t vereinbar 518 . Die Diskursregeln<br />

werden dadur<strong>ch</strong> zu denjenigen in Freiheit anerkannten formal-prozeduralen<br />

Normen, wel<strong>ch</strong>e in <strong>der</strong> Ethik implizit enthalten sind (Normen erster Stufe); sie<br />

sind von den dur<strong>ch</strong> praktis<strong>ch</strong>e Diskurse erst no<strong>ch</strong> zu begründenden materialen (situationsbezogenen)<br />

Normen zu unters<strong>ch</strong>eiden (Normen zweiter Stufe) 519 .<br />

stand (klinis<strong>ch</strong>-empiris<strong>ch</strong> belegbarer) Psy<strong>ch</strong>opathologie erfülle. Aussagen über die psy<strong>ch</strong>opathologis<strong>ch</strong>en<br />

Folgen einer Argumentationsverweigerung bilden allerdings selbst wie<strong>der</strong> empiris<strong>ch</strong>e<br />

Annahmen, die bestritten werden können, also keine Letztbegründung stützen; G. Patzig, 'Principium<br />

diiudicationis' und 'Principium executionis' (1986), S. 213.<br />

513 Dazu oben S. 225 (transzendentales Argument).<br />

514 K.-O. Apel, Transformation <strong>der</strong> Philosophie, Bd. 2 (1973), S. 424 f.<br />

515 K.-O. Apel, Transformation <strong>der</strong> Philosophie, Bd. 2 (1973), S. 426.<br />

516 K.-O. Apel, Transformation <strong>der</strong> Philosophie, Bd. 2 (1973), S. 429: »Wer nämli<strong>ch</strong> argumentiert, <strong>der</strong><br />

setzt immer s<strong>ch</strong>on zwei Dinge glei<strong>ch</strong>zeitig voraus: Erstens eine reale Kommunikationsgemeins<strong>ch</strong>aft,<br />

<strong>der</strong>en Mitglied er selbst dur<strong>ch</strong> einen Sozialisationsprozeß geworden ist, und zweitens eine ideale<br />

Kommunikationsgemeins<strong>ch</strong>aft, die prinzipiell imstande sein würde, den Sinn seiner Argumente adäquat<br />

zu verstehen und ihre Wahrheit definitiv zu beurteilen.«<br />

517 K.-O. Apel, Transformation <strong>der</strong> Philosophie, Bd. 2 (1973), S. 434.<br />

518 Vgl. K.-O. Apel, Diskursethik vor <strong>der</strong> Problematik von Re<strong>ch</strong>t und Politik (1992), S. 54. Inhaltsglei<strong>ch</strong><br />

die Definition bei K.-O. Apel, Die Vernunftfunktion <strong>der</strong> kommunikativen Rationalität<br />

(1996), S. 22: »Unter letzterem [transzendentalpragmatis<strong>ch</strong>en Selbstwi<strong>der</strong>spru<strong>ch</strong>] verstehe i<strong>ch</strong> einen<br />

performativen Wi<strong>der</strong>spru<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en dem Inhalt einer Proposition und dem selbstbezügli<strong>ch</strong>en – impliziten<br />

o<strong>der</strong> performativ expliziten – intentionalen Inhalt des Aktes des Vorbringens <strong>der</strong> Proposition<br />

im Rahmen eines argumentativen Diskurses.« (Hervorhebungen bei Apel).<br />

519 Zu dieser Zweistufigkeit <strong>der</strong> Diskursethik, bei <strong>der</strong> zwis<strong>ch</strong>en formal-prozeduraler Letztbegründung<br />

und konsensual-kommunikativer Begründung <strong>der</strong> inhaltli<strong>ch</strong>en Normen unters<strong>ch</strong>ieden wird:<br />

K.-O. Apel, Diskurs und Verantwortung (1988), S. 120; <strong>der</strong>s., Diskursethik vor <strong>der</strong> Problematik von<br />

Re<strong>ch</strong>t und Politik (1992), S. 55.<br />

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