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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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we<strong>der</strong> <strong>der</strong> kantis<strong>ch</strong>en no<strong>ch</strong> <strong>der</strong> utilitaristis<strong>ch</strong>en Si<strong>ch</strong>tweise entspri<strong>ch</strong>t 245 . Die Wurzeln<br />

dieser Komponente lassen si<strong>ch</strong> bis zum philosophis<strong>ch</strong>en Frühwerk von Rawls<br />

zurückverfolgen 246 . Dur<strong>ch</strong> die Benutzung des Maximin-Prinzips kombiniert Rawls in<br />

seiner Theorie Elemente rationalen Ents<strong>ch</strong>eidens mit eigentli<strong>ch</strong> rationalitätsfremden,<br />

weil ni<strong>ch</strong>t vorteilsorientierten, moralis<strong>ch</strong>en Elementen. Deshalb eignet si<strong>ch</strong> die Theorie,<br />

um zu zeigen, in wel<strong>ch</strong>en Fällen eine <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie trotz rationalistis<strong>ch</strong>er<br />

Rhetorik keine Ents<strong>ch</strong>eidungstheorie <strong>der</strong> hobbesianis<strong>ch</strong>en Grundposition ist.<br />

In <strong>der</strong> ursprüngli<strong>ch</strong>en <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie von Rawls war mit <strong>der</strong> Maximin-<br />

Regel an prominenter Stelle, nämli<strong>ch</strong> bei <strong>der</strong> Ents<strong>ch</strong>eidung über den Inhalt <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sprinzipien<br />

und ihr Verhältnis zueinan<strong>der</strong> 247 , ein Baustein aus <strong>der</strong> Theorie<br />

rationalen Ents<strong>ch</strong>eidens enthalten 248 . Die Maximin-Regel ist eine Ents<strong>ch</strong>eidungsregel,<br />

die nur für Ents<strong>ch</strong>eidungen bei völliger Unsi<strong>ch</strong>erheit gilt, d.h. wenn Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keitsmaße<br />

überhaupt ni<strong>ch</strong>t bekannt sind 249 . Die Regel spiegelt die pessimistis<strong>ch</strong>e<br />

Grundhaltung bzw. das Verhalten eines risikos<strong>ch</strong>euen Ents<strong>ch</strong>eidungsträgers wi<strong>der</strong>,<br />

verglei<strong>ch</strong>bar etwa <strong>der</strong> Perspektive eines Versi<strong>ch</strong>erungsnehmers 250 . Gewählt wird<br />

diejenige Lösung, bei <strong>der</strong> <strong>der</strong> minimale (Kooperations-)Gewinnanteil, <strong>der</strong> in jedem<br />

Fall gesi<strong>ch</strong>ert bleibt, si<strong>ch</strong> auf mögli<strong>ch</strong>st hohem Niveau befindet und in diesem Sinne<br />

maximal ist 251 . Rawls definiert die Bedingungen seines Urzustands (original position)<br />

dur<strong>ch</strong> Einführung von Unkenntnis <strong>der</strong> eigenen natürli<strong>ch</strong>en Eigens<strong>ch</strong>aften und Dispositionen<br />

(veil of ignorance) bewußt so, daß die Maximin-Regel Anwendung findet<br />

252 . Aus <strong>der</strong> Anwendung <strong>der</strong> Regel leitet Rawls seine beiden <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sprinzipien<br />

ab – er stellt die Wahl <strong>der</strong> Prinzipien als eine rationale Ents<strong>ch</strong>eidung dar 253<br />

245 Kantis<strong>ch</strong>e <strong>Theorien</strong> knüpfen ni<strong>ch</strong>t an die Konsequenzen des Handelns an, also au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t an die<br />

Vorteilhaftigkeit im Handlungsergebnis, son<strong>der</strong>n sie fragen na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit <strong>der</strong> Handlung<br />

selbst; utilitaristis<strong>ch</strong>e <strong>Theorien</strong> fragen ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> egoistis<strong>ch</strong>er, son<strong>der</strong>n allenfalls na<strong>ch</strong> kollektiver<br />

Nutzenmaximierung.<br />

246 J. Rawls, Outline of a Decision Procedure for Ethics (1951), S. 177 ff.<br />

247 Dazu unten S. 203 ff. (Zwei Prinzipien <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>).<br />

248 J. Rawls, Theory of Justice (1971), § 26, S. 152 ff.<br />

249 Selbst dort ist sie no<strong>ch</strong> umstritten; J.C. Harsanyi, Maximin Principle (1975), S. 595 ff.; O. Höffe, Politis<strong>ch</strong>e<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1987), S. 422. Einigermaßen si<strong>ch</strong>er belegt ist sie nur für sogenannte Zweipersonen-Nullsummenspiele;<br />

vgl. J.v. Neumann/O. Morgenstern, Theory of Games (1944).<br />

250 Dieser Verglei<strong>ch</strong> stammt von O. Höffe, Politis<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1987), S. 422.<br />

251 Vgl. bei <strong>der</strong> Theorie Gauthiers die Aussagen zum maximin relative benefit, S. 189 ff. (<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

als minimax relative Konzession). Das Differenzprinzip <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> spiegelt diese Regel<br />

unmittelbar wi<strong>der</strong>; J. Rawls, Theory of Justice (1971), § 46, S. 302: »Social and economic inequalities<br />

are to be arranged so that they are ... to the greatest benefit of the least advantaged.« Dazu unten<br />

S. 203 (Zwei Prinzipien <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>).<br />

252 Ausdrückli<strong>ch</strong> J. Rawls, Theory of Justice (1971), § 26, S. 155 f.: »Now, as I have suggested, the original<br />

position has been defined so that it is a situation in whi<strong>ch</strong> the maximin rule applies. ... The<br />

parties have no basis for determining the probable nature of their society, or their place in it. ...<br />

Those deciding are mu<strong>ch</strong> more in the dark than the illustration by a numerical table suggests. It is<br />

for this reason that I have spoken of an analogy with the maximin rule.«<br />

253 J. Rawls, Theory of Justice (1971), § 26, S. 156 f.: »The minimum assured by the two principles in<br />

lexical or<strong>der</strong> is not one that the parties wish to jeopardize for the sake of greater economic and social<br />

advantages. ... These remarks about the maximin rule are intended only to clarify the structure<br />

of the <strong>ch</strong>oice problem in the original position.«<br />

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