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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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außerdem die Systemtheorie, insbeson<strong>der</strong>e diejenige Luhmanns, als eine weitere<br />

Gruppe prozeduraler <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> 426 . Für die Systemtheorie Luhmanns<br />

ma<strong>ch</strong>t er dabei selbst die Eins<strong>ch</strong>ränkung, daß '<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>' im Sinne <strong>der</strong> politis<strong>ch</strong>en<br />

Philosophie dort gerade ni<strong>ch</strong>t anerkannt wird 427 . Insgesamt ergibt si<strong>ch</strong> folgende<br />

Klassifizierung:<br />

(1) Materiale <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

(2) <strong>Prozedurale</strong> <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

(a) Sozialvertragstheorien (z.B. Rawls)<br />

(b) Diskurstheorien (z.B. Habermas)<br />

(c) Systemtheorien (z.B. Luhmann)<br />

Diese Zusammenstellung erklärt si<strong>ch</strong> daraus, daß Kaufmann im weiteren Verlauf seiner<br />

Studie die <strong>Theorien</strong> von Luhmann, Rawls und Habermas alle aus dem glei<strong>ch</strong>en<br />

Grund verwirft. In allen drei Fällen lasse si<strong>ch</strong> zeigen, daß <strong>der</strong> Versu<strong>ch</strong>, aus einer<br />

konsequent dur<strong>ch</strong>geführten reinen prozeduralen Theorie Inhalte zu gewinnen, fehls<strong>ch</strong>lagen<br />

müsse 428 .<br />

Die dur<strong>ch</strong> dieses Wi<strong>der</strong>legungsziel motivierte Klassifizierung kann ni<strong>ch</strong>t überzeugen.<br />

Sieht man einmal von <strong>der</strong> Systemtheorie ab, die mit <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründung<br />

ohnehin ni<strong>ch</strong>ts zu tun hat und au<strong>ch</strong> von Kaufmann in seiner Studie ni<strong>ch</strong>t weiter<br />

untersu<strong>ch</strong>t wird, so läuft das S<strong>ch</strong>ema auf eine Di<strong>ch</strong>otomie von Sozialvertragstheorien<br />

und Diskurstheorien hinaus 429 . Diese Konkretisierung <strong>der</strong> prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien<br />

verna<strong>ch</strong>lässigt Standpunkttheorien, kann also die monologis<strong>ch</strong>en Konzeptionen<br />

<strong>der</strong> praktis<strong>ch</strong>en Vernunft, wie sie etwa in <strong>Theorien</strong> des unparteiis<strong>ch</strong>en Beoba<strong>ch</strong>ters<br />

expliziert werden, ni<strong>ch</strong>t berücksi<strong>ch</strong>tigen. Außerdem gibt es (prozedurale)<br />

Ents<strong>ch</strong>eidungstheorien, die ni<strong>ch</strong>t zu einem vollständigen Sozialvertragsmodell ausgebaut<br />

werden 430 . Au<strong>ch</strong> sie bleiben in Kaufmanns Darstellung unberücksi<strong>ch</strong>tigt. Bezieht<br />

man alle prozeduralen <strong>Theorien</strong> mit ein, so spitzt si<strong>ch</strong> die Frage na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> rationalen<br />

Begründbarkeit einer <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>skonzeption ni<strong>ch</strong>t auf die Darstellungsmit-<br />

426 Vgl. A. Kaufmann, <strong>Prozedurale</strong> <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1989), S. 11.<br />

427 A. Kaufmann, <strong>Prozedurale</strong> <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1989), S. 11: »Für Luhmann gibt es so etwas<br />

wie 'Ri<strong>ch</strong>tigkeit', '<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>', 'Wahrheit' überhaupt ni<strong>ch</strong>t; ... Es kommt ni<strong>ch</strong>t darauf an, daß<br />

'<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>' verwirkli<strong>ch</strong>t wird (sie gibt es ja ni<strong>ch</strong>t), son<strong>der</strong>n daß das System funktioniert, indem<br />

es soziale Komplexität reduziert.« Diese Eins<strong>ch</strong>ätzung ist zutreffend; vgl. unten S. 148 ff. (Theorie<br />

<strong>der</strong> sozialen Systeme).<br />

428 A. Kaufmann, <strong>Prozedurale</strong> <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1989), S. 11: »Er [<strong>der</strong> Entwurf Luhmanns]<br />

zeigt aber au<strong>ch</strong>, daß eine konsequent dur<strong>ch</strong>geführte rein prozedurale Theorie keine Inhalte mehr<br />

zuläßt.«; S. 15: »[Bei Rawls] hat si<strong>ch</strong> gezeigt, daß die normativen Inhalte gar ni<strong>ch</strong>t, jedenfalls ni<strong>ch</strong>t<br />

allein, aus dem Verfahren gewonnen sind.«; S. 19: »Der rationale, konsenserzielende Diskurs als<br />

sol<strong>ch</strong>er sagt uns ni<strong>ch</strong>t, was wahr o<strong>der</strong> ri<strong>ch</strong>tig ist, und ni<strong>ch</strong>t, was wir tun sollen. Erst wenn man dem<br />

Diskurs einen Inhalt, ein 'Thema', gibt, <strong>der</strong> ni<strong>ch</strong>t mit dem Diskurs ineinsfällt, kann die Diskursbzw.<br />

Konsensustheorie als Wahrheits- und Ri<strong>ch</strong>tigkeitstheorie fungieren.« S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> zusammenfassend<br />

S. 20: »Allen diesen rein prozeduralen <strong>Theorien</strong> ist gemeinsam, daß die Inhalte ers<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

sind.« So bereits <strong>der</strong>s., Re<strong>ch</strong>t und Rationalität (1988), S. 34. Ebenso D. v.d. Pfordten,<br />

Re<strong>ch</strong>tsethik (1996), S. 270.<br />

429 Vgl. A. Kaufmann, <strong>Prozedurale</strong> <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1989), S. 11.<br />

430 Dazu unten S. 171 ff. (<strong>Theorien</strong> zur Optimierung relativer Nutzenfaktoren), S. 176 ff. (<strong>Theorien</strong><br />

zum Ni<strong>ch</strong>teinigungspunkt).<br />

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