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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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ven Einhegung mittels Berufskodex, Standesethik und nötigenfalls Medienre<strong>ch</strong>t, so<br />

daß die Medien an die regulative Idee gebunden werden, als 'Mandatar eines aufgeklärten<br />

Publikums' die öffentli<strong>ch</strong>en Meinungen einer verstärkten Kritik und einem<br />

Legitimationszwang auszusetzen 591 . Indikator für eine funktionierende deliberative<br />

Politik und damit ein hohes 'diskursives Niveau' ist es, wenn Themen ni<strong>ch</strong>t von zentralen<br />

Informationsproduzenten ausgehen, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Peripherie <strong>der</strong> Zivilgesells<strong>ch</strong>aft<br />

aufgegriffen, in die politis<strong>ch</strong>e Öffentli<strong>ch</strong>keit transportiert und erst dann<br />

dur<strong>ch</strong> die Massenmedien verstärkt werden 592 . Nur solange die Ressourcen <strong>der</strong> Lebenswelt<br />

für spontane öffentli<strong>ch</strong>e Kommunikation ausrei<strong>ch</strong>en, um eine ungezwungene<br />

Artikulation gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Interessen trotz Administrations- und Medienma<strong>ch</strong>t<br />

zu gewährleisten, kann laut Habermas legitimes Re<strong>ch</strong>t entstehen und bestehen<br />

593 . Die Kommunikationsvoraussetzungen müssen demokratis<strong>ch</strong>e Verfahren ergänzen;<br />

erst dann gilt <strong>der</strong> programmatis<strong>ch</strong>e Satz: »Die Diskurstheorie erklärt die Legitimität<br />

des Re<strong>ch</strong>ts mit Hilfe von – ihrerseits re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> institutionalisierten – Verfahren<br />

und Kommunikationsvoraussetzungen, wel<strong>ch</strong>e die Vermutung begründen, daß<br />

die Prozesse <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tsetzung und <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tsanwendung zu rationalen Ergebnissen<br />

führen.« 594<br />

e) Das prozedurale Re<strong>ch</strong>tsparadigma<br />

Als letzte Auswirkung einer diskurstheoretis<strong>ch</strong>en Rekonstruktion des Re<strong>ch</strong>ts betont<br />

Habermas das prozedurale Re<strong>ch</strong>tsparadigma 595 . Es sei das gebotene Mittel, um die<br />

Verfahrensbedingungen des demokratis<strong>ch</strong>en Prozesses zu s<strong>ch</strong>ützen 596 . Darüberhinaus<br />

resultiere dieses Paradigma in prozeduralen Definitionen re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er Instrumente,<br />

z.B. 'Souveränität' 597 o<strong>der</strong> 'Verfassung' 598 . Im Rahmen <strong>der</strong> soziologis<strong>ch</strong>en Theorie<br />

<strong>der</strong> Paradigmenwe<strong>ch</strong>sel – d.h. einer Folge von Ereignissen, die zu grundlegenden Än<strong>der</strong>ungen<br />

wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Kenntnis führt (wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Revolution) – bezei<strong>ch</strong>net<br />

<strong>der</strong> Begriff des Paradigmas den Rahmen (framework) zur Bes<strong>ch</strong>reibung und<br />

Analyse von Weltsi<strong>ch</strong>ten sowie die Auswirkung dieses Rahmens auf die Konzeptualisierung<br />

und Informationsverarbeitung dur<strong>ch</strong> Mens<strong>ch</strong>en 599 . Ein Re<strong>ch</strong>tsparadigma<br />

kennzei<strong>ch</strong>net dementspre<strong>ch</strong>end den Blickwinkel unter dem wir die re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Ord-<br />

591 J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 455 ff. (455, 457).<br />

592 J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 459 f.<br />

593 J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 466.<br />

594 J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 499.<br />

595 J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 468 ff.; glei<strong>ch</strong>falls von einem neuen 'prozeduralen<br />

Re<strong>ch</strong>tsparadigma' spri<strong>ch</strong>t J. Lenoble, Droit et communication (1994), S. 7 ff., 20 ff. Aus <strong>der</strong> (ansonsten<br />

eher zurückhaltenden) Rezeption zur These eines neuen prozeduralen Re<strong>ch</strong>tsparadigmas<br />

vgl. K.-H. Ladeur, Re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Ordnungsbildung unter Ungewißheitsbedingungen und intersubjektive<br />

Rationalität (1996), S. 385 ff.<br />

596 J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 529 f.<br />

597 Souveränität eines Volkes in diskursiver Perspektive bedeutet, daß Ma<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> kommunikativen<br />

Kraft <strong>der</strong> Bürger entspringt. Siehe J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 209, 532 ff.; <strong>der</strong>s.,<br />

Volkssouveränität als Verfahren (1989), S. 626.<br />

598 Eine Gesells<strong>ch</strong>aft ist verfassungsmäßig, wenn sie si<strong>ch</strong> selbst mit si<strong>ch</strong> selbst in angemessenen Formen<br />

und prozedural geleiteten Prozessen <strong>der</strong> Assimilation, des Wi<strong>der</strong>standes und <strong>der</strong> Selbstkorrektur<br />

konfrontiert. Siehe J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 536.<br />

599 T.S. Kuhn, The Structure of Scientific Revolutions (1970), S. 111 ff.<br />

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