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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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3. Theorie <strong>der</strong> relevanten Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tszustände (R. Selten)<br />

Ein na<strong>ch</strong> wie vor ni<strong>ch</strong>t vollständig gelöstes Problem <strong>der</strong> Theorie von Nash und Harsanyi<br />

liegt darin, daß mehrere Nash-Equilibria vorkommen können. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

läßt si<strong>ch</strong> zeigen, daß unter mehreren mögli<strong>ch</strong>en Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tszuständen au<strong>ch</strong> <strong>der</strong><br />

Eintritt eines sol<strong>ch</strong>en Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>ts am wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>sten sein kann, das ni<strong>ch</strong>t den<br />

Gesamtnutzen optimiert 218 . Das Problem multipler Equilibria wurde von Selten in<br />

einem Konzept <strong>der</strong> Perfektion von Nash-Equilibria behandelt 219 . Die Theorie von Selten<br />

enthält die – in Ents<strong>ch</strong>eidungstheorien <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> umstrittene 220 – These,<br />

daß Drohungen in <strong>der</strong> Kalkulation relativer Nutzenfaktoren nur dann berücksi<strong>ch</strong>tigt<br />

werden dürfen, wenn sie au<strong>ch</strong> glaubhaft sind 221 . Es geht also ni<strong>ch</strong>t mehr nur um die<br />

unglei<strong>ch</strong>e Verhandlungsma<strong>ch</strong>t, son<strong>der</strong>n zusätzli<strong>ch</strong> um die tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Bereits<strong>ch</strong>aft,<br />

diese Ma<strong>ch</strong>t nötigenfalls au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ädigend einzusetzen. Für die Eins<strong>ch</strong>ätzung <strong>der</strong><br />

Theorie kommt es ni<strong>ch</strong>t auf die Einzelheiten zu den perfekten Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tszuständen<br />

an, son<strong>der</strong>n nur auf den Umstand, daß Selten die Bedingung <strong>der</strong> realistis<strong>ch</strong>en<br />

Drohung ni<strong>ch</strong>t etwa aus einem rationalistis<strong>ch</strong>en Kalkül ableitet, son<strong>der</strong>n als Voraussetzung<br />

selbst setzt 222 . Es handelt si<strong>ch</strong> ledigli<strong>ch</strong> um eine Annahme, die für den Beweis<br />

perfekter Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tszustände nützli<strong>ch</strong> ist, selbst aber in <strong>der</strong> Theorie ni<strong>ch</strong>t begründet<br />

wird.<br />

4. Ergebnisse<br />

Die spieltheoretis<strong>ch</strong>en Konstrukte <strong>der</strong> 'relativen Nutzenfaktoren' und 'Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tspunkte'<br />

führen zu einem Modell für rationale Ents<strong>ch</strong>eidungsfindung, das den<br />

simplen Darstellungsmitteln <strong>der</strong> Sozialvertragstheorien überlegen ist. Das Kalkül<br />

kann aber die Verhaltenspräferenzen, auf denen es aufbaut, selbst ni<strong>ch</strong>t begründen.<br />

Das gilt insbeson<strong>der</strong>e für die Frage <strong>der</strong> Risikobereits<strong>ch</strong>aft und die Mögli<strong>ch</strong>keit und<br />

Wirkung von Drohungen.<br />

218 J.C. Harsanyi, Rule-Utilitarianism, Rights, Obligations and the Theory of Rational Behavior (1980),<br />

S. 117 ff.<br />

219 R. Selten, Spieltheoretis<strong>ch</strong>e Behandlung eines Oligopolmodells (1965), S. 306 ff., 309 ff.<br />

220 Dieses spieltheoretis<strong>ch</strong>e Element von Selten findet si<strong>ch</strong> in den <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien von Lucas<br />

und Gauthier in unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Gestalt, wird an<strong>der</strong>erseits von Bu<strong>ch</strong>anan und Braithwaite gerade<br />

ni<strong>ch</strong>t berücksi<strong>ch</strong>tigt. Zu <strong>der</strong>en <strong>Theorien</strong> soglei<strong>ch</strong> S. 176 ff. (<strong>Theorien</strong> zum Ni<strong>ch</strong>teinigungspunkt).<br />

221 Vgl. R. Selten, Spieltheoretis<strong>ch</strong>e Behandlung eines Oligopolmodells (1965), S. 308: »Diese Drohung<br />

muß aber wirkungslos bleiben, wenn Spieler 2 si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t im voraus bindend auf ihre Dur<strong>ch</strong>führung<br />

festlegen kann.«<br />

222 Vgl. R. Selten, Spieltheoretis<strong>ch</strong>e Behandlung eines Oligopolmodells (1965), S. 306: »Eine weitere<br />

Annahme, von <strong>der</strong> wir ausgehen werden, besteht darin, daß wir ein 'wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>es' Verhalten<br />

unterstellen. Damit ist gemeint, daß je<strong>der</strong> <strong>der</strong> Oligopolisten davor zurücks<strong>ch</strong>reckt, einen seiner<br />

Konkurrenten aus dem Markt zu verdrängen. Diese Annahme hat viel für si<strong>ch</strong>, denn je<strong>der</strong> Verdrängungskampf<br />

birgt s<strong>ch</strong>wer kalkulierbare Risiken.« Sowie S. 323: »Allzu aggressive Strategien<br />

wurden von vornherein von <strong>der</strong> Betra<strong>ch</strong>tung ausges<strong>ch</strong>lossen.«<br />

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