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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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weise in <strong>der</strong> demokratis<strong>ch</strong>en Legitimationskette gesehen werden, weil nur sol<strong>ch</strong>e<br />

Gesetze bes<strong>ch</strong>lossen werden, für die si<strong>ch</strong> die Mehrheit <strong>der</strong> selbst wie<strong>der</strong>um mit<br />

Mehrheit gewählten Parlamentsmitglie<strong>der</strong> ents<strong>ch</strong>eidet 142 . Wi<strong>ch</strong>tiger ers<strong>ch</strong>einen hingegen<br />

die prozeduralen Gründe dafür, daß parlamentaris<strong>ch</strong> verabs<strong>ch</strong>iedete Gesetze<br />

Ri<strong>ch</strong>tigkeit garantieren 143 . Daß wesentli<strong>ch</strong>e Ents<strong>ch</strong>eidungen in einer Demokratie unmittelbar<br />

dur<strong>ch</strong> Parlamentsgesetze bestimmt sein müssen (Parlamentsvorbehalt, Wesentli<strong>ch</strong>keitstheorie),<br />

liegt weniger an dem Rang, den das Parlament als Autor <strong>der</strong><br />

Gesetzgebung dank seiner demokratis<strong>ch</strong>en Legitimation unter den Staatsorganen<br />

einnimmt (formale Begründung), son<strong>der</strong>n ist »vor allem in den beson<strong>der</strong>en Rationalitätsgarantien<br />

des parlamentaris<strong>ch</strong>en Ents<strong>ch</strong>eidungsprozesses« begründet – in »Diskursivität<br />

und Öffentli<strong>ch</strong>keit« (prozedurale Begründung) 144 . Sieht man das Gesetzgebungsverfahren<br />

als realen Diskurs an, so ist es fair (prozedural gere<strong>ch</strong>t), weil es eine<br />

unter den realen Umständen angemessene Annäherung an die regulative Idee des<br />

idealen Diskurses bildet 145 .<br />

Die Einzelheiten einer sol<strong>ch</strong>en Begründung können an dieser Stelle no<strong>ch</strong> offen<br />

bleiben 146 . Mit <strong>der</strong> Überlegung ist aber <strong>der</strong> Gang <strong>der</strong> Begründung deutli<strong>ch</strong> geworden.<br />

Es geht darum zu zeigen, daß <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> im Re<strong>ch</strong>t mittelbar begründet werden<br />

kann, indem man begründet, wel<strong>ch</strong>e prozeduralen Anfor<strong>der</strong>ungen an reale Diskurse<br />

zu stellen sind, damit <strong>der</strong>en Ergebnisse kraft quasi-reiner prozeduraler <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

als gere<strong>ch</strong>t angesehen werden müssen.<br />

II.<br />

Zur Diskursivität des Re<strong>ch</strong>ts<br />

1. Die Son<strong>der</strong>fallthese (R. Alexy)<br />

Mit Alexy kann <strong>der</strong> juristis<strong>ch</strong>e Diskurs als Son<strong>der</strong>fall des allgemeinen praktis<strong>ch</strong>en<br />

Diskurses angesehen werden (Son<strong>der</strong>fallthese) 147 . Um in einem prozeduralen Stu-<br />

142 Vgl. J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 363: »Wahlergebnisse sind die Lizenz für eine<br />

Übernahme <strong>der</strong> Regierungsma<strong>ch</strong>t«.<br />

143 Zur Unters<strong>ch</strong>eidung J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 363 ff. Zur Kritik einer Blickverengung<br />

auf das Mehrheitsprinzip etwa J. Dewey, The Public and its Problems (1927), S. 365:<br />

»Majority rule, just as majority rule, is as foolish as its critics <strong>ch</strong>arge it with being. ... The essential<br />

need ... is the improvement of the methods and conditions of debate, discussion and persuasion.«<br />

144 B.-O. Bryde, Geheimgesetzgebung (1998), S. 116, 120. Vgl. J. Dewey, The Public and its Problems<br />

(1927), S. 365: »The strongest point to be made in behalf of even su<strong>ch</strong> rudimentary political forms<br />

as democracy has already attained, popular voting, majority rule and so on, is that to some extent<br />

they involve a consultation and discussion whi<strong>ch</strong> uncover social needs and troubles.«<br />

145 Vgl. dazu oben S. 221 (T Dr ). Vgl. J.P. Müller, Demokratis<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1993), S. 149 ff. – Mehrheitsprinzip<br />

und Min<strong>der</strong>heitens<strong>ch</strong>utz als angemessene Annäherung an Diskursideale.<br />

146 Dazu vor allem unten S. 347 (Diskursivität <strong>der</strong> Politik). Zur Ideenges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te des kommunikativen<br />

Prozesses als eines Verfahrens zur »Entbergung« des gemeinsamen Interesses aus <strong>der</strong> Vielfalt partikulärer<br />

Egoismen vgl. H. Dreier, Demokratis<strong>ch</strong>e Repräsentation und vernünftiger Allgemeinwille<br />

(1988), S. 461 ff. – »Repräsentation als Veredelungsprozeß«. Ausdrückli<strong>ch</strong> bereits J. Madison,<br />

Fe<strong>der</strong>alist No. 10 (1787), S. 62: »[T]o refine and enlarge the public views, by passing them through<br />

the medium of a <strong>ch</strong>osen body of citizens, whose ... love of justice, will be least likely to sacrifice it<br />

to temporary or partial consi<strong>der</strong>ations.«<br />

147 R. Alexy, Theorie <strong>der</strong> juristis<strong>ch</strong>en Argumentation (1978), S. 261 ff.; dazu oben S. 255 (Begründung<br />

von Re<strong>ch</strong>tsnormen) und S. 302, Fn. 209 (Kritik).<br />

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