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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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demjenigen <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie 63 , so ist die Regeleinhaltung (Anwendungsfairneß)<br />

stills<strong>ch</strong>weigend vorausgesetzt. Au<strong>ch</strong> minimale Anwendungsbedingungen<br />

des fairen Spiels (Hintergrundfairneß) sind definiert, indem die Re<strong>ch</strong>te symmetris<strong>ch</strong><br />

verteilt o<strong>der</strong> in ihrer Unsymmetrie dur<strong>ch</strong> Spielregeln ausgegli<strong>ch</strong>en sein müssen, was<br />

dur<strong>ch</strong> eine Rollentaus<strong>ch</strong>überlegung kontrolliert werden kann 64 . Do<strong>ch</strong> ist <strong>der</strong> Fairneßbegriff<br />

<strong>der</strong> Spieltheorie frei von je<strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeitsorientierung. Es fehlt eine Begründung<br />

dafür, daß das Spiel selbst in fairer Weise zur Ents<strong>ch</strong>eidungsfindung beiträgt<br />

(Prozedurfairneß). In <strong>der</strong> Terminologie <strong>der</strong> Spieltheorie ist das russis<strong>ch</strong>e Roulett genauso<br />

'fair' wie <strong>der</strong> herrs<strong>ch</strong>aftsfreie Diskurs. <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheoretis<strong>ch</strong> müßte dagegen<br />

zusätzli<strong>ch</strong> begründet werden, warum eine bestimmte Prozedur für eine bestimmte<br />

Ents<strong>ch</strong>eidung ri<strong>ch</strong>tig ist.<br />

c) Die rationale Kooperation<br />

Innerhalb <strong>der</strong> Spieltheorie werden kooperative von ni<strong>ch</strong>tkooperativen Spielen unters<strong>ch</strong>ieden.<br />

Ni<strong>ch</strong>tkooperativ ist beispielsweise ein S<strong>ch</strong>a<strong>ch</strong>spiel: Die beiden Parteien<br />

stehen si<strong>ch</strong> gegenüber, ohne daß Spielergruppen Allianzen bilden könnten. An<strong>der</strong>s<br />

verhält es si<strong>ch</strong> bei den meisten Kartenspielen. Hier liegt <strong>der</strong> Reiz gerade darin, dur<strong>ch</strong><br />

Kooperation die Karten mehrerer Spieler einer gemeinsamen Spielstrategie zu unterwerfen<br />

und dadur<strong>ch</strong> effizienter zu nutzen, als dies bei Einzelstrategien mögli<strong>ch</strong><br />

wäre. Damit ist <strong>der</strong> Spieltheorie eine neue und s<strong>ch</strong>wierige Aufgabe gestellt. Denn<br />

für eine Kooperation kann si<strong>ch</strong> nur <strong>der</strong>jenige rational ents<strong>ch</strong>eiden, <strong>der</strong> rationale Kooperationsbedingungen<br />

vereinbart hat, also insbeson<strong>der</strong>e eine im Hinblick auf die<br />

jeweiligen Kooperationsbeiträge rationale Verteilung des Kooperationsgewinns. Die<br />

hierfür von Nash gefundene Formel (Nash-Equilibrium) bildet im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Theorien</strong><br />

rationalen Ents<strong>ch</strong>eidens na<strong>ch</strong> wie vor einen Fixpunkt. Es ist kein zu weitgehendes<br />

Zugeständnis, wenn man mit <strong>der</strong> Spieltheorie davon ausgeht, daß es in je<strong>der</strong><br />

Verhandlung über Kooperation mindestens einen Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tspunkt gibt.<br />

Für eine Analyse und Kritik ist es wi<strong>ch</strong>tig zu sehen, was damit ni<strong>ch</strong>t gesagt ist. Es<br />

ist ni<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong>er, ob si<strong>ch</strong> das Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> wi<strong>der</strong>streitenden Interessen für o<strong>der</strong><br />

gegen eine Kooperation bildet. Es ist ni<strong>ch</strong>t notwendig nur genau ein Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tspunkt<br />

vorhanden. Der am wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>sten eintretende Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tszustand ist<br />

ni<strong>ch</strong>t notwendig <strong>der</strong>, <strong>der</strong> insgesamt die größten Kooperationsvorteile bringt. Vor allem<br />

aber ist in <strong>der</strong> Spieltheorie selbst ni<strong>ch</strong>t begründet, wel<strong>ch</strong>e Handlungsstrategien<br />

die Parteien in das Spiel einbringen: ob sie risikos<strong>ch</strong>eu o<strong>der</strong> risikofreudig sind, ob sie<br />

einan<strong>der</strong> drohen o<strong>der</strong> auf Drohung verzi<strong>ch</strong>ten, ob sie für Drohung empfängli<strong>ch</strong> sind<br />

o<strong>der</strong> diese (weitgehend) ignorieren.<br />

63 Dazu oben S. 121 (D F – <strong>der</strong> Inbegriff <strong>der</strong> Verfahrensri<strong>ch</strong>tigkeit bei sol<strong>ch</strong>en Prozeduren und ihrer<br />

Dur<strong>ch</strong>führung (Prozeß), die selbst ri<strong>ch</strong>tigkeitsorientiert sind). Fairneßelemente sind dort Hintergrundfairneß<br />

(background fairness), Anwendungsfairneß (procedural fairness) und Prozedurfairneß<br />

(fairness as su<strong>ch</strong>, fairness of the procedure).<br />

64 Vgl. oben S. 223 (Regeln <strong>der</strong> Konsistenz und Kohärenz).<br />

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