Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch
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zelner Verteilungsergebnisse einer vernünftigen Erkenntnis s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>t entziehe 31 . In<br />
dieser Situation soll allein <strong>der</strong> liberale Markt als natürli<strong>ch</strong>es, vorpositives Faktum das<br />
prozedurale Kriterium für ri<strong>ch</strong>tiges Handeln bilden: wenige Regeln stecken den<br />
Rahmen ab, innerhalb dessen si<strong>ch</strong> ökonomis<strong>ch</strong>e und soziale Selbstkoordination abspielen<br />
kann. An die Stelle eines zielbezogenen Konsequentialismus tritt ein mittelbezogener<br />
Prozeduralismus 32 . Hayeks Skepsis ri<strong>ch</strong>tet si<strong>ch</strong> sowohl gegen Vernunfterkenntnisse<br />
über die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> von Verteilungsergebnissen als au<strong>ch</strong> gegen die<br />
Vorhersehbarkeit pragmatis<strong>ch</strong>-rationalen Verhaltens. Allein das prozedurale Kriterium<br />
des Marktes soll als unverdä<strong>ch</strong>tiger Agent <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> Bestand haben.<br />
Au<strong>ch</strong> Hayeks Theorie ist keine prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie im Sinne von D 4 .<br />
Die Prozedur des Marktes dient allein <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>serzeugung. <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />
selbst ist hingegen – wie bei Kelsen – inhaltli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t begründbar 33 .<br />
IV. Theorie <strong>der</strong> sozialen Systeme (N. Luhmann)<br />
Die neuere Systemtheorie Luhmanns 34 hat die Aussagen seines Frühwerks zur prozeduralen<br />
<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> ('Legitimation dur<strong>ch</strong> Verfahren' 35 ) unangetastet gelassen 36 .<br />
Neue wie alte S<strong>ch</strong>riften basieren auf einer grundlegenden <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sskepsis.<br />
Luhmann meint, mit Argumenten könne man dem ri<strong>ch</strong>tigen Handeln ni<strong>ch</strong>t näher<br />
kommen 37 . Er versteht praktis<strong>ch</strong>e Vernunft allein als 'operative Vernunft' 38 . Seine<br />
Legitimation dur<strong>ch</strong> Verfahren fragt nur, ob Ents<strong>ch</strong>eidungen innerhalb gewisser Tole-<br />
31 F.A. Hayek, Law, Legislation and Liberty, Bd. II (1976), S. 75, 96 f.; sowie S. 42 zur Unmögli<strong>ch</strong>keit<br />
einer positiven inhaltli<strong>ch</strong>en Bestimmung von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>. Die Unzugängli<strong>ch</strong>keit für Kriterien<br />
praktis<strong>ch</strong>er Vernunft ist von R. Kley, Hayek's Social and Political Thought (1994), S. 220 zu Re<strong>ch</strong>t<br />
als 'ethis<strong>ch</strong>er Skeptizismus' in Hayeks beson<strong>der</strong>er und moralis<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wer zu verortenden Form des<br />
Liberalismus geortet worden.<br />
32 F.A. Hayek, Law, Legislation and Liberty, Bd. II (1976), S. 110: »[T]he Great Society ... is merely<br />
means-connected and not ends-connected.« Zum Begriff des Konsequentialismus (consequentialism)<br />
siehe unten S. 152 (Charakteristika <strong>der</strong> aristotelis<strong>ch</strong>en Grundposition).<br />
33 Zuordnungsversu<strong>ch</strong>e zu kantis<strong>ch</strong>en o<strong>der</strong> utilitaristis<strong>ch</strong>en Ansätzen sind deshalb zum S<strong>ch</strong>eitern<br />
verurteilt; vgl. C. Kukathas, Hayek and Mo<strong>der</strong>n Liberalism (1989), S. 201 – Es ließen si<strong>ch</strong> bei Hayek<br />
zwar kantis<strong>ch</strong>e, kon<strong>servat</strong>ive und utilitaristis<strong>ch</strong>e Argumente erkennen, diese würden aber ni<strong>ch</strong>t<br />
zu einer Moraltheorie verbunden.<br />
34 N. Luhmann, Das Re<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> Gesells<strong>ch</strong>aft (1993), S. 332 f. – ausdrückli<strong>ch</strong>e Berufung auf das Frühwerk.<br />
Hier kann auf die spezifis<strong>ch</strong>en re<strong>ch</strong>tssoziologis<strong>ch</strong>en Aspekte <strong>der</strong> Theorie ni<strong>ch</strong>t eingegangen<br />
werden. Allein die Aussagen zur Unmögli<strong>ch</strong>keit einer <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründung jenseits des<br />
bloßen Akzeptierens eines Handelns dur<strong>ch</strong> die Betroffenen ist im vorliegenden Zusammenhang<br />
relevant.<br />
35 N. Luhmann, Legitimation dur<strong>ch</strong> Verfahren (1969). Vgl. zur Bestätigung: <strong>der</strong>s., <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> in<br />
den Re<strong>ch</strong>tssystemen <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Gesells<strong>ch</strong>aft (1973), S. 144 f. – Das <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>skriterium<br />
werde neu gefaßt dur<strong>ch</strong> die For<strong>der</strong>ung na<strong>ch</strong> 'adäquater Komplexität' eines Re<strong>ch</strong>tssystems, die genau<br />
dann bestehen soll, »wenn sie mit konsistentem Ents<strong>ch</strong>eiden im System no<strong>ch</strong> vereinbar ist.«<br />
Ebenso: <strong>der</strong>s., Re<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> Gesells<strong>ch</strong>aft (1993), S. 225. Vgl. dazu die Kritik bei R. Dreier, Zu Luhmanns<br />
systemtheoretis<strong>ch</strong>er Neuformulierung des <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sproblems (1974), S. 194 ff.<br />
36 S. Ma<strong>ch</strong>ura, The Individual in the Shadow of Powerful Institutions (1997), S. 181.<br />
37 N. Luhmann, <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> in den Re<strong>ch</strong>tssystemen <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Gesells<strong>ch</strong>aft (1973), S. 144 mit<br />
Fn. 33.<br />
38 N. Luhmann, Die Systemreferenz von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1974), S. 203.<br />
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