16.04.2014 Aufrufe

Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

e) Ergebnisse<br />

Um eine einzelne Handlung sinnvoll als 'gere<strong>ch</strong>t' o<strong>der</strong> 'ungere<strong>ch</strong>t' bezei<strong>ch</strong>nen zu<br />

können, muß unter an<strong>der</strong>em au<strong>ch</strong> ein Glei<strong>ch</strong>heitsbezug bestehen. Dieser Glei<strong>ch</strong>heitsbezug<br />

kann dur<strong>ch</strong> einen unmittelbaren Verglei<strong>ch</strong> mit an<strong>der</strong>en Handlungen hergestellt<br />

werden ('A verdient X, weil B ebenfalls X erhalten hat!'). Er kann aber au<strong>ch</strong><br />

in einem Hinweis auf eine allgemeine Norm liegen ('A verdient X, weil je<strong>der</strong> einen<br />

Anspru<strong>ch</strong> auf X hat!'). Bei <strong>der</strong> normbezogenen Definition <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> wird<br />

si<strong>ch</strong> das Definitionselement 'unter dem Gesi<strong>ch</strong>tspunkt <strong>der</strong> Glei<strong>ch</strong>heit' deshalb als<br />

entbehrli<strong>ch</strong> erweisen 95 .<br />

III. Zu einigen an<strong>der</strong>en <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriffen<br />

Es gibt etli<strong>ch</strong>e Konkretisierungen des <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriffs, die mit <strong>der</strong> hier zugrundegelegten<br />

Definition ni<strong>ch</strong>t übereinstimmen, die aber glei<strong>ch</strong>wohl ihre Bere<strong>ch</strong>tigung<br />

haben. Einige dieser Konkretisierungen sind so gebräu<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>, daß man insoweit<br />

von eigenen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriffen spre<strong>ch</strong>en kann. Die folgende Abgrenzung<br />

von diesen Begriffen dient dazu, die Elemente <strong>der</strong> mit D 1 zugrundegelegte Definition<br />

s<strong>ch</strong>ärfer herauszuarbeiten.<br />

1. Der formale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriff<br />

Formale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> ist allein die glei<strong>ch</strong>mäßige Befolgung von Prinzipien, <strong>der</strong> Gehorsam<br />

gegenüber einem System von Regeln, wie er si<strong>ch</strong> juristis<strong>ch</strong> im Begriff des<br />

Re<strong>ch</strong>tsstaatsprinzips (rule of law) verkörpert findet 96 . Sie läßt si<strong>ch</strong> unabhängig davon<br />

beurteilen, wel<strong>ch</strong>e Inhalte als gere<strong>ch</strong>t gelten; es kommt allein auf Glei<strong>ch</strong>behandlung<br />

an. In <strong>der</strong> Inhaltsunabhängigkeit liegt au<strong>ch</strong> die Gemeinsamkeit, die formale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

mit Systemgere<strong>ch</strong>tigkeit hat. Unter Systemgere<strong>ch</strong>tigkeit versteht man die<br />

Folgeri<strong>ch</strong>tigkeit einer Norm im Hinblick auf an<strong>der</strong>e Normen, letztli<strong>ch</strong> also die Konsistenz<br />

(innere Wi<strong>der</strong>spru<strong>ch</strong>sfreiheit) eines Systems von Normen, betra<strong>ch</strong>tet unter dem<br />

Gesi<strong>ch</strong>tspunkt <strong>der</strong> systematis<strong>ch</strong>en Glei<strong>ch</strong>behandlung <strong>der</strong> Normadressaten 97 .<br />

Formale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> ist nur insoweit ein Kerngehalt des <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriffs,<br />

als die Regelhaftigkeit im Sinne einer Universalität, also als Geltung für alle, gemeint<br />

ist 98 . Eine Regelhaftigkeit im Sinne von Abstraktheit steht demgegenüber zu jedem<br />

95 Dazu unten S. 75 (D 1N ).<br />

96 Vgl. C. Perelman, Eine Studie über die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1945), S. 58: »Definition <strong>der</strong> formalen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>:<br />

gere<strong>ch</strong>t sein heißt eine Regel zu bea<strong>ch</strong>ten, wel<strong>ch</strong>e die Verpfli<strong>ch</strong>tung formuliert, alle Wesen einer bestimmten<br />

Kategorie auf eine bestimmte Weise zu behandeln.« (Hervorhebung bei Perelman). Ihm insoweit<br />

folgend J. Rawls, Theory of Justice (1971), § 10, S. 58; § 38, S. 235. Kritik zum Begriff <strong>der</strong> formalen<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> bei J. S<strong>ch</strong>roth, Über formale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1997), S. 497 ff.<br />

97 Vgl. aus <strong>der</strong> deuts<strong>ch</strong>en Verfassungsre<strong>ch</strong>tsdogmatik: U. Battis, Systemgere<strong>ch</strong>tigkeit (1977), S. 13 ff.;<br />

P. Kir<strong>ch</strong>hof, Der allgemeine Glei<strong>ch</strong>heitssatz (1992), § 124 Rn. 231 ff.; S. Huster, Re<strong>ch</strong>te und Ziele<br />

(1993), S. 386 ff.; an<strong>der</strong>s S. 394 ff.; W. Heun, Artikel 3 GG (1996), Rn. 34.<br />

98 Zu Regelhaftigkeit und <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriff bereits oben S. 60 ff. (Kritik am Glei<strong>ch</strong>heitsbezug).<br />

62

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!