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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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sol<strong>ch</strong>e Einteilung ist allein wenig aussagekräftig, weil praktis<strong>ch</strong> je<strong>der</strong> Inhalt im Gewand<br />

einer Vertragstheorie präsentiert werden kann (Indifferenzeinwand). Dagegen<br />

vermag die Klassifizierung na<strong>ch</strong> Grundpositionen <strong>der</strong> politis<strong>ch</strong>en Philosophie die<br />

unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Konzeptionen <strong>der</strong> praktis<strong>ch</strong>en Vernunft, die von den <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien<br />

jeweils verfolgt werden, besser zu betonen. Sowohl die Formen des<br />

Vernunftgebrau<strong>ch</strong>s (pragmatis<strong>ch</strong>, ethis<strong>ch</strong>, moralis<strong>ch</strong>) als au<strong>ch</strong> die in den <strong>Theorien</strong><br />

verwendeten Darstellungsmittel (Vertrag, Beoba<strong>ch</strong>ter, Diskurs) sind demgegenüber<br />

untergeordnete Unters<strong>ch</strong>eidungskriterien.<br />

4. Trotz des sehr unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Anwendungsberei<strong>ch</strong>s, den <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> politis<strong>ch</strong>en<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> behandeln (Mikro-, Meso-, Makrotheorien), bleiben sie verglei<strong>ch</strong>bar<br />

(Skalierbarkeitsthese). Eine vollständige Theorie <strong>der</strong> politis<strong>ch</strong>en <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

muß mindestens die fünf Themenkreise 'Begründungsmodell', 'Institutionalisierung',<br />

'Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te', 'Demokratie' und 'Güterverteilung' behandeln (Mindestgehaltsthese).<br />

Als beson<strong>der</strong>e, ni<strong>ch</strong>t zum Mindestkanon gehörige Themenkreise können<br />

die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> gegenüber <strong>der</strong> Natur, in <strong>der</strong> Völkergemeins<strong>ch</strong>aft, gegenüber<br />

zukünftigen Generationen und unter den Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tern gelten. In <strong>der</strong> Regel läßt si<strong>ch</strong><br />

eine unvollständige Theorie ohne Argumentationsbru<strong>ch</strong> vervollständigen (Ergänzbarkeitsthese)<br />

und verliert ihre Gültigkeit ni<strong>ch</strong>t dadur<strong>ch</strong>, daß sie na<strong>ch</strong>trägli<strong>ch</strong> auf die<br />

beson<strong>der</strong>en Themenkreise ausgedehnt wird (Erweiterbarkeitsthese).<br />

5. <strong>Prozedurale</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> ist die För<strong>der</strong>ung von Ergebnisgere<strong>ch</strong>tigkeit dur<strong>ch</strong><br />

Verfahren. Sie tritt abs<strong>ch</strong>ließend in vier Formen auf. Nur die reine prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

läßt eine Begründung von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> zu, die ohne verfahrensexterne<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>skriterien und ohne einen übergeordneten <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>srahmen auskommt.<br />

Die quasi-reine prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> bedarf dagegen immer eines<br />

übergeordneten <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>srahmens. Die beiden 'dienenden' Formen, die unvollkommene<br />

und die vollkommene prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>, eignen si<strong>ch</strong> allein ni<strong>ch</strong>t<br />

zur <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründung, son<strong>der</strong>n sind auf verfahrensexterne Kriterien angewiesen.<br />

6. <strong>Prozedurale</strong> <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> im engeren Sinne sind nur sol<strong>ch</strong>e<br />

<strong>Theorien</strong>, die zur Begründung von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> auf Verfahren zurückgreifen. Es<br />

handelt si<strong>ch</strong> dabei um genau diejenigen <strong>Theorien</strong>, die <strong>der</strong> hobbesianis<strong>ch</strong>en o<strong>der</strong> kantis<strong>ch</strong>en<br />

Grundposition <strong>der</strong> politis<strong>ch</strong>en Philosophie zuzure<strong>ch</strong>nen sind. Für diese<br />

<strong>Theorien</strong> ist kennzei<strong>ch</strong>nend, daß sie materiale Annahmen so s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong> wie mögli<strong>ch</strong><br />

halten und die prozeduralen Begründungselemente so stark wie mögli<strong>ch</strong> ausbauen.<br />

Als prozedurale <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> im weiteren Sinne kann man au<strong>ch</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>serzeugungstheorien<br />

verstehen; <strong>der</strong>en Verfahren bleiben aber auf verfahrensexterne<br />

Kriterien zur <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründung angewiesen.<br />

III. Einige <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

7. Die <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> nietzs<strong>ch</strong>eanis<strong>ch</strong>en Grundposition verbindet eine grundlegende<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sskepsis. Ihr Credo ist, daß <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> inhaltli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t begründet<br />

werden kann. Soweit die <strong>Theorien</strong> auf Verfahren setzen, um Ents<strong>ch</strong>eidungen über<br />

Handlungsweisen herbeizuführen, wird diesen Verfahren keine gere<strong>ch</strong>tigkeitsbegründende<br />

Wirkung zugeordnet; diese sind vielmehr bloß Mittel zur Errei<strong>ch</strong>ung<br />

eines ni<strong>ch</strong>tprozedural bestimmten Zwecks.<br />

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