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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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erfüllt sein, die eine den Umständen na<strong>ch</strong> angemessene Annäherung an die regulative<br />

Idee eines Diskurses unter idealen Bedingungen ermögli<strong>ch</strong>en 161 . Die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

selbst entspre<strong>ch</strong>en, je na<strong>ch</strong> Ausgestaltung des Verfahrens (Referendum, Gesetzgebung),<br />

denen <strong>der</strong> Verfassunggebung o<strong>der</strong> denen <strong>der</strong> parlamentaris<strong>ch</strong>en Gesetzgebung<br />

162 , regelmäßig verstärkt um qualifizierte Mehrheitserfor<strong>der</strong>nisse o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />

Ers<strong>ch</strong>wernisse, die eine den Umständen na<strong>ch</strong> – d.h. unter Berücksi<strong>ch</strong>tigung <strong>der</strong> grundlegenden<br />

Bedeutung bzw. des formal höheren Ranges <strong>der</strong> Verfassungsnorm – angemessene<br />

Annäherung an das Diskursideal <strong>der</strong> Ents<strong>ch</strong>eidung dur<strong>ch</strong> Konsens bewirken.<br />

d) Zur <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> von Ewigkeitsklauseln<br />

Dur<strong>ch</strong> die diskurstheoretis<strong>ch</strong>e Analyse können au<strong>ch</strong> bei demokratis<strong>ch</strong>en Verfassungsstaaten,<br />

die im wesentli<strong>ch</strong>en als gere<strong>ch</strong>t anzusehen sind, Kritikpotentiale aufgedeckt<br />

werden. Dazu sei das Kriterium <strong>der</strong> optimalen diskursiven Kontrolle betra<strong>ch</strong>tet.<br />

Für die unmittelbar begründeten <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen (notwendige <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen)<br />

läuft es leer, weil insoweit das notwendige Ergebnis jedes Diskurses<br />

bereits feststeht. Im übrigen beurteilen si<strong>ch</strong> die Anfor<strong>der</strong>ungen an die 'Optimalität'<br />

einer diskursiven Kontrolle dana<strong>ch</strong>, was na<strong>ch</strong> den Umständen als angemessene Annäherung<br />

an die Bedingungen eines idealen Diskurses anzusehen ist 163 . Inhaltli<strong>ch</strong>e<br />

Aussagen hierzu lassen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t allgemein treffen. Aber jedenfalls folgt aus dem<br />

Kriterium <strong>der</strong> optimalen diskursiven Kontrolle, daß bestimmte Verfassungsnormen<br />

überhaupt revisibel bleiben müssen. Es gilt <strong>der</strong> Satz: Verfassungsnormen, die ni<strong>ch</strong>t<br />

zu den unmittelbar begründbaren <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen gehören (optionale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen),<br />

müssen innerhalb <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tsordnung einer diskursiven Kontrolle unterliegen<br />

164 . Eine diskursive Kontrolle besteht, wenn Verfassungsnormen weiterhin<br />

<strong>der</strong> Verfügungsbefugnis <strong>der</strong> Betroffenen unterstehen, also einzeln geän<strong>der</strong>t (Einzelrevision)<br />

o<strong>der</strong> im Rahmen einer Überprüfung <strong>der</strong> gesamten Verfassung verworfen<br />

werden können (Totalrevision). Damit lassen si<strong>ch</strong> verfassungsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Gestaltungsformen<br />

kritisieren, in denen sowohl die Einzel- als au<strong>ch</strong> die Totalrevision von<br />

optionalen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen dur<strong>ch</strong> faktis<strong>ch</strong>e o<strong>der</strong> normative Ewigkeitsklauseln<br />

für alle Zukunft verhin<strong>der</strong>t wird (entren<strong>ch</strong>ment).<br />

In <strong>der</strong> Verfassung <strong>der</strong> Vereinigten Staaten von Amerika ist beispielsweise das<br />

Re<strong>ch</strong>t zum Waffentragen (right to bear arms 165 ) dur<strong>ch</strong> die Än<strong>der</strong>ungsmodalitäten <strong>der</strong><br />

Verfassung (amendments) <strong>der</strong>art versteinert, daß die Bestimmung einer faktis<strong>ch</strong>en<br />

161 Vgl. oben S. 221 (T Dr ).<br />

162 Dazu unten S. 345 (parlamentaris<strong>ch</strong>e Gesetzgebung als realer Diskurs).<br />

163 Vgl. oben S. 221 (T Dr ).<br />

164 Dazu oben S. 220 (realer Diskurs als diskursive Kontrolle). Nur eine diskursive Kontrolle 'innerhalb<br />

<strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tsordnung' ist den Umständen na<strong>ch</strong> angemessen. Daß Verfassungsnormen je<strong>der</strong>zeit<br />

dur<strong>ch</strong> revolutionäre Akte, also 'außerhalb <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tsordnung', beseitigt werden können, ist trivial,<br />

hat aber mit <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> <strong>der</strong> re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Ordnung selbst, um die es hier allein geht (dazu<br />

oben S. 78 – S<strong>ch</strong>werpunktthese), ni<strong>ch</strong>ts zu tun.<br />

165 Amendment II (1791) <strong>der</strong> U.S.-Verf.: »... the right of the people to keep and bear Arms, shall not be<br />

infringed.«<br />

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