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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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tis<strong>ch</strong>e (H.R. Maturana/F.J. Varela 59 ), systemtheoretis<strong>ch</strong>e (N. Luhmann 60 , G. Teubner 61 )<br />

und ordoliberale (F.A. Hayek 62 ) <strong>Theorien</strong> entwickelt hat.<br />

Na<strong>ch</strong> Ladeur wird die Idee einer 'Universalität <strong>der</strong> Vernunft' dur<strong>ch</strong> die Vorstellung<br />

von einer Vielfalt gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Beziehungsnetzwerke ersetzt 63 . Die »auf<br />

dem klassis<strong>ch</strong>en Subjekt aufbauende Vernunftordnung« geht in dem neuen Chaos<br />

<strong>der</strong> Systemvielfalt unter 64 . Es gibt keine gemeinsamen normativen Projekte mehr,<br />

son<strong>der</strong>n nur no<strong>ch</strong> ein zwis<strong>ch</strong>en den Individuen 'zerstreutes Orientierungswissen' 65 ,<br />

das Ausdruck einer 'transversalen, relationalen Vernunft' sei 66 . Aus dem Deutungsmuster<br />

<strong>der</strong> 'Autopoiesis sozialer Systeme' (N. Luhmann) folge, daß au<strong>ch</strong> das Re<strong>ch</strong>tssystem<br />

seine Selbstorganisation ni<strong>ch</strong>t unter Rückgriff auf eine 'universelle Vernunft'<br />

betreibe 67 , son<strong>der</strong>n vielmehr aus einer 'Selbstinterpretation' heraus bestehe, die einen<br />

kreativen, experimentellen und generativen Charakter habe 68 .<br />

Die postmo<strong>der</strong>ne Re<strong>ch</strong>tstheorie Ladeurs ist keine <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie, au<strong>ch</strong> keine<br />

prozedurale. Ladeur betont selbst, daß die von ihm untersu<strong>ch</strong>te Prozeduralisie-<br />

57 Vgl. vor allem das für den philosophis<strong>ch</strong>en Postmo<strong>der</strong>nismus geradezu programmatis<strong>ch</strong>e Werk<br />

von J.-F. Lyotard, La Condition postmo<strong>der</strong>ne (1979). Abs<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>end dazu <strong>der</strong>s., Die Aufklärung<br />

(1988), S. 103 ff. – Vernunft solle ni<strong>ch</strong>t geleugnet, son<strong>der</strong>n nur in den Plural gesetzt werden.<br />

Grundlegend vernunftkritis<strong>ch</strong> bereits <strong>der</strong>s., Das postmo<strong>der</strong>ne Wissen (1979), S. 187 f. – Beliebigkeit<br />

<strong>der</strong> Wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>keitsregeln ('Metapräskriptiven') und <strong>der</strong> Legitimationserzählungen.<br />

Zur Philosophie Lyotards: W. Reese-S<strong>ch</strong>äfer, Lyotard zur Einführung (1988), S. 7 ff., 75 ff.; <strong>der</strong>s.,<br />

Grenzgötter <strong>der</strong> Moral (1997), S. 465 ff. – pluralistis<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>; W. Wels<strong>ch</strong>, Unsere postmo<strong>der</strong>ne<br />

Mo<strong>der</strong>ne (1987), S. 31 ff., 169 ff., 227 ff. – Genealogie, Programmatik, <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>skonzeption;<br />

<strong>der</strong>s., Vernunft (1995), S. 305 ff. – Vernunftverwirrung.<br />

58 Vgl. P. Ricœur, Soi-même comme un autre (1990), S. 230, 274; allgemein zum postmo<strong>der</strong>nen<br />

Re<strong>ch</strong>tsverständnis: T.R. Kearns/A. Sarat, Legal Justice and Injustice (1996), S. 6 f.<br />

59 Vgl. dazu H.R. Maturana/F.J. Varela, Der Baum <strong>der</strong> Erkenntnis (1984), S. 7 ff. (9) – Versu<strong>ch</strong>, lebende<br />

Systeme als Prozeß zu verstehen; S. 227 f. – Spra<strong>ch</strong>e als Selbstbes<strong>ch</strong>reibung; S. 258 f. – es gebe keinen<br />

festen Bezugspunkt für unsere Bes<strong>ch</strong>reibung, son<strong>der</strong>n nur »Me<strong>ch</strong>anismen <strong>der</strong> Erzeugung unserer<br />

selbst als Bes<strong>ch</strong>reiber und Beoba<strong>ch</strong>ter«.<br />

60 K.-H. Ladeur, Postmo<strong>der</strong>ne Re<strong>ch</strong>tstheorie (1992), S. 107 ff. Dazu oben S. 148 (Theorie <strong>der</strong> sozialen<br />

Systeme).<br />

61 K.-H. Ladeur, Postmo<strong>der</strong>ne Re<strong>ch</strong>tstheorie (1992), S. 112 – Bezugnahme auf den Gedanken selbstreferentieller<br />

Systemkomponenten (Struktur, Prozeß, Identität u.v.m.) bei G. Teubner, Re<strong>ch</strong>t als autopoietis<strong>ch</strong>es<br />

System (1987), S. 44 f., 49.<br />

62 K.-H. Ladeur, Postmo<strong>der</strong>ne Re<strong>ch</strong>tstheorie (1992), S. 194, 202. Dazu oben S. 146 (Theorie <strong>der</strong> spontanen<br />

sozialen Ordnung).<br />

63 K.-H. Ladeur, Postmo<strong>der</strong>ne Re<strong>ch</strong>tstheorie (1992), S. 83, sowie S. 167 – Pluralität <strong>der</strong> gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

(und natürli<strong>ch</strong>en) Umwelten.<br />

64 K.-H. Ladeur, Postmo<strong>der</strong>ne Re<strong>ch</strong>tstheorie (1992), S. 85, sowie S. 105 – 'Chaos' als Generator neuer<br />

Mögli<strong>ch</strong>keiten <strong>der</strong> Nutzung verteilten Wissens.<br />

65 Vgl. K.-H. Ladeur, Postmo<strong>der</strong>ne Re<strong>ch</strong>tstheorie (1992), S. 95 – Dort in Abgrenzung von <strong>der</strong> »Habermass<strong>ch</strong>en<br />

Lesart <strong>der</strong> kommunikativen Rationalität«, die Autonomie »normativ als gemeinsames<br />

Projekt« verstehe und damit den wahren Charakter <strong>der</strong> Kollektivität verfehle.<br />

66 Vgl. K.-H. Ladeur, Postmo<strong>der</strong>ne Re<strong>ch</strong>tstheorie (1992), S. 107 – neuer Vernunftbegriff; S. 103 – eigenständige,<br />

'relationale' Logik <strong>der</strong> (Selbst-)Beoba<strong>ch</strong>tung.<br />

67 K.-H. Ladeur, Postmo<strong>der</strong>ne Re<strong>ch</strong>tstheorie (1992), S. 110.<br />

68 K.-H. Ladeur, Postmo<strong>der</strong>ne Re<strong>ch</strong>tstheorie (1992), S. 168 – Unter Abgrenzung gegenüber Teubners<br />

Vorstellung eines 'internen Steuerungsprogramms'.<br />

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