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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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telbare 630 . Um eine mittelbare diskurstheoretis<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründung handelt<br />

es si<strong>ch</strong>, wenn die Anwendungsbedingungen und Verfahrensregeln formuliert werden,<br />

unter denen die praktis<strong>ch</strong>e Ri<strong>ch</strong>tigkeit <strong>der</strong> Norm in einem tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> stattfindenden<br />

Verfahren begründet werden kann – also in einem realen Diskurs im Sinne<br />

von D Dr<br />

631. Eine unmittelbare diskurstheoretis<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründung besteht<br />

hingegen dann, wenn <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen »unabhängig von <strong>der</strong> tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Dur<strong>ch</strong>führung einzelner Diskurse allein aufgrund <strong>der</strong> Diskurstheorie gelten.« 632<br />

Will man <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> unmittelbar begründen, muß man folgli<strong>ch</strong> von <strong>der</strong> tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Dur<strong>ch</strong>führung einzelner Diskurse abstrahieren. Für diese unmittelbare<br />

Begründung gibt es wie<strong>der</strong>um zwei Mögli<strong>ch</strong>keiten. Erstens kann man mit einer<br />

transzendentalen Argumentation zeigen, daß es bestimmte <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen<br />

gibt, <strong>der</strong>en Geltung eine notwendige Voraussetzung des Diskurses ist. Zweitens kann<br />

man auf einen hypothetis<strong>ch</strong>en Konsens abstellen, den reale Personen unter idealen<br />

Bedingungen errei<strong>ch</strong>en würden, und damit zeigen, daß bestimmte <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen<br />

eine notwendige Folge des Diskurses sind 633 . Den ersten Weg bes<strong>ch</strong>reitet<br />

Alexy für die Begründung von Freiheit und Demokratie (Autonomieargument, Demokratieargument),<br />

den zweiten für die Begründung <strong>der</strong> Glei<strong>ch</strong>heit (Konsensargument).<br />

bb) Die diskurstheoretis<strong>ch</strong>e Notwendigkeit <strong>der</strong> Autonomie<br />

Für die Frage, warum die Anerkennung von Freiheit au<strong>ch</strong> im Handeln verbindli<strong>ch</strong><br />

sein soll, können na<strong>ch</strong> Alexy zwei Formen <strong>der</strong> Verbindli<strong>ch</strong>keit unters<strong>ch</strong>ieden werden:<br />

die subjektive und die objektive. Subjektiv verbindli<strong>ch</strong> ist eine im Diskurs begründete<br />

Handlungsnorm, wenn <strong>der</strong> Einzelne tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> bereit ist, si<strong>ch</strong> freiwillig an sie zu<br />

halten. Die Aussi<strong>ch</strong>t, sol<strong>ch</strong>e Verbindli<strong>ch</strong>keit bei allen Mens<strong>ch</strong>en zu errei<strong>ch</strong>en, ist gering.<br />

Objektiv verbindli<strong>ch</strong> ist eine Handlungsnorm, wenn es für jeden irgendwel<strong>ch</strong>e<br />

Gründe gibt, si<strong>ch</strong> entwe<strong>der</strong> äußerli<strong>ch</strong> an sie zu halten (Befolgung) o<strong>der</strong> wenigstens<br />

so zu tun, als täte man dies (Heu<strong>ch</strong>eln).<br />

Dreh- und Angelpunkt für Alexys Autonomieargument ist die Überlegung, wel<strong>ch</strong>e<br />

Situation einträte, wenn die Anerkennung von Autonomie nur im Diskurs, ni<strong>ch</strong>t<br />

aber im Handeln verbindli<strong>ch</strong> wäre. Was passiert, wenn na<strong>ch</strong> Abs<strong>ch</strong>luß des Diskurses<br />

die Freiheit <strong>der</strong> Mitmens<strong>ch</strong>en im Berei<strong>ch</strong> des Handelns ni<strong>ch</strong>t anerkannt wird?<br />

Das ist beispielsweise <strong>der</strong> Fall, wenn jemand zunä<strong>ch</strong>st in einem realen Diskurs argumentiert,<br />

dann aber ohne Rücksi<strong>ch</strong>t auf einen mögli<strong>ch</strong>en Konsens den eigenen<br />

Willen mit Zwang dur<strong>ch</strong>setzt. Der vorausgegangene Diskurs wird, so Alexys Begründung,<br />

dur<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>es Verhalten vollständig entwertet 634 . Denn wenn Familien-<br />

630 Vgl. hierzu und zum folgenden R. Alexy, Diskurstheorie und Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te (1995), S. 146 ff., wo<br />

statt allgemein auf <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen bereits speziell auf die (als Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te) re<strong>ch</strong>tsförmigen<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen abgestellt wird. Zustimmend zur Unters<strong>ch</strong>eidung dieser Begründungsformen<br />

H. Koriath, Diskurs und Strafre<strong>ch</strong>t (1999), S. 188, 199.<br />

631 Dazu oben S. 218 (D Dr ).<br />

632 R. Alexy, Diskurstheorie und Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te (1995), S. 146.<br />

633 R. Alexy, Probleme <strong>der</strong> Diskurstheorie (1989), S. 113 ff.<br />

634 R. Alexy, Diskurstheorie und Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te (1995), S. 152: »[Es] sinkt das Interesse [<strong>der</strong>] Diskurspartner<br />

am Diskurs ... auf Null o<strong>der</strong> fast auf Null.«<br />

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