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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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stimmung o<strong>der</strong> als autoritative Ents<strong>ch</strong>eidung ergeht, o<strong>der</strong> in einem Konsens besteht,<br />

<strong>der</strong> für die Zukunft Bindungswirkung entfaltet, ni<strong>ch</strong>t je<strong>der</strong>zeit revisibel ist und deshalb<br />

nur no<strong>ch</strong> als bedingt diskursiv kontrolliert angesehen werden kann. Sieht man<br />

etwa das Verfahren <strong>der</strong> parlamentaris<strong>ch</strong>en Gesetzgebung als Diskurs 468 und entsteht<br />

in diesem Verfahren (ausnahmsweise) ein Konsens, <strong>der</strong> zur einstimmigen Verabs<strong>ch</strong>iedung<br />

eines Gesetzes führt, dann bleibt dieses Gesetz zwar diskursiv kontrolliert,<br />

weil eine Meinungsän<strong>der</strong>ung unter den Parlamentsmitglie<strong>der</strong>n gesetzli<strong>ch</strong>e Korrekturen<br />

bewirken könnte, do<strong>ch</strong> ist die diskursive Kontrolle 'bedingt' in dem Sinne,<br />

daß ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>on die Meinungsän<strong>der</strong>ung einer einzigen Person den realen Diskurs<br />

wie<strong>der</strong> aufleben läßt. Die Bindungswirkung einer Ents<strong>ch</strong>eidung gehört – wie au<strong>ch</strong><br />

<strong>der</strong>en an<strong>der</strong>e Charakteristika (Zeitlimit, Mehrheitsprinzip o<strong>der</strong> autoritative Setzung)<br />

– zu den ni<strong>ch</strong>t-idealen Elementen, die typis<strong>ch</strong>erweise mit realen Diskursen verbunden<br />

sind.<br />

ee) Der ideale Diskurs als regulative Idee (T Dr )<br />

Mit <strong>der</strong> Bedeutung des Konsenses für reale Diskurse ist eine Frage verbunden, die<br />

bereits in idealen Diskursen angelegt ist: die Frage <strong>der</strong> Konvergenz 469 . Es ist nämli<strong>ch</strong><br />

mögli<strong>ch</strong>, daß ein Konsens selbst unter idealen Diskursbedingungen in bestimmten<br />

praktis<strong>ch</strong>en Fragen nie eintritt. Zumindest läßt si<strong>ch</strong> die Konsensfähigkeit für Fragen<br />

des ri<strong>ch</strong>tigen Handelns ni<strong>ch</strong>t beweisen. Es gibt keinen Konvergenzbeweis dahingehend,<br />

daß si<strong>ch</strong> die vers<strong>ch</strong>iedenen Standpunkte <strong>der</strong> Diskursteilnehmer im Laufe des<br />

unendli<strong>ch</strong> geda<strong>ch</strong>ten Diskurses einan<strong>der</strong> annähern, bis sie s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> in einen Konsens<br />

münden. Wenn also selbst <strong>der</strong> ideale Diskurs mögli<strong>ch</strong>erweise ergebnislos, jedenfalls<br />

nie definitiv und außerdem nur näherungsweise dur<strong>ch</strong>führbar ist, worin besteht<br />

dann sein Wert? Er besteht in <strong>der</strong> Leitbildfunktion für den realen Diskurs: Im<br />

realen Diskurs gelten die Diskursregeln als regulative Idee. Je mehr si<strong>ch</strong> die Bedingungen<br />

des realen Diskurses den Bedingungen eines idealen Diskurses annähern,<br />

desto besser begründet ist die Ents<strong>ch</strong>eidung, die in einem sol<strong>ch</strong>en Diskurs getroffen<br />

wird.<br />

Verbindet man D Dr mit diesen Überlegungen zur regulativen Idee, dann gilt ein<br />

Satz, auf den im letzten Teil dieser Untersu<strong>ch</strong>ung mehrfa<strong>ch</strong> zurückgegriffen wird<br />

und <strong>der</strong> bereits hier formuliert werden kann:<br />

T Dr :<br />

Die Anwendungsbedingungen und Verfahrensregeln<br />

eines realen Diskurses müssen so weit, wie na<strong>ch</strong> den<br />

Umständen angemessen, <strong>der</strong> regulativen Idee eines Diskurses<br />

unter idealen Bedingungen angegli<strong>ch</strong>en werden.<br />

468 Dazu unten S. 345 (parlamentaris<strong>ch</strong>e Gesetzgebung als realer Diskurs).<br />

469 Sie ist Anknüpfungspunkt für die Kritik, die Kaufmann aus Si<strong>ch</strong>t seiner 'Konvergenztheorie <strong>der</strong><br />

Wahrheit' anführt; vgl. A. Kaufmann, Über die Wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>keit <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tswissens<strong>ch</strong>aft (1986),<br />

S. 440 ff.<br />

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