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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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V. Ergebnisse<br />

Die <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> aristotelis<strong>ch</strong>en Grundposition halten eine bestimmte Konzeption<br />

des guten Lebens für allgemeinverbindli<strong>ch</strong>; <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> beurteilt si<strong>ch</strong> in Abhängigkeit<br />

von dem als wertvoll erkannten 'Guten'.<br />

Die vers<strong>ch</strong>iedenen Spielarten des Kommunitarismus führen im Ergebnis zu sehr<br />

unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien. Der Kommunitarismus von Sandel, Taylor<br />

und Walzer zeigt si<strong>ch</strong> dabei ni<strong>ch</strong>t ents<strong>ch</strong>ieden genug antiliberalistis<strong>ch</strong>, um einen<br />

wirkli<strong>ch</strong>en Kontrast zum individualistis<strong>ch</strong>en Grundtenor westli<strong>ch</strong>er Demokratien<br />

bilden zu können 182 . Diese Uns<strong>ch</strong>ärfe beweist si<strong>ch</strong> beson<strong>der</strong>s bei so zurückhaltenden<br />

Vors<strong>ch</strong>lägen wie dem 'Liberalismus 2' Taylors 183 . Einzig MacIntyre sorgt mit seinen<br />

ents<strong>ch</strong>lossenen Thesen über das S<strong>ch</strong>eitern <strong>der</strong> Aufklärung für eine griffige Position:<br />

Wer wie MacIntyre die Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te als eine Frage des Glaubens, ni<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> praktis<strong>ch</strong>en<br />

Vernunft ansieht, setzt den hobbesianis<strong>ch</strong>en und kantis<strong>ch</strong>en <strong>Theorien</strong>, die<br />

dur<strong>ch</strong>weg Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te für rational begründbar halten, tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> eine grundsätzli<strong>ch</strong><br />

an<strong>der</strong>e Konzeption <strong>der</strong> politis<strong>ch</strong>en <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> entgegen. Die Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit dem Kommunitarismus spitzt si<strong>ch</strong> deshalb mit einiger Bere<strong>ch</strong>tigung<br />

immer mehr auf eine Auseinan<strong>der</strong>setzung mit den Thesen MacIntyres zu 184 .<br />

Die materiellen Konzeptionen des Guten in Naturre<strong>ch</strong>tslehren und im Kommunitarismus<br />

stimmen mit <strong>der</strong> formellen Konzeption des Guten im Utilitarismus darin<br />

überein, daß ihre Ziele selbst ni<strong>ch</strong>t mehr dur<strong>ch</strong> Verfahren überprüft, son<strong>der</strong>n nur<br />

no<strong>ch</strong> gesetzt werden. Insoweit kann man von einem partiellen Begründungsverzi<strong>ch</strong>t<br />

spre<strong>ch</strong>en. Bei Naturre<strong>ch</strong>tslehren wird <strong>der</strong> materielle Begründungsmaßstab für <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

('göttli<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>'), beim Utilitarismus das formelle <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sprinzip<br />

('größtes Glück <strong>der</strong> größten Zahl') und beim Kommunitarismus die Bindung<br />

an eine kollektive Konzeption des Guten ('Traditionsgemeins<strong>ch</strong>aft') ni<strong>ch</strong>t mehr hinterfragt.<br />

Insoweit sind die <strong>Theorien</strong> nur bekenntnis-, ni<strong>ch</strong>t erkenntnisfähig.<br />

C. <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> hobbesianis<strong>ch</strong>en Grundposition (Ents<strong>ch</strong>eidungsrationalität)<br />

I. Charakteristika (T RC D 1RC D 4RC )<br />

Den <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> hobbesianis<strong>ch</strong>en Grundposition ist eigentümli<strong>ch</strong>, daß sie – im<br />

Gegensatz zu <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> nietzs<strong>ch</strong>eanis<strong>ch</strong>en Grundposition – die Ri<strong>ch</strong>tigkeit des<br />

Handelns für begründbar halten, dabei aber – im Gegensatz zur aristotelis<strong>ch</strong>en<br />

Grundposition – ni<strong>ch</strong>t eine bestimmte Konzeption des guten Lebens verfolgen. Vielmehr<br />

werden Handlungen ungea<strong>ch</strong>tet <strong>der</strong> sozialen Ordnung, die si<strong>ch</strong> aus ihnen<br />

ergibt, für si<strong>ch</strong> betra<strong>ch</strong>tet als (deontologis<strong>ch</strong>) ri<strong>ch</strong>tig o<strong>der</strong> fals<strong>ch</strong> beurteilt. Sie sind<br />

182 Zur Kritik dieser relativen Unents<strong>ch</strong>lossenheit <strong>der</strong> Kommunitaristen S. Tönnies, Kommunitarismus<br />

– diesseits und jenseits des Ozeans (1986) S. 14: »... eine moralis<strong>ch</strong>e Aufrüstung, die nützli<strong>ch</strong><br />

ist, aber in <strong>der</strong> politis<strong>ch</strong>en Theorie ni<strong>ch</strong>ts zu su<strong>ch</strong>en hat.«<br />

183 Dazu oben S. 163 (Multikultureller Kommunitarismus).<br />

184 Ähnli<strong>ch</strong>e Betonung <strong>der</strong> zentralen Bedeutung <strong>der</strong> Theorie MacIntyres au<strong>ch</strong> bei H. Brunkhorst, Demokratie<br />

als Solidarität unter Fremden (1996), S. 21.<br />

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