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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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folgenden ist mit prozeduraler <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> nur die objektive prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

gemeint.<br />

II. Der Begriff <strong>der</strong> Fairneß (D 3 ' D F )<br />

Es gibt drei konstitutive Elemente <strong>der</strong> prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>: Erstens müssen<br />

die Anwendungsbedingungen des Verfahrens vorliegen, also alle sogenannten Hintergrundbedingungen,<br />

die eine Anwendbarkeit des Verfahrens überhaupt erst ermögli<strong>ch</strong>en<br />

(background circumstances) 382 . Zweitens müssen die Verfahrensregeln korrekt<br />

eingehalten werden, wozu ihre ri<strong>ch</strong>tige Interpretation gehört (procedural fairness)<br />

383 . Drittens s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> muß – und dies ist das anspru<strong>ch</strong>svollste Element – das<br />

Verfahren selbst als gere<strong>ch</strong>tigkeitsför<strong>der</strong>nd begründet sein (fairness as su<strong>ch</strong>, fairness of<br />

the procedure). Erst die gemeinsame Implementation aller drei Elemente (Hintergrundbedingungen,<br />

Regeleinhaltung, Verfahrensbegründung) bewirkt prozedurale<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>. Die Definition <strong>der</strong> prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> in D 3 muß also genauer<br />

wie folgt verstanden werden:<br />

D 3 ':<br />

<strong>Prozedurale</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> ist diejenige För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Ergebnisgere<strong>ch</strong>tigkeit, die unter den Anwendungsbedingungen<br />

eines als gere<strong>ch</strong>tigkeitsför<strong>der</strong>nd begründeten<br />

Verfahrens dur<strong>ch</strong> die korrekte Einhaltung <strong>der</strong> Verfahrensregeln<br />

errei<strong>ch</strong>t wird.<br />

Die Elemente werden häufig als Fairneßelemente von Verfahren bezei<strong>ch</strong>net, d.h. als<br />

Hintergrundfairneß (background fairness), Anwendungsfairneß (procedural fairness)<br />

und Prozedurfairneß (fairness of the procedure). Der Begriff <strong>der</strong> Fairneß wird damit<br />

zum S<strong>ch</strong>lüsselbegriff <strong>der</strong> prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>. Angesi<strong>ch</strong>ts <strong>der</strong> s<strong>ch</strong>illernden<br />

Vielfalt <strong>der</strong> Wortbedeutungen 384 kann nur eine weite Begriffsbestimmung alle Gehalte<br />

adäquat einfangen:<br />

382 B. Barry, Political Argument (1965), S. 98 f.: »Background Fairness [asks] whether the background<br />

conditions are satisfactory. ... Procedural fairness rules out one boxer having a piece of lead inside<br />

his gloves, but background fairness would also rule out any undue disparity in the weight of the<br />

boxers«.<br />

383 B. Barry, Political Argument (1965), S. 97: »Procedural Fairness. To say that a procedure is being<br />

fairly operated is to say that the formalities whi<strong>ch</strong> define the procedure have been correctly adhered<br />

to.« Gelegentli<strong>ch</strong> wird in dieser Ri<strong>ch</strong>tung aus sozialpsy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t außerdem 'interaktionale<br />

Fairneß' gefor<strong>der</strong>t: H.W. Bierhoff, Sozialpsy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

(1996), S. 1 – Wenn man die Prozedur als abstrakt-generelle Verfahrensklasse (z.B. das Verfahren<br />

na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Strafprozeßordnung) von ihrer Implementation in <strong>der</strong> konkret-individuellen Interaktion<br />

(z.B. einem Strafprozeß) unters<strong>ch</strong>eidet, so ergibt si<strong>ch</strong> die Sequenz 'Prozedur – Interaktion – Ergebnis',<br />

bei dem die interaktionale Fairneß in <strong>der</strong> psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong> besten Umsetzung prozeduraler<br />

Fairneß liegt, etwa dur<strong>ch</strong> Höfli<strong>ch</strong>keit und Ungezwungenheit.<br />

384 Zu den vers<strong>ch</strong>iedenen Fairneßbegriffen aus sozialpsy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t etwa H.W. Bierhoff, Sozialpsy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e<br />

<strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1996), S. 1 ff.; aus re<strong>ch</strong>tsdogmatis<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t P.J.<br />

Tettinger, Fairneß und Waffenglei<strong>ch</strong>heit (1984), S. 2 ff.; <strong>der</strong>s., Fairness als Re<strong>ch</strong>tsbegriff (1997), S.<br />

578 ff. m.w.N.; außerdem J. Berkemann, Fairneß als Re<strong>ch</strong>tsprinzip (1989), S. 223 ff.; D. Steiner, Das<br />

Fairneßprinzip im Strafprozeß (1995), S. 31 ff.<br />

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