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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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Es ist zudem fragli<strong>ch</strong>, ob si<strong>ch</strong> die Universalität <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te als vorpositive<br />

Verbindli<strong>ch</strong>keit auf alle Einzelre<strong>ch</strong>te in völkerre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Konventionen beziehen<br />

kann 57 . Zweifel hieran sind um so bere<strong>ch</strong>tigter, als <strong>der</strong>lei Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te inzwis<strong>ch</strong>en<br />

in ihrer 'dritten Generation' weitrei<strong>ch</strong>ende Befugnisse beinhalten, wie sie in<br />

den meisten Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Welt ni<strong>ch</strong>t gewährleistet werden und teils ni<strong>ch</strong>t einmal gewährleistet<br />

werden können 58 ; wer akut Gefahr läuft zu verhungern, dem nützen politis<strong>ch</strong>-demokratis<strong>ch</strong>e<br />

Re<strong>ch</strong>te wenig 59 . Zwar mag es mögli<strong>ch</strong> sein, die Universalität<br />

einzelner Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te und einzelner Elemente des westli<strong>ch</strong>en Demokratieverständnisses<br />

zu begründen und damit ihrer Verurteilung als westli<strong>ch</strong>es Kulturgut zu<br />

entrinnen. Äußerst unplausibel, ja »vermessen« 60 muß es aber ers<strong>ch</strong>einen, wenn<br />

ausgere<strong>ch</strong>net diejenige Ausprägung, die si<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> in Staaten <strong>der</strong> westli<strong>ch</strong>en<br />

Hemisphäre entwickelt hat und <strong>der</strong>en Grundelemente Individualität und Säkularität<br />

sind, ohne nähere Begründung absolut gesetzt wird 61 . Vor dem Hintergrund einer<br />

<strong>der</strong>artigen 'Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tsdi<strong>ch</strong>te' müßten Zweifel entstehen, ob beispielsweise <strong>der</strong><br />

Islam als kulturelles System mit einem universellen Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tsverständnis<br />

westli<strong>ch</strong>er Prägung überhaupt vereinbar ist 62 . Sol<strong>ch</strong>en inhaltli<strong>ch</strong>en Zweifeln am Ergebnis<br />

stehen methodis<strong>ch</strong>e zur Seite. Wenn man diskurstheoretis<strong>ch</strong> beurteilen will,<br />

ob kulturspezifis<strong>ch</strong>e Rituale wie die Zwangsbes<strong>ch</strong>neidung von Frauen ungere<strong>ch</strong>t<br />

sind 63 , weil sie einen Verstoß gegen ein insoweit universell geltendes Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>t<br />

57 Vgl. L. Kühnhardt, Universalität <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te (1991), S. 229: »Die Untersu<strong>ch</strong>ungen haben<br />

zu dem Ergebnis führen müssen, daß si<strong>ch</strong> historis<strong>ch</strong> und ideenges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> kein Na<strong>ch</strong>weis über<br />

die Existenz des Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tsbegriffs in ausgewählten politis<strong>ch</strong>en Kulturen vor ihrer Berührung<br />

und Reibung mit <strong>der</strong> westli<strong>ch</strong>en Welt finden läßt.«<br />

58 Die erste Generation bürgerli<strong>ch</strong>er und politis<strong>ch</strong>er Re<strong>ch</strong>te kann man als individualistis<strong>ch</strong> und freiheitli<strong>ch</strong>,<br />

die zweite Generation ökonomis<strong>ch</strong>er und sozialer Re<strong>ch</strong>te als solidaris<strong>ch</strong> und egalitär und<br />

die dritte Generation <strong>der</strong> gemeins<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en und kulturellen Re<strong>ch</strong>te als kollektivistis<strong>ch</strong> bezei<strong>ch</strong>nen;<br />

vgl. J. Donnelly, Universal Human Rights in Theory and Practice (1989), S. 143 f. – mit <strong>der</strong><br />

Parallele zu 'liberty', 'equality' und 'fraternity'. Zur Kritik an <strong>der</strong> Generationenlehre: ebd., S. 144<br />

ff. (146): »insurmountable conceptual problems«. Zur Kennzei<strong>ch</strong>nung <strong>der</strong> dritten Generation als<br />

Re<strong>ch</strong>te zur Befriedigung wirts<strong>ch</strong>afli<strong>ch</strong>er, sozialer und kultureller Bedürfnisse K. Stern, Zur Universalität<br />

<strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te (1998), S. 1071.<br />

59 Zu dieser Skepsis gegenüber westli<strong>ch</strong> konnotierten Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tskatalogen siehe J.K. Nyerere,<br />

Essays on Socialism (1968), S. 10.<br />

60 K. Stern, Zur Universalität <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te (1998), S. 1063 f.<br />

61 Zu den Unters<strong>ch</strong>ieden im Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tsverständnis westli<strong>ch</strong>er Demokratien, afrikanis<strong>ch</strong>er<br />

Staaten und islamis<strong>ch</strong>er Gesells<strong>ch</strong>aftsordnungen siehe J. Donnelly, Universal Human Rights in<br />

Theory and Practice (1989), S. 49 ff.; L. Kühnhardt, Universalität <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te (1991), S. 86<br />

ff., 142 ff., 212 ff.; J. Hinkmann, Philosophis<strong>ch</strong>e Argumente für und wi<strong>der</strong> die Universalität <strong>der</strong><br />

Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te (1996), S. 10 ff., 80 ff., 104 ff. Zum Islam außerdem C.E. Ritterband, Universeller<br />

Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tss<strong>ch</strong>utz und völkerre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>es Interventionsverbot (1982), S. 519 ff.; L. Müller, Islam<br />

und Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te (1996), S. 111 ff. Zu relativistis<strong>ch</strong>en Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tskonzeptionen etwa<br />

S.P. Sinha, Human Rights: Freeing Human Rights from Natural Rights, in: ARSP 70 (1984), S. 342<br />

ff., 378 ff. (Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te als wertvolle Ideologie); <strong>der</strong>s., Non-Universality of Law (1995), S. 193<br />

ff. (Ni<strong>ch</strong>tuniversalität des Re<strong>ch</strong>ts insgesamt). Verglei<strong>ch</strong>end J. Hinkmann, Philosophis<strong>ch</strong>e Argumente<br />

für und wi<strong>der</strong> die Universalität <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te (1996), S. 79.<br />

62 Vgl. S.P. Huntington, The Clash of Civilizations? (1993), S. 38. Diese Gefahr übersieht Fukuyama;<br />

vgl. oben S. 24, Fn. 12.<br />

63 Zum Problem <strong>der</strong> Bes<strong>ch</strong>neidung von Frauen in Afrika vgl. H. Lightfoot-Klein, Das grausame Ritual<br />

(1992), S. 43 ff.; zur Klitorisbes<strong>ch</strong>neidung während des letzten Jahrhun<strong>der</strong>ts in England und<br />

Nordamerika als 'Behandlung' gegen Masturbation und 'lesbis<strong>ch</strong>e Neigungen': ebd., S. 214 ff.; zu<br />

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