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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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aus intrinsis<strong>ch</strong>en (<strong>der</strong> Handlungsweise selbst innewohnenden) Gründen ri<strong>ch</strong>tig, ni<strong>ch</strong>t<br />

aus extrinsis<strong>ch</strong>en. Insoweit besteht Übereinstimmung mit den no<strong>ch</strong> zu erörternden<br />

<strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> kantis<strong>ch</strong>en Tradition 185 , von denen si<strong>ch</strong> die hobbesianis<strong>ch</strong>en aber<br />

dadur<strong>ch</strong> unters<strong>ch</strong>eiden, daß sie dezidiert 'unmoralis<strong>ch</strong>' sind 186 . <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> hobbesianis<strong>ch</strong>en<br />

Grundposition sind alle explizit – o<strong>der</strong> bei älteren Sozialvertragstheorien<br />

implizit – <strong>Theorien</strong> des rationalen Ents<strong>ch</strong>eidens (rational <strong>ch</strong>oice theories, decision<br />

theories) 187 . Als Ents<strong>ch</strong>eidungstheorien begründen sie die Ri<strong>ch</strong>tigkeit einer Handlungsweise<br />

allein mit individueller Nutzenmaximierung – diese wird für sie zum<br />

Inbegriff <strong>der</strong> praktis<strong>ch</strong>en Vernunft 188 .<br />

Der Rational-Choice-Ansatz wurde in <strong>der</strong> 'außermarktli<strong>ch</strong>en Ökonomie' geprägt<br />

und versteht si<strong>ch</strong> dort als »Anwendung des ökonomis<strong>ch</strong>en Verhaltensmodells auf Fragestellungen,<br />

die übli<strong>ch</strong>erweise an<strong>der</strong>en Verhaltenswissens<strong>ch</strong>aften vorbehalten waren«<br />

189 und damit glei<strong>ch</strong>zeitig als Gegenbegriff zu dem in <strong>der</strong> Soziologie, Politik und<br />

Re<strong>ch</strong>tswissens<strong>ch</strong>aft (mit Ausnahme <strong>der</strong> ökonomis<strong>ch</strong>en Analyse des Re<strong>ch</strong>ts 190 ) verbreiteten<br />

soziologis<strong>ch</strong>en Verhaltensmodell, na<strong>ch</strong> dem mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es Verhalten »als dur<strong>ch</strong><br />

moralis<strong>ch</strong>e Einflüsse und gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Strömungen bestimmt« 191 angesehen<br />

wird. Demgegenüber kann das ökonomis<strong>ch</strong>e Verhaltensmodell 'moralfrei' dur<strong>ch</strong><br />

fünf grundlegende Elemente bes<strong>ch</strong>rieben werden 192 : 1. methodis<strong>ch</strong>en Individualismus<br />

193 , 2. systematis<strong>ch</strong>e Reaktion auf Anreize, 3. Trennung zwis<strong>ch</strong>en Präferenzen<br />

und Eins<strong>ch</strong>ränkungen, 4. Eigennutzorientierung, 5. Mögli<strong>ch</strong>keitsraum und Institutionen.<br />

185 Dazu soglei<strong>ch</strong> S. 198 ff. (<strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> kantis<strong>ch</strong>en Grundposition).<br />

186 Mit bemerkenswerter Offenheit R.B. McKenzie/G. Tullock, Homo Oeconomicus (1984), S. 27: »Der<br />

ökonomis<strong>ch</strong>e Ansatz ist unmoralis<strong>ch</strong>. Die Wirts<strong>ch</strong>aftswissens<strong>ch</strong>aften bes<strong>ch</strong>äftigt nämli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t,<br />

was sein sollte o<strong>der</strong> wie si<strong>ch</strong> Mens<strong>ch</strong>en verhalten sollen, son<strong>der</strong>n es geht nur darum zu verstehen,<br />

warum si<strong>ch</strong> Mens<strong>ch</strong>en so verhalten.«<br />

187 An<strong>der</strong>e Bezei<strong>ch</strong>nungen sind 'Ents<strong>ch</strong>eidungstheorien', '<strong>Theorien</strong> rationaler Wahl' bzw. '<strong>Theorien</strong><br />

praktis<strong>ch</strong>er Rationalität', wobei in letzterer Bezei<strong>ch</strong>nung ein Rationalitätsbegriff benutzt wird, <strong>der</strong><br />

enger ist als <strong>der</strong>jenige <strong>der</strong> 'praktis<strong>ch</strong>en Vernunft'. Gelegentli<strong>ch</strong> ist au<strong>ch</strong> von Gesells<strong>ch</strong>aftstheorien<br />

des strategis<strong>ch</strong>en Interaktionismus o<strong>der</strong> kurz von RC-<strong>Theorien</strong> die Rede; B. Peters, Integration<br />

mo<strong>der</strong>ner Gesells<strong>ch</strong>aften (1993), S. 378 ff.<br />

188 J. Dreier, Rational Preference: Decision Theory as a Theory of Practical Rationality (1996), S. 271 f.<br />

189 B.S. Frey, Außermarktli<strong>ch</strong>e Ökonomie (1997), S. 362.<br />

190 Zur Ausnahme B.S. Frey, Außermarktli<strong>ch</strong>e Ökonomie (1997), S. 367. Zur ökonomis<strong>ch</strong>en Analyse<br />

des Re<strong>ch</strong>ts vor allem R.A. Posner, Problems of Jurisprudence (1990), S. 353 ff. m.w.N.; <strong>der</strong>s., Economic<br />

Analysis of Law (1992), S. 21 ff., 261 ff. („The Moral Content of the Common Law“); C. Kir<strong>ch</strong>ner,<br />

Ökonomis<strong>ch</strong>e Theorie des Re<strong>ch</strong>ts (1997), S. 7 ff.<br />

191 B.S. Frey, Außermarktli<strong>ch</strong>e Ökonomie (1997), S. 366. An diesem Befund än<strong>der</strong>t si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts<br />

dadur<strong>ch</strong>, daß über den Moralbezug im Re<strong>ch</strong>tsbegriff zwis<strong>ch</strong>en positivistis<strong>ch</strong>en und ni<strong>ch</strong>tpositivistis<strong>ch</strong>en<br />

Strömungen Streit besteht. Man kann den Re<strong>ch</strong>tsbegriff (mit <strong>der</strong> re<strong>ch</strong>tspositivistis<strong>ch</strong>en<br />

Trennungsthese) moralfrei und glei<strong>ch</strong>wohl das Verhaltensmodell moralbezogen bestimmen – etwa<br />

für die Erklärung von Re<strong>ch</strong>tsgenese und Re<strong>ch</strong>tsbefolgung. Der Re<strong>ch</strong>tspositivismus führt ni<strong>ch</strong>t<br />

zwingend zu einer Ents<strong>ch</strong>eidungstheorie.<br />

192 B.S. Frey, Außermarktli<strong>ch</strong>e Ökonomie (1997), S. 362 ff. Ähnli<strong>ch</strong> C. Kir<strong>ch</strong>ner, Ökonomis<strong>ch</strong>e Theorie<br />

des Re<strong>ch</strong>ts (1997), S. 12 ff.<br />

193 Zur Abgrenzung des methodis<strong>ch</strong>en vom normativen Individualismus C. Kir<strong>ch</strong>ner, Ökonomis<strong>ch</strong>e<br />

Theorie des Re<strong>ch</strong>ts (1997), S. 20 f.<br />

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