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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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stitutionalisierende Verband muß deshalb ein demokratis<strong>ch</strong>er und sozialer Verfassungsstaat<br />

sein. Jenseits dieser Positivierung will Höffe als weitere notwendige Bedingungen<br />

gere<strong>ch</strong>ter Staatli<strong>ch</strong>keit Beurteilungsstrategien ansehen. Die Positivierung<br />

von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> als unabges<strong>ch</strong>lossener Prozeß erfor<strong>der</strong>t prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sprinzipien<br />

in Geri<strong>ch</strong>tsverfahren, sittli<strong>ch</strong>-politis<strong>ch</strong>en Diskursen und wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er<br />

Politikberatung.<br />

d) Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>t aus Eigennutz<br />

Höffes <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie versu<strong>ch</strong>t eine transzendentale 336 Re<strong>ch</strong>tfertigung kategoris<strong>ch</strong>er<br />

Re<strong>ch</strong>tsprinzipien aus Interessen: Leben, Gesundheit, Eigentum, Ehre und Religion<br />

könnten ohne we<strong>ch</strong>selseitige Anerkennung ni<strong>ch</strong>t als realisierbar geda<strong>ch</strong>t werden;<br />

s<strong>ch</strong>on <strong>der</strong> bloße Fortbestand von Mens<strong>ch</strong>en setzt also notwendig einen negativen<br />

Taus<strong>ch</strong> voraus. Bei den Grundfreiheiten »geht es definitionsgemäß um die Bedingungen<br />

<strong>der</strong> Mögli<strong>ch</strong>keit je<strong>der</strong> Handlungsfreiheit« 337 . Darin liegt eine erfahrungsfreie,<br />

ni<strong>ch</strong>t relativierbare und zeitenthobene Begründung <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te, ihres<br />

»Anspru<strong>ch</strong>s auf Weltgeltung« 338 , und <strong>der</strong> darauf gestützten Legitimation des staatli<strong>ch</strong><br />

monopolisierten Re<strong>ch</strong>tszwangs, in diesem Sinne eine Letztbegründung, die treffend<br />

als »Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tsfundamentalismus« bezei<strong>ch</strong>net worden ist 339 .<br />

Höffe will zeigen, daß vorpositive Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> die Brille des transzendentalen<br />

Taus<strong>ch</strong>es allein als Gebote <strong>der</strong> Klugheit darstellen lassen, ohne daß eine<br />

darüber hinausgehende Moralität vorausgesetzt werden müßte 340 . Die Zugehörigkeit<br />

zur hobbesianis<strong>ch</strong>en Tradition individueller Nutzenmaximierung zeigt si<strong>ch</strong> vor<br />

allem im dezidiert ni<strong>ch</strong>t-utilitaristis<strong>ch</strong>en Programm: Ni<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> 'kollektive' Vorteil<br />

zählt in <strong>der</strong> Nutzenkalkulation; ni<strong>ch</strong>t das größte Glück <strong>der</strong> größten Zahl ist Legitimationsgrund.<br />

Vielmehr geht es um den 'distributiven' Vorteil; es soll je<strong>der</strong> einzelne die<br />

Vorteilhaftigkeit sozialer Ordnung genießen können. Höffes Taus<strong>ch</strong>gere<strong>ch</strong>tigkeit orientiert<br />

si<strong>ch</strong> damit am Kriterium <strong>der</strong> Pareto-Optimalität 341 . Das utilitaristis<strong>ch</strong>e Kalkül,<br />

bei dem im Interesse eines größeren Gesamtnutzens <strong>der</strong> Einzelne Einbußen erleiden<br />

kann, akzeptiert Höffe s<strong>ch</strong>on im begriffli<strong>ch</strong>en Ansatz ni<strong>ch</strong>t als legitim und gere<strong>ch</strong>t.<br />

Allein diejenige Sozialordnung gilt als gere<strong>ch</strong>t, die si<strong>ch</strong> für jedes ihrer Mitglie<strong>der</strong> als Ergebnis<br />

einer rationalen Ents<strong>ch</strong>eidung (transzendentaler Taus<strong>ch</strong>) darstellen läßt. Damit erfüllt Höffes<br />

Theorie die Voraussetzungen, die na<strong>ch</strong> D 4RC <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien des rationalen<br />

Ents<strong>ch</strong>eidens kennzei<strong>ch</strong>nen.<br />

336 Vgl. unten S. 225 ff. (transzendentale Argumente).<br />

337 O. Höffe, Politis<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1987), S. 415.<br />

338 M. Kettner, Otfried Höffes transzendental-kontraktualistis<strong>ch</strong>e Begründung <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te<br />

(1997), S. 248.<br />

339 H. Brunkhorst, Die Kontingenz des Staates (1997), S. 225 f.<br />

340 So ausdrückli<strong>ch</strong> O. Höffe, Politis<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1987), S. 402.<br />

341 W. Kersting, Herrs<strong>ch</strong>aftslegitimation (1997), S. 30, 38, 55. Dazu oben S. 167 ff. (Charakteristika <strong>der</strong><br />

hobbesianis<strong>ch</strong>en Grundposition; Pareto-Optimalität) sowie unten S. 273 (zwei Bedingungen rationaler<br />

Verhandlung).<br />

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