Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch
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V. Ergebnisse<br />
Mit Ausnahme <strong>der</strong> <strong>Theorien</strong> Nozicks und Höffes, die si<strong>ch</strong> nur mit <strong>der</strong> sozialvertragli<strong>ch</strong>en<br />
Konstruktion bes<strong>ch</strong>äftigen, enthalten alle dargestellen <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> hobbesianis<strong>ch</strong>en<br />
Grundposition ein Nutzenkalkül. Die Unters<strong>ch</strong>iede zwis<strong>ch</strong>en den <strong>Theorien</strong>,<br />
die für die Kritik an <strong>der</strong> hobbesianis<strong>ch</strong>en Grundposition wi<strong>ch</strong>tig werden 342 , können<br />
im Ergebnis dur<strong>ch</strong> ein Beispiel zur Verteilungsgere<strong>ch</strong>tigkeit zusammengefaßt werden:<br />
Zwei Unternehmen A und B wollen Öl för<strong>der</strong>n, können dieses Ziel aber nur gemeinsam<br />
errei<strong>ch</strong>en. Sie überlegen, wel<strong>ch</strong>e Verteilung des Ertrags gere<strong>ch</strong>t wäre,<br />
wenn beide glei<strong>ch</strong> viel in die Kooperation investieren. A hat eine gesunde Bilanz<br />
und große Marktma<strong>ch</strong>t, B dagegen ist in einer Finanzkrise und hat eine s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>e<br />
Marktposition.<br />
Na<strong>ch</strong> Nash und Harsanyi kommt es darauf an, daß dem Unternehmen B dur<strong>ch</strong><br />
seine Finanzkrise s<strong>ch</strong>on an einem kleinen Gewinn sehr viel gelegen ist; es könnte beispielsweise<br />
bei einem 25%-igen För<strong>der</strong>anteil bereits einen überproportionalen Nutzenfaktor<br />
von 0,5 haben. Die bei diesem Anteil auf A entfallenden 75% des Ertrags<br />
entspre<strong>ch</strong>en bei diesem Unternehmen einem proportional wa<strong>ch</strong>senden Nutzenfaktor<br />
von 0,75. Angenommen, das Produkt <strong>der</strong> Nutzenfaktoren bildet ein Maximum genau<br />
bei dieser Gewinnteilung von 25% zu 75% zugunsten des A, so ist diese Unglei<strong>ch</strong>verteilung<br />
gere<strong>ch</strong>t, denn in ihr drückt si<strong>ch</strong> die unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Verhandlungsma<strong>ch</strong>t<br />
<strong>der</strong> Parteien aus.<br />
Na<strong>ch</strong> Braithwaite und Bu<strong>ch</strong>anan ist zwar glei<strong>ch</strong> zu verteilen, aber unter Berücksi<strong>ch</strong>tigung<br />
des gegenseitigen Drohpotentials. Das marktmä<strong>ch</strong>tige Unternehmen A<br />
könnte versu<strong>ch</strong>en, B dur<strong>ch</strong> Drohung mit einem Preiskampf zur Kooperation zu<br />
zwingen. Es würde dur<strong>ch</strong> die Gegenwehr des s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en Unternehmens B zwar<br />
selbst S<strong>ch</strong>aden nehmen, aber sehr viel weniger als dieses. Angenommen, <strong>der</strong> potentielle<br />
Preiskampfs<strong>ch</strong>aden des Unternehmens B beträgt Nutzenwert 343 -3, <strong>der</strong> des Unternehmens<br />
A nur -1 und <strong>der</strong> positive Nutzenwert aus 100% <strong>der</strong> Gesamtför<strong>der</strong>ung<br />
+4. Dann müßte A 75% bekommen, um relativ zur Drohposition den glei<strong>ch</strong>en Vorteil<br />
aus <strong>der</strong> Kooperation zu erlangen wie B (A: -1 bis +3 = 4; B: -3 bis +1 = 4). Die Unglei<strong>ch</strong>verteilung<br />
ist wie<strong>der</strong>um gere<strong>ch</strong>t, allerdings diesmal wegen <strong>der</strong> Berücksi<strong>ch</strong>tigung<br />
unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Drohpotentiale.<br />
S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> bleibt die Lösung von Lucas und Gauthier. Hier ist <strong>der</strong> Ni<strong>ch</strong>teinigungspunkt<br />
dur<strong>ch</strong> desinteressiertes eigennütziges Verhalten definiert. We<strong>der</strong> Unternehmen<br />
A no<strong>ch</strong> Unternehmen B könnte allein Öl för<strong>der</strong>n. Sie haben also beide<br />
den glei<strong>ch</strong>en Nullnutzen im Falle s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>ter Ni<strong>ch</strong>tkooperation. Entspre<strong>ch</strong>end müssen<br />
sie den Ertrag zu je 50% teilen, um ein gere<strong>ch</strong>tes Ergebnis zu erzielen. Diese Lösung<br />
s<strong>ch</strong>ließt sowohl unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Verhandlungsma<strong>ch</strong>t als au<strong>ch</strong> unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>es<br />
Drohpotential als für eine rationale Begründung des <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>surteils<br />
irrelevant aus.<br />
342 Dazu unten S. 270 ff. (Kritik spieltheoretis<strong>ch</strong>er Grundlegung).<br />
343 Die hier verwendeten Nutzeneinheiten unters<strong>ch</strong>eiden si<strong>ch</strong> von Nutzenfaktoren vor allem dadur<strong>ch</strong>,<br />
daß sie ni<strong>ch</strong>t multipliziert werden müssen und folgli<strong>ch</strong> beliebige Werte au<strong>ch</strong> außerhalb des präferierten<br />
Faktorberei<strong>ch</strong>s 0 bis 1 annehmen können. Allein ents<strong>ch</strong>eidend ist das Verhältnis <strong>der</strong> Nutzeneinheiten<br />
zueinan<strong>der</strong>.<br />
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