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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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IV. Die Normen <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

Mit D 1 ist erklärt, wie das einzelne Handeln zum Gegenstand eines <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>surteils<br />

wird. Daran ließ si<strong>ch</strong> zeigen, wel<strong>ch</strong>e notwendigen Bezüge ein sol<strong>ch</strong>es <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>surteil<br />

aufweist und wie si<strong>ch</strong> <strong>der</strong> in D 1 formulierte <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriff von<br />

an<strong>der</strong>en Begriffen <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> unters<strong>ch</strong>eidet. In <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien geht es<br />

aber häufig ni<strong>ch</strong>t um die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> eines einzelnen Handelns, son<strong>der</strong>n um die<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> von Handlungsweisen. Die <strong>Theorien</strong> zeigen, wie <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen<br />

begründet und erzeugt werden können (4). Der Begriff <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snorm (2, 3)<br />

kann mit dem Begriff <strong>der</strong> Norm (1) bestimmt werden.<br />

1. Der Begriff <strong>der</strong> Norm (D N )<br />

Der Begriff <strong>der</strong> Norm ist – vor allem unter Juristen und Re<strong>ch</strong>tsphilosophen – umstritten<br />

146 . Statt auf die Einzelheiten dieses Streits einzugehen, kann hier im Spektrum<br />

<strong>der</strong> mögli<strong>ch</strong>en Begriffsbestimmungen nur ein weiter, ni<strong>ch</strong>tempiris<strong>ch</strong>er, ni<strong>ch</strong>tlegalistis<strong>ch</strong>er,<br />

ni<strong>ch</strong>taxiologis<strong>ch</strong>er 147 und ni<strong>ch</strong>tteleologis<strong>ch</strong>er 148 Normbegriff erläutert werden,<br />

<strong>der</strong> im Hinblick auf den Untersu<strong>ch</strong>ungsgegenstand vorzugswürdig ers<strong>ch</strong>eint. Dana<strong>ch</strong><br />

gilt:<br />

D N :<br />

Eine Norm ist die Verbindung eines deontis<strong>ch</strong>en Operators<br />

(Gebot, Verbot, Erlaubnis) mit einer Handlungsweise.<br />

Eine Norm ist na<strong>ch</strong> D N we<strong>der</strong> die Handlungweise selbst, no<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Satz o<strong>der</strong> das Zei<strong>ch</strong>en,<br />

mit dem sie gefor<strong>der</strong>t, untersagt o<strong>der</strong> erlaubt wird 149 , son<strong>der</strong>n vielmehr die Bedeutung<br />

150 , <strong>der</strong> Sinn 151 des Gebots, des Verbots o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Erlaubnis 152 . Eine auf rot<br />

springende Ampel kann sol<strong>ch</strong>e (Verbots-)Bedeutung ebenso haben wie <strong>der</strong> biblis<strong>ch</strong>e<br />

146 Vgl. zum Streit R. Alexy, Theorie <strong>der</strong> Grundre<strong>ch</strong>te (1985), S. 40 ff.; T. Zoglauer, Normenkonflikte<br />

(1998), S. 23 ff., beide m.w.N.; zum konditionalen Normmodell neuerdings N. Jansen, Struktur <strong>der</strong><br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1998), S. 63 ff. m.w.N.<br />

147 Handlungsbezogene Aussagen können axiologis<strong>ch</strong> ('x ist gut') o<strong>der</strong> deontologis<strong>ch</strong> ('x soll A') sein.<br />

Dazu unten S. 52 ff. (Sollensbezug und axiologis<strong>ch</strong>er <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriff).<br />

148 Vgl. J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 310 f.: »Prinzipien o<strong>der</strong> höherstufige Normen ...<br />

haben einen deontologis<strong>ch</strong>en, Werte hingegen einen teleologis<strong>ch</strong>en Sinn.« Dazu R. Alexy, Jürgen<br />

Habermas' Theorie des juristis<strong>ch</strong>en Diskurses (1995), S. 167: »Dieser Unters<strong>ch</strong>eidung, die <strong>der</strong> klassis<strong>ch</strong>en<br />

Di<strong>ch</strong>otomie zwis<strong>ch</strong>en dem Gesollten und dem Guten entspri<strong>ch</strong>t, ist zuzustimmen.«<br />

149 Vgl. F. Müller, Juristis<strong>ch</strong>e Methodik (1995), S. 122 ff.; T. Zoglauer, Normenkonflikte (1998), S. 38 ff.<br />

150 Vgl. die Definition (bezogen auf entspre<strong>ch</strong>ende Begriffsbestimmungen bei Weinberger und Ross)<br />

bei R. Alexy, Theorie <strong>der</strong> Grundre<strong>ch</strong>te (1985), S. 43: »Eine Norm ist damit die Bedeutung eines<br />

Normsatzes.«<br />

151 Vgl. H. Kelsen, Reine Re<strong>ch</strong>tslehre (1960), S. 5: »'Norm' ist <strong>der</strong> Sinn eines Aktes, mit dem ein Verhalten<br />

geboten o<strong>der</strong> erlaubt, insbeson<strong>der</strong>e ermä<strong>ch</strong>tigt wird.« Zuvor, ebd., S. 4: »Mit 'Norm' bezei<strong>ch</strong>net<br />

man: daß etwas sein o<strong>der</strong> ges<strong>ch</strong>ehen, insbeson<strong>der</strong>e daß si<strong>ch</strong> ein Mens<strong>ch</strong> in bestimmter Weise<br />

verhalten soll.« (Hervorhebung bei Kelsen).<br />

152 Zum Bezug zu den deontis<strong>ch</strong>en Grundmodalitäten des Gebots, des Verbot und <strong>der</strong> Erlaubnis siehe<br />

R. Alexy, Theorie <strong>der</strong> Grundre<strong>ch</strong>te (1985), S. 43 ff.<br />

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