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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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mentativen Erstreckung <strong>der</strong> (analytis<strong>ch</strong>en 283 ) Theorie rationalen Ents<strong>ch</strong>eidens auf eine<br />

(normative) <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie in <strong>der</strong> politis<strong>ch</strong>en Philosophie 284 . Ihre Grundthese<br />

lautet, daß Moralität vollständig als rationale Ents<strong>ch</strong>eidung darstellbar ist 285 .<br />

Die wi<strong>ch</strong>tigsten Instrumente <strong>der</strong> Theorie sind die 'Lockes<strong>ch</strong>e Provisio' (a) und das<br />

Konzept <strong>der</strong> 'minimax relativen Konzession' (b).<br />

a) Ni<strong>ch</strong>teinigungspunkt und Lockes<strong>ch</strong>e Provisio<br />

In Gauthiers Theorie gestaltet si<strong>ch</strong> gegenseitige Drohung – wie bei Lucas und Selten 286<br />

– als rein hypothetis<strong>ch</strong> und hat keinerlei Einfluß auf den Ni<strong>ch</strong>teinigungspunkt 287 .<br />

Diese Aussage ri<strong>ch</strong>tet si<strong>ch</strong> vor allem gegen Bu<strong>ch</strong>anans Theorie, na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> die natürli<strong>ch</strong>e<br />

Güterverteilung ni<strong>ch</strong>t nur darin besteht, was je<strong>der</strong> ohne Einfluß <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en haben<br />

würde, son<strong>der</strong>n vielmehr korrigiert wird um dasjenige, was si<strong>ch</strong> die Parteien gegenseitig<br />

dur<strong>ch</strong> Drohung abpressen könnten: Der S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>ere wird gezwungen, willentli<strong>ch</strong><br />

etwas von seinen Gütern abzugeben, nur weil er s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>er ist 288 . Demgegenüber<br />

soll <strong>der</strong> Ni<strong>ch</strong>teinigungspunkt laut Gauthier dur<strong>ch</strong> das Bestreben <strong>der</strong> Parteien<br />

definiert sein, unabhängig voneinan<strong>der</strong> so gut wie mögli<strong>ch</strong> abzus<strong>ch</strong>neiden, ohne aber<br />

dem jeweils an<strong>der</strong>en zu drohen. Diese Position wird au<strong>ch</strong> als Si<strong>ch</strong>erheitsstufe (security<br />

level) bezei<strong>ch</strong>net 289 . Relativ zur Si<strong>ch</strong>erheitsstufe sind dann Kooperationsgewinne<br />

glei<strong>ch</strong>mäßig zwis<strong>ch</strong>en den Parteien zu verteilen. Gere<strong>ch</strong>t ist dana<strong>ch</strong> das Ergebnis, das<br />

deshalb Ausdruck einer rationalen Ents<strong>ch</strong>eidung ist, weil es den relativ zu einer<br />

Grundposition <strong>der</strong> Ni<strong>ch</strong>tkooperation (Si<strong>ch</strong>erheitsstufe) entstehenden Gewinn glei<strong>ch</strong>mäßig<br />

auf die Parteien verteilt.<br />

Gauthier entwickelt seine <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie zu einer Sozialvertragstheorie<br />

weiter, in <strong>der</strong> die Re<strong>ch</strong>tfertigung des Ni<strong>ch</strong>teinigungspunkts deutli<strong>ch</strong>er wird. Ausgangspunkt<br />

<strong>der</strong> Theorie ist die oben als Si<strong>ch</strong>erheitsstufe bezei<strong>ch</strong>nete Situation <strong>der</strong><br />

Ni<strong>ch</strong>tdrohung. Gauthier argumentiert, daß es für Beteiligte an Kooperationen und<br />

Vertragss<strong>ch</strong>lüssen nur dann rational ist, si<strong>ch</strong> an die Vereinbarungen zu halten, wenn<br />

283 <strong>Theorien</strong> rationalen Ents<strong>ch</strong>eidens sind zunä<strong>ch</strong>st analytis<strong>ch</strong>e <strong>Theorien</strong>, d.h. sie betreffen die logis<strong>ch</strong>e<br />

Wi<strong>der</strong>spru<strong>ch</strong>sfreiheit von Ents<strong>ch</strong>eidungen gemessen an den Parametern, die <strong>der</strong> Ents<strong>ch</strong>eidung<br />

zugrundegelegt werden. Der gedankli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>ritt, mit dem diese (analytis<strong>ch</strong>) als rational erkannten<br />

Ents<strong>ch</strong>eidungen dann au<strong>ch</strong> (normativ) als gesollt angesehen werden, ist davon zu unters<strong>ch</strong>eiden.<br />

Dieser Unters<strong>ch</strong>ied wird indes nur selten ausdrückli<strong>ch</strong> betont. Erwähnung findet die<br />

Folge <strong>der</strong> Normativität etwa bei R. Nozick, Nature of Rationality (1993), S. 41: »[The] theory of rational<br />

decision ... stands as the dominant view of the conditions that a rational decision should satisfy:<br />

it is the dominant normative view.«<br />

284 Zur Normativität <strong>der</strong> entstehenden Theorie siehe D. Gauthier, Morals by Agreement (1986), S. 2:<br />

»We shall develop a theory of morals. Our concern is to provide a justificatory framework for moral<br />

behaviour and principles, not an explanatory framework. Thus we shall develop a normative<br />

theory.«<br />

285 D. Gauthier, Morals by Agreement (1986), S. 2 ff. (4): »To <strong>ch</strong>oose rationally, one must <strong>ch</strong>oose morally.«<br />

286 Dazu oben S. 175 (Selten) sowie S. 179 (Lucas).<br />

287 D. Gauthier, Morals by Agreement (1986), S. 200.<br />

288 Ausführli<strong>ch</strong> zur Kritik D. Gauthier, Morals by Agreement (1986), S. 196.<br />

289 B. Barry, Theories of Justice, S. 67 ff.<br />

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