Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch
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gli<strong>ch</strong>e Maß glei<strong>ch</strong>er subjektiver Handlungsfreiheiten, das Mitglieds<strong>ch</strong>aftsre<strong>ch</strong>t in <strong>der</strong><br />
Gemeins<strong>ch</strong>aft, <strong>der</strong> Anspru<strong>ch</strong> auf Re<strong>ch</strong>tss<strong>ch</strong>utz 178 . Sie sollen zwar »no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t im<br />
Sinne von liberalen Abwehrre<strong>ch</strong>ten verstanden werden«, aber bereits »die Beziehungen<br />
<strong>der</strong> frei assoziierten Bürger untereinan<strong>der</strong> regeln« 179 , haben also den Status vorpositiver<br />
Re<strong>ch</strong>te. Es soll si<strong>ch</strong> bei ihnen um genau diejenigen Re<strong>ch</strong>te handeln, die Bürger<br />
einan<strong>der</strong> notwendig zuerkennen müssen, um ihr Zusammenleben mit Mitteln<br />
des positiven Re<strong>ch</strong>ts legitim regeln zu können 180 . Habermas stellt fest, seine »logis<strong>ch</strong>e<br />
Genese dieser Re<strong>ch</strong>te« 181 habe das Diskursprinzip »aus <strong>der</strong> Si<strong>ch</strong>t eines Theoretikers<br />
an die Re<strong>ch</strong>tsform glei<strong>ch</strong>sam von außen herangetragen« 182 .<br />
Der genaue Inhalt dieser Begründung bleibt weitgehend offen für Interpretationen.<br />
Immerhin s<strong>ch</strong>eint Habermas bestimmte Si<strong>ch</strong>tweisen explizit auss<strong>ch</strong>ließen zu<br />
wollen. Zunä<strong>ch</strong>st ers<strong>ch</strong>öpft si<strong>ch</strong> seine Begründung <strong>der</strong> Grundre<strong>ch</strong>tsgruppen ni<strong>ch</strong>t<br />
darin, daß diese in realen Prozessen von freien und glei<strong>ch</strong>en Bürgern hervorgebra<strong>ch</strong>t<br />
werden. Vielmehr setzen die Re<strong>ch</strong>tssubjekte sol<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>te notwendig voraus und<br />
erlangen erst na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> ersten Begründungsstufe au<strong>ch</strong> »die Rolle von Autoren ihrer<br />
Re<strong>ch</strong>tsordnung« 183 . Vor allem aber bes<strong>ch</strong>ränken si<strong>ch</strong> die Re<strong>ch</strong>te ni<strong>ch</strong>t auf gegenseitige<br />
Ansprü<strong>ch</strong>e innerhalb von Diskursen. Wenn also von einem Re<strong>ch</strong>t »auf das größtmögli<strong>ch</strong>e<br />
Maß glei<strong>ch</strong>er subjektiver Handlungsfreiheiten« die Rede ist 184 , so kommt dieses<br />
Re<strong>ch</strong>t je<strong>der</strong> Person au<strong>ch</strong> außerhalb von Diskursen zu. Ni<strong>ch</strong>t als Diskursteilnehmer,<br />
son<strong>der</strong>n im »Status von Re<strong>ch</strong>tspersonen« 185 sind die Adressaten bere<strong>ch</strong>tigt und verpfli<strong>ch</strong>tet<br />
186 ; die Re<strong>ch</strong>te sind ni<strong>ch</strong>t bloß subjektive Ansprü<strong>ch</strong>e aus objektiven Diskursregeln,<br />
son<strong>der</strong>n universelle Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te. Beispielsweise kommt die Meinungsfreiheit<br />
(als Ausdruck des Re<strong>ch</strong>ts auf weitestgehende subjektive Handlungsfreiheiten)<br />
den Mens<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t deshalb zu, weil sol<strong>ch</strong>e Freiheit für die freie und glei<strong>ch</strong> Teilnahme<br />
an Diskursen notwendig vorausgesetzt werden muß, son<strong>der</strong>n weil je<strong>der</strong> einzelne<br />
als Person einen Anspru<strong>ch</strong> auf sie hat.<br />
Die von Habermas ausges<strong>ch</strong>lossenen Interpretationen ma<strong>ch</strong>en es jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t wesentli<strong>ch</strong><br />
einfa<strong>ch</strong>er, festzulegen, wie die Begründung <strong>der</strong> ersten drei Grundre<strong>ch</strong>tsgruppen<br />
gemeint ist. Es geht konkret um folgende Aussage: »Mit dem Begriff <strong>der</strong><br />
Re<strong>ch</strong>tsform ... und dem Diskursprinzip ... verfügen wir über die Mittel, die ausrei<strong>ch</strong>en,<br />
um ... Kategorien von Re<strong>ch</strong>ten in abstracto einzuführen ... [Die] drei Kategorien<br />
von Re<strong>ch</strong>ten ergeben si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on aus <strong>der</strong> Anwendung des Diskursprinzips auf das<br />
178 J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 155 f. Dazu oben S. 241 (<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sprinzipien in<br />
Re<strong>ch</strong>tsform).<br />
179 Zur Vorpositivität ausdrückli<strong>ch</strong> J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 156.<br />
180 J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 151, 155; die Ausführungen S. 157 ff. sind ledigli<strong>ch</strong><br />
eine Inhaltsbestimmung <strong>der</strong> Grundre<strong>ch</strong>tskategorien und enthalten keine weitergehende Begründung.<br />
181 J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 155.<br />
182 J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 160.<br />
183 J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 156 (Hervorhebung bei Habermas).<br />
184 J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 155 (Hervorhebung bei Habermas).<br />
185 J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 155.<br />
186 Vgl. dazu die Betonung <strong>der</strong> privaten Autonomie bei J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992),<br />
S. 156.<br />
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