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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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estimmte Konzeption <strong>der</strong> praktis<strong>ch</strong>en Vernunft zugrunde, an <strong>der</strong> si<strong>ch</strong> die Abgrenzungskriterien<br />

orientieren können 198 . Die Charakteristika <strong>der</strong> einzelnen Grundpositionen<br />

werden im einzelnen erst bei <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> <strong>Theorien</strong> relevant 199 . An<br />

dieser Stelle geht es zunä<strong>ch</strong>st nur um die Identifizierung von drei Abgrenzungskriterien<br />

und die aus diesen Kriterien entstehende Klassifizierungsstruktur.<br />

a) Die nietzs<strong>ch</strong>eanis<strong>ch</strong>e Grundposition<br />

Das erste Abgrenzungskriterium, mit dem <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> nietzs<strong>ch</strong>eanis<strong>ch</strong>en Grundposition<br />

von allen an<strong>der</strong>en unters<strong>ch</strong>ieden werden, ist das <strong>der</strong> Begründbarkeit praktis<strong>ch</strong>er<br />

Vernunft 200 . Nietzs<strong>ch</strong>eanis<strong>ch</strong>e <strong>Theorien</strong> halten die Ri<strong>ch</strong>tigkeit des Handelns für ni<strong>ch</strong>t<br />

begründbar 201 und nehmen insoweit eine Position grundlegen<strong>der</strong> Skepsis ein 202 . Eine<br />

198 Eine Theorie ohne Konzeption <strong>der</strong> praktis<strong>ch</strong>en Vernunft könnte ni<strong>ch</strong>t Teil <strong>der</strong> praktis<strong>ch</strong>en Philosophie<br />

sein, da praktis<strong>ch</strong>e Philosophie die Ri<strong>ch</strong>tigkeit des Handelns betrifft (dazu oben S. 27: <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

und praktis<strong>ch</strong>e Vernunft) und deshalb begriffli<strong>ch</strong> notwendig eine Aussage darüber<br />

voraussetzt, was diese Ri<strong>ch</strong>tigkeit des Handelns ausma<strong>ch</strong>t, also eine Aussage über praktis<strong>ch</strong>e<br />

Vernunft.<br />

199 Dazu unten S. 143 ff. (Dritter Teil).<br />

200 Ausführli<strong>ch</strong>er zur Skepsis gegenüber <strong>der</strong> Existenz praktis<strong>ch</strong>er Vernunft R. Alexy, Eine diskurstheoretis<strong>ch</strong>e<br />

Konzeption <strong>der</strong> praktis<strong>ch</strong>en Vernunft (1993), S. 11.<br />

201 Vgl. etwa F. Nietzs<strong>ch</strong>e, Mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es, Allzumens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es, Bd 1 (1878), Nr. 25, S. 466: »Die ältere<br />

Moral, namentli<strong>ch</strong> die Kants, verlangt vom einzelnen Handlungen, wel<strong>ch</strong>e man von allen Mens<strong>ch</strong>en<br />

wüns<strong>ch</strong>t: das war eine s<strong>ch</strong>öne naive Sa<strong>ch</strong>e; ... Viellei<strong>ch</strong>t läßt es ein zukünftiger Überblick<br />

über die Bedürfnisse <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>heit dur<strong>ch</strong>aus ni<strong>ch</strong>t wüns<strong>ch</strong>enswert ers<strong>ch</strong>einen, daß alle Mens<strong>ch</strong>en<br />

glei<strong>ch</strong> handeln, vielmehr dürften im Interesse ökumenis<strong>ch</strong>er Ziele für ganze Strecken <strong>der</strong><br />

Mens<strong>ch</strong>heit spezielle, viellei<strong>ch</strong>t unter Umständen sogar böse Aufgaben zu stellen sein.« Ebd., Nr.<br />

34, S. 472: »Denn ein Sollen gibt es ni<strong>ch</strong>t mehr; die Moral, insofern sie ein Sollen war, ist ja dur<strong>ch</strong><br />

unsere Betra<strong>ch</strong>tungsart ebenso verni<strong>ch</strong>tet wie die Religion.« Ebd., Bd. 2 (1879), Der Wan<strong>der</strong>er<br />

und sein S<strong>ch</strong>atten, Nr. 2, S. 873: »Die Vernunft <strong>der</strong> Welt. - Daß die Welt ni<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> Inbegriff einer<br />

ewigen Vernünftigkeit ist, läßt si<strong>ch</strong> endgültig dadur<strong>ch</strong> beweisen, daß jenes Stück Welt, wel<strong>ch</strong>es<br />

wir kennen - i<strong>ch</strong> meine unsre mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Vernunft -, ni<strong>ch</strong>t allzu vernünftig ist. Und wenn sie<br />

ni<strong>ch</strong>t allezeit und vollständig weise und rationell ist, so wird es die übrige Welt au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t sein;<br />

hier gilt <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>luß a minori ad majus, a parte ad totum, und zwar mit ents<strong>ch</strong>eiden<strong>der</strong> Kraft.« (Hervorhebungen<br />

bei Nietzs<strong>ch</strong>e); <strong>der</strong>s., Also spra<strong>ch</strong> Zarathustra (1883), Von den Lehrstühlen <strong>der</strong> Tugend,<br />

S. 297: »Au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> heute wohl gibt es einige, wie diesen Prediger <strong>der</strong> Tugend, und ni<strong>ch</strong>t<br />

immer so Ehrli<strong>ch</strong>e: aber ihre Zeit ist um. Und ni<strong>ch</strong>t mehr lange stehen sie no<strong>ch</strong>: da liegen sie<br />

s<strong>ch</strong>on.« Ebd., Vor Sonnen-Aufgang, S. 416: »bei allem ist eins unmögli<strong>ch</strong> – Vernünftigkeit!« Ebd.,<br />

Vom neuen Götzen: »Staat heisst das kälteste aller kalten Ungeheuer. Kalt lügt es au<strong>ch</strong>; und diese<br />

Lüge krie<strong>ch</strong>t aus seinem Munde: 'I<strong>ch</strong>, <strong>der</strong> Staat, bin das Volk.'«<br />

202 Vgl. etwa F. Nietzs<strong>ch</strong>e, Mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es, Allzumens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es, Bd. 1 (1878), Vorrede, Nr. 6, S. 443: »Du<br />

solltest die notwendige Ungere<strong>ch</strong>tigkeit in jedem Für und Wi<strong>der</strong> begreifen lernen, die Ungere<strong>ch</strong>tigkeit<br />

als unablösbar vom Leben, das Leben selbst als bedingt dur<strong>ch</strong> das Perspektivis<strong>ch</strong>e und seine<br />

Ungere<strong>ch</strong>tigkeit« (Hervorhebung bei Nietzs<strong>ch</strong>e); ebd., Bd. 2 (1879), Vorrede, Nr. 1, S. 737 f.: »Als<br />

i<strong>ch</strong> sodann, in <strong>der</strong> dritten Unzeitgemäßen Betra<strong>ch</strong>tung, meine Ehrfur<strong>ch</strong>t vor meinem ersten und<br />

einzigen Erzieher, vor dem großen Arthur S<strong>ch</strong>openhauer zum Ausdruck bra<strong>ch</strong>te ..., war i<strong>ch</strong> für<br />

meine eigne Person s<strong>ch</strong>on mitten in <strong>der</strong> moralistis<strong>ch</strong>en Skepsis und Auflösung drin, das heißt ebensosehr<br />

in <strong>der</strong> Kritik als <strong>der</strong> Vertiefung alles bisherigen Pessimismus -, und glaubte bereits 'an gar ni<strong>ch</strong>ts<br />

mehr', wie das Volk sagt, au<strong>ch</strong> an S<strong>ch</strong>openhauer ni<strong>ch</strong>t« (Hervorhebung bei Nietzs<strong>ch</strong>e). Dazu unten<br />

S. 143 (Charakteristika <strong>der</strong> nietzs<strong>ch</strong>eanis<strong>ch</strong>en Grundposition).<br />

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