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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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hauptung na<strong>ch</strong>zuliefern 488 . Das s<strong>ch</strong>ließt ni<strong>ch</strong>t aus, daß im Einzelfall – etwa aus Zeitnot<br />

– eine ausführli<strong>ch</strong>e Begründung unmögli<strong>ch</strong> ist. Anspru<strong>ch</strong> auf Begründbarkeit<br />

bedeutet au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, daß immer dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>lagende Gründe für das Behauptete vorhanden<br />

sein müssen. Aber jedenfalls ist jedes Behaupten im starken Sinne, also ein<br />

sol<strong>ch</strong>es, das Wahrheit o<strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit impliziert, glei<strong>ch</strong>zeitig eine konkludente Bereiterklärung,<br />

unter normalen Umständen überhaupt Gründe für das Behauptete zu<br />

geben (Prima-facie-Pfli<strong>ch</strong>t zur Begründung 489 ). Häufig wird das Behaupten im starken<br />

Sinn zusammen mit <strong>der</strong> Begründung, dur<strong>ch</strong> die <strong>der</strong> implizite Ri<strong>ch</strong>tigkeitsanspru<strong>ch</strong><br />

eingelöst wird, zum Begriff des Argumentierens zusammengefaßt. Jede Diskurstheorie<br />

ist in diesem Sinne glei<strong>ch</strong>zeitig Argumentationstheorie.<br />

bb) Die Begründungspfli<strong>ch</strong>t<br />

Nun ist es ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong>gültig, wie si<strong>ch</strong> Spre<strong>ch</strong>er und Behauptungsempfänger gegenübertreten.<br />

Denn wenn <strong>der</strong> Behauptungsempfänger seinen Anspru<strong>ch</strong> auf Begründung<br />

einfor<strong>der</strong>t, indem er auf das Behaupten die Frage 'Warum?' stellt, dann kann<br />

ein Spre<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t mit je<strong>der</strong> beliebigen Antwort seiner implizit übernommenen Begründungspfli<strong>ch</strong>t<br />

genügen. Wahrheit o<strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit lassen si<strong>ch</strong> nur darlegen,<br />

wenn gute Gründe angeführt werden 490 . Au<strong>ch</strong> das unters<strong>ch</strong>eidet ein Behaupten im<br />

starken Sinn von an<strong>der</strong>en (s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>eren) Begriffen des Behauptens 491 .<br />

Was aber sind gute Gründe? Es müssen na<strong>ch</strong> dem Gang <strong>der</strong> hier verfolgten Argumentation<br />

sol<strong>ch</strong>e sein, die eine Wahrheits- o<strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeitsgewähr bieten. Denn<br />

sonst könnte <strong>der</strong> mit einem starken Behaupten implizierte Anspru<strong>ch</strong> auf Wahrheit<br />

o<strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit ni<strong>ch</strong>t eingelöst werden. Sowohl die Wahrheit, also <strong>der</strong> Inbegriff des<br />

gelungenen Beweises einer dem Beweis zugängli<strong>ch</strong>en Tatsa<strong>ch</strong>e, als au<strong>ch</strong> die Ri<strong>ch</strong>tig-<br />

488 Vgl. J.R. Searle, Spee<strong>ch</strong> Acts (1969), S. 65: »To put it generally, in the performance of any illocutionary<br />

act, the speaker implies that the preparatory conditions of the act are satisfied. Thus, for example,<br />

when I make a statement I imply that I can back it up«.<br />

489 R. Alexy, Diskurstheorie und Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te (1995), S. 137.<br />

490 Ausführli<strong>ch</strong> zu Diskurs und guten Gründen R. Alexy, Theorie <strong>der</strong> juristis<strong>ch</strong>en Argumentation<br />

(1991), S. 399 ff.<br />

491 Ni<strong>ch</strong>t jedes Behaupten mit impliziter Begründungsbereits<strong>ch</strong>aft stellt au<strong>ch</strong> beson<strong>der</strong>e Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

an die Begründung. Es können Begriffe eines s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>eren Behauptens gebildet werden, bei<br />

denen <strong>der</strong> Spre<strong>ch</strong>er zwar einerseits impliziert, daß er irgendwel<strong>ch</strong>e Gründe für seine Äußerung anzuführen<br />

gewillt ist, er aber an<strong>der</strong>erseits ni<strong>ch</strong>t die Verpfli<strong>ch</strong>tung übernimmt, daß diese Gründe<br />

bestimmten Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Wahrheits- o<strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeitsverbürgung genügen. Die zwei wi<strong>ch</strong>tigsten<br />

Fallkonstellationen <strong>der</strong>art s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en Behauptens mit unqualifizierter Begründung sind diejenige,<br />

bei <strong>der</strong> <strong>der</strong> Spre<strong>ch</strong>er zwar gewillt, aber na<strong>ch</strong> eigener Si<strong>ch</strong>t ni<strong>ch</strong>t fähig ist, gute Gründe zu<br />

präsentieren, und diejenige, bei <strong>der</strong> er na<strong>ch</strong> eigener Si<strong>ch</strong>t zwar fähig, aber ni<strong>ch</strong>t gewillt ist, gute<br />

Gründe zu präsentieren. So beispielsweise in folgendem Dialog: 'Der Fis<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>meckt wun<strong>der</strong>voll!<br />

– Warum? – Er s<strong>ch</strong>meckt einfa<strong>ch</strong> gut.' Hier ist <strong>der</strong> Feins<strong>ch</strong>mecker dur<strong>ch</strong>aus bereit, einen guten<br />

Grund zu nennen, weiß aber, daß er wegen <strong>der</strong> Vers<strong>ch</strong>iedenheit <strong>der</strong> Ges<strong>ch</strong>mäcker einen Ri<strong>ch</strong>tigkeitsanspru<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t erheben kann: er ist ni<strong>ch</strong>t fähig, gute Gründe zu nennen. Umgekehrt in folgendem<br />

Dialog: 'Es ist besser für Sie, wenn Sie dieser Anordnung Folge leisten! – Warum? – Weil<br />

i<strong>ch</strong> Sie sonst entlasse.' Hier mag <strong>der</strong> Arbeitgeber dur<strong>ch</strong>aus gute Gründe für seine Anordnung haben,<br />

vermeidet aber mit <strong>der</strong> Drohung, si<strong>ch</strong> auf eine Diskussion einzulassen: er ist ni<strong>ch</strong>t gewillt gute<br />

Gründe zu nennen. Die im Zusammenhang mit sol<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en Behauptungen implizierten<br />

Begründungen umfassen ni<strong>ch</strong>t notwendig gute Gründe.<br />

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