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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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keit, verstanden als Inbegriff des gelungenen Begründens einer ni<strong>ch</strong>t dem Beweis<br />

zugängli<strong>ch</strong>en Aussage, beanspru<strong>ch</strong>en kategoris<strong>ch</strong>e Geltung. Sie beziehen si<strong>ch</strong> auf Eigens<strong>ch</strong>aften,<br />

die unabhängig von Zeit und Raum den als wahr o<strong>der</strong> ri<strong>ch</strong>tig erkannten<br />

Gegenständen zukommen müssen. Eine beweisbare Tatsa<strong>ch</strong>e ist nur wahr, wenn sie<br />

immer und überall wahr ist; eine ni<strong>ch</strong>t beweisbare Aussage ist nur ri<strong>ch</strong>tig, wenn sie<br />

immer und überall ri<strong>ch</strong>tig ist 492 .<br />

Der kategoris<strong>ch</strong>e Geltungsanspru<strong>ch</strong> von Wahrheit und Ri<strong>ch</strong>tigkeit führt zu<br />

s<strong>ch</strong>wer erfüllbaren Anfor<strong>der</strong>ungen an gute Gründe. Sol<strong>ch</strong>e Gründe dürfen ni<strong>ch</strong>t von<br />

dem Kreis <strong>der</strong> Spre<strong>ch</strong>er abhängen, in dem sie geäußert werden. Sie müssen Gründe<br />

für alle und jeden sein, unabhängig von unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Kenntnissen und Fähigkeiten<br />

<strong>der</strong> einzelnen Spre<strong>ch</strong>er. Ein Grund ist also ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>on dadur<strong>ch</strong> ein guter<br />

Grund, daß er gerade ausrei<strong>ch</strong>t, den einzelnen Behauptungsempfänger zu überzeugen.<br />

Er wird au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t dadur<strong>ch</strong> gut, daß er si<strong>ch</strong> eine Zwangssituation zunutze<br />

ma<strong>ch</strong>t, um als ausrei<strong>ch</strong>en<strong>der</strong> Grund akzeptiert zu werden. Und er kann kein guter<br />

Grund sein, wenn er bei Anwesenheit und glei<strong>ch</strong>bere<strong>ch</strong>tigter Gesprä<strong>ch</strong>steilnahme<br />

von kritis<strong>ch</strong>en Behauptungsempfängern als ni<strong>ch</strong>t überzeugend entlarvt würde. Denn<br />

in allen diesen Fällen fehlt es an <strong>der</strong> zeitli<strong>ch</strong>en und räumli<strong>ch</strong>en Unbedingtheit <strong>der</strong><br />

Geltung. Der Behauptungsempfänger kann klüger werden, die Situation kann ihre<br />

Zwanghaftigkeit verlieren o<strong>der</strong> die abwesenden o<strong>der</strong> zunä<strong>ch</strong>st ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong>bere<strong>ch</strong>tigten<br />

Kritiker können ers<strong>ch</strong>einen und eine glei<strong>ch</strong>bere<strong>ch</strong>tigte Teilnahme dur<strong>ch</strong>setzen<br />

und s<strong>ch</strong>on än<strong>der</strong>t si<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Überzeugungserfolg eines Grundes, wenn es ni<strong>ch</strong>t von<br />

Anfang an ein guter Grund ist. Die so skizzierten Anfor<strong>der</strong>ungen an gute Gründe<br />

lassen si<strong>ch</strong> wie folgt zusammenfassen: Gute Gründe verlangen erstens die Zwanglosigkeit<br />

<strong>der</strong> Argumentation. Sie verlangen zweitens, daß je<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Argumentation<br />

teilnehmen kann, ohne daß die Gründe ihre Überzeugungskraft verlieren. Sie verlangen<br />

drittens, daß eine Teilnahme an <strong>der</strong> Argumentation glei<strong>ch</strong>bere<strong>ch</strong>tigt erfolgt.<br />

cc) Der Einwand <strong>der</strong> Zirkularität<br />

An dieser Stelle wird einigermaßen offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>, daß die Anfor<strong>der</strong>ungen, die in <strong>der</strong><br />

Argumentation einen guten Grund identifizieren, si<strong>ch</strong> mit denjenigen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

decken, die oben bereits in etwas gründli<strong>ch</strong>erer Differenzierung als Diskursregeln<br />

eingeführt wurden 493 . Deshalb setzt si<strong>ch</strong> dieser Gedankens<strong>ch</strong>ritt dem Verda<strong>ch</strong>t <strong>der</strong><br />

Zirkularität aus. Wird mit den Diskursregeln gewissermaßen das Kanin<strong>ch</strong>en aus<br />

dem Hut gezaubert, das in <strong>der</strong> Ums<strong>ch</strong>reibung eines guten Grundes vorher hineingesteckt<br />

wurde?<br />

Der Einwand <strong>der</strong> Zirkularität läßt si<strong>ch</strong> auf vers<strong>ch</strong>iedene Weise wi<strong>der</strong>legen, am<br />

einfa<strong>ch</strong>sten aber mit dem Argument, daß Zwanglosigkeit, Glei<strong>ch</strong>bere<strong>ch</strong>tigung und<br />

Universalität <strong>der</strong> Teilnahme keine beliebig austaus<strong>ch</strong>baren Kriterien sind, um einen<br />

Grund als 'guten' zu identifizieren. Den Ansatzpunkt des (ni<strong>ch</strong>t normativen, son<strong>der</strong>n<br />

analytis<strong>ch</strong>en) Arguments bietet das Begründungsziel, das mit dem guten Grund<br />

errei<strong>ch</strong>t werden soll: die Darlegung von Wahrheit o<strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit. Deren katego-<br />

492 Die kategoris<strong>ch</strong>e Geltung s<strong>ch</strong>ließt ni<strong>ch</strong>t aus, daß Erkenntnisse revisibel sind, es also eine (ni<strong>ch</strong>tabsolute)<br />

Wahrheit o<strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit relativ zum jeweiligen Erkenntnisstand geben kann; zum relativen<br />

Begriff <strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit ausführli<strong>ch</strong>er unten S. 291 ff. (Kritik am Ri<strong>ch</strong>tigkeitsanspru<strong>ch</strong>).<br />

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