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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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knüpfung an Hegel direkt auf Aristoteles als »Vertreter einer langen Tradition« 106 gestützt<br />

und so für den Kommunitarismus die Entgegensetzung von kantis<strong>ch</strong>er und<br />

aristotelis<strong>ch</strong>er Grundposition in <strong>der</strong> anglo-amerikanis<strong>ch</strong>en Literatur etabliert 107 .<br />

Es gibt einige gemeinsame Merkmale <strong>der</strong> kommunitaristis<strong>ch</strong>en <strong>Theorien</strong>. Zunä<strong>ch</strong>st<br />

wenden si<strong>ch</strong> alle Vertreter des Kommunitarismus kritis<strong>ch</strong> gegen den in <strong>der</strong><br />

westli<strong>ch</strong>en politis<strong>ch</strong>en Philosophie dominierenden Liberalismus 108 . Als politis<strong>ch</strong>e,<br />

soziologis<strong>ch</strong>e und philosophis<strong>ch</strong>e Denkri<strong>ch</strong>tung hat si<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Kommunitarismus erst<br />

dur<strong>ch</strong> seine Kritik am Liberalismus konstituiert – die Kritik ist <strong>der</strong> gemeinsame Nenner<br />

<strong>der</strong> sonst sehr unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Vertreter 109 . Charles Taylor hat für die gegenwärtige<br />

Philosophie in den Vereinigten Staaten treffend von einem liberalistis<strong>ch</strong>en<br />

Lager ('Team L') mit J. Rawls, R. Dworkin, T. Nagel und T.M. Scanlon und einem kommunitaristis<strong>ch</strong>en<br />

Lager ('Team K') mit M.J. Sandel, A. MacIntyre und M. Walzer gespro<strong>ch</strong>en<br />

110 . In <strong>der</strong> kommunitaristis<strong>ch</strong>en Kritik am Liberalismus lassen si<strong>ch</strong> heute<br />

vier Elemente unters<strong>ch</strong>eiden, die mit unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>werpunktsetzung in allen<br />

<strong>Theorien</strong> vertreten werden 111 :<br />

1. die Kritik am atomistis<strong>ch</strong>en Personenkonzept;<br />

2. die Kritik an <strong>der</strong> fehlenden integrativen Kraft individualistis<strong>ch</strong>er Gesells<strong>ch</strong>aftstheorien;<br />

3. die Kritik am Neutralitätsanspru<strong>ch</strong> des Liberalismus und<br />

4. die Kritik am Universalismus in Moraltheorien 112 .<br />

Über die Ideenges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te des Kommunitarismus, also über Herkunftslinien jenseits<br />

<strong>der</strong> in <strong>der</strong> 80er Jahren festzustellenden Herauskristallisierung als Strömung, herrs<strong>ch</strong>t<br />

Neubeginn <strong>der</strong> Liberalismuskritik Taylors mit MacIntyre au<strong>ch</strong> H. Brunkhorst, Demokratie als Solidarität<br />

unter Fremden (1996), S. 21.<br />

106 A. MacIntyre, Verlust <strong>der</strong> Tugend (1984), S. 197.<br />

107 MacIntyre sieht die ideenges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Verbindung Hegels zu Platon und Aristoteles zwar, hält die<br />

politis<strong>ch</strong>e Philosophie Hegels aber in ents<strong>ch</strong>eidenden Punkten für »wenig überzeugend« und »außerordentli<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t begründet«: A. MacIntyre, A Short History of Ethics (1966), S. 199 ff., 208 ff.<br />

(209). Zur Abgrenzung von Nietzs<strong>ch</strong>e vor allem die beiden Kapitel zu 'Nietzs<strong>ch</strong>e o<strong>der</strong> Aristoteles?'<br />

in A. MacIntyre, Verlust <strong>der</strong> Tugend (1984), S. 149 ff., 341 ff.<br />

108 So au<strong>ch</strong> H. Joas, Vorges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te <strong>der</strong> Kommunitarismus-Diskussion (1993), S. 50.<br />

109 A.A. offenbar W. Brugger, Kommunitarismus als Verfassungstheorie des Grundgesetzes (1998),<br />

S. 344 mit Fn. 24, S. 346 f., 349 ff. Die von ihm entworfene »idealtypis<strong>ch</strong>e Skizze« läßt bezei<strong>ch</strong>nen<strong>der</strong>weise<br />

offen, ob es für einen »universalistis<strong>ch</strong>en« o<strong>der</strong> »liberalen Kommunitarismus« überhaupt<br />

Vertreter gibt, die »dem diskutierten Kommunitarismustyp zugere<strong>ch</strong>net werden« können;<br />

siehe ebd., S. 344 mit Fn. 24. Jedenfalls bezügli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> anglo-amerikanis<strong>ch</strong>en Diskussion ers<strong>ch</strong>einen<br />

die ges<strong>ch</strong>il<strong>der</strong>ten Mis<strong>ch</strong>formen gerade ni<strong>ch</strong>t »typis<strong>ch</strong>« für kommunitaristis<strong>ch</strong>es Gedankengut.<br />

110 C. Taylor, Aneinan<strong>der</strong> vorbei (1993), S. 103. Den Kommunitaristen ist außerdem Taylor selbst zuzure<strong>ch</strong>nen.<br />

111 Vgl. R. Forst, Kommunitarismus und Liberalismus (1993), S. 183 ff. Eine an<strong>der</strong>e Charakterisierung<br />

dur<strong>ch</strong> vier »Kernpunkte« (Gruppenabgrenzung, Gruppenzugehörigkeit, Pluralismus, anthropologis<strong>ch</strong>-sozialtheoretis<strong>ch</strong>e<br />

Ausri<strong>ch</strong>tung) findet si<strong>ch</strong> bei W. Brugger, Kommunitarismus als Verfassungstheorie<br />

des Grundgesetzes (1998), S. 340 ff.<br />

112 Wenn im Zusammenhang mit dem Kommunitarismus gelegentli<strong>ch</strong> von 'Universalität' gespro<strong>ch</strong>en<br />

wird, dann ist damit eine an<strong>der</strong>e gemeint als die in <strong>der</strong> kantis<strong>ch</strong>en Tradition – eine 'perspektivis<strong>ch</strong>e<br />

Universalität'; M. Fisk, Justice and Universality (1995), S. 227 ff.<br />

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