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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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si<strong>ch</strong> unmittelbar vor allem in verfassungsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Glei<strong>ch</strong>heitssätzen 47 , die teils sogar<br />

mit <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> glei<strong>ch</strong>gesetzt o<strong>der</strong> jedenfalls unter Bezug auf <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>skonzeptionen<br />

konkretisiert werden 48 . Sie finden si<strong>ch</strong> darüber hinaus mittelbar in<br />

an<strong>der</strong>en Grundre<strong>ch</strong>ten mit Prinzipien<strong>ch</strong>arakter, da <strong>der</strong>en Geltung ein gegenüber <strong>der</strong><br />

Moral offenes System bildet, in dem si<strong>ch</strong> die notwendige Abwägung letztli<strong>ch</strong> auf<br />

Fragen <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> bezieht 49 . <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sgehalte lassen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur im<br />

Verfassungsre<strong>ch</strong>t 50 , son<strong>der</strong>n au<strong>ch</strong> im einfa<strong>ch</strong>en Gesetzesre<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> eine Analyse <strong>der</strong><br />

Dogmen- und Kodifikationsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te bis hin in ihre naturre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Wurzeln na<strong>ch</strong>weisen<br />

51 . Jenseits <strong>der</strong> materiellen finden si<strong>ch</strong> prozedurale Gehalte kodifizierter <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

in aller Regel im Prozeßre<strong>ch</strong>t und in den Verfahrensgrundre<strong>ch</strong>ten sowie<br />

als objektivre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er Verfahrensgehalt von Grundre<strong>ch</strong>ten 52 .<br />

Mit Bezug auf den Umsetzungsbedarf, <strong>der</strong> dur<strong>ch</strong> diese Gehalte kodifizierter <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

entsteht, formulieren prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien in ihrer Form<br />

als <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>serzeugungstheorien die Verfahrensbedingungen, unter denen die<br />

konkret gewonnenen Re<strong>ch</strong>tsnormen gere<strong>ch</strong>t sind und so dem Handlungsauftrag des<br />

Satzung-, Verordnung-, Gesetz- o<strong>der</strong> Verfassunggebers entspre<strong>ch</strong>en 53 . So kann man<br />

die Theorie des demokratis<strong>ch</strong>en Verfassungsstaates insgesamt als Ausdruck einer<br />

prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie begreifen, weil sie die Bedingungen festlegt, unter<br />

denen Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Geri<strong>ch</strong>tsverfahren die größtmögli<strong>ch</strong>e<br />

Gewähr gegen Ungere<strong>ch</strong>tigkeit bieten 54 .<br />

47 Vgl. aus <strong>der</strong> deuts<strong>ch</strong>en Verfassungsre<strong>ch</strong>tsdogmatik zum Glei<strong>ch</strong>heitssatz des Art. 3 I GG: G. Robbers,<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> als Re<strong>ch</strong>tsprinzip (1980), S. 87 ff. (<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> als Bestimmung des allgemeinen<br />

Glei<strong>ch</strong>heitssatzes), S. 93 ff. (Analyse <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tspre<strong>ch</strong>ung); E.-W. Böckenförde, Diskussionsbeitrag,<br />

in: VVDStRL 47 (1989), S. 95: »Wenn <strong>der</strong> Glei<strong>ch</strong>heitssatz ni<strong>ch</strong>t nur Re<strong>ch</strong>tsanwendungsglei<strong>ch</strong>heit,<br />

son<strong>der</strong>n au<strong>ch</strong> Re<strong>ch</strong>tssetzungsglei<strong>ch</strong>heit ... ist, dann erhält er m.E. unauswei<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> einen<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sauftrag und damit au<strong>ch</strong> eine <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sfunktion.« Gegen den Rückgriff auf<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sprinzipien etwa C. Starck, Die Anwendung des Glei<strong>ch</strong>heitssatzes (1982), S. 62 f.<br />

48 Glei<strong>ch</strong>setzung etwa bei W. Henke, Juristis<strong>ch</strong>e Systematik <strong>der</strong> Grundre<strong>ch</strong>te (1984), S. 5: »Der Anspru<strong>ch</strong><br />

auf Glei<strong>ch</strong>behandlung ri<strong>ch</strong>tet si<strong>ch</strong> ... auf proportionale Glei<strong>ch</strong>heit, ... eigentli<strong>ch</strong> also auf<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (suum cuique).« Konkretisierung etwa bei P. Kir<strong>ch</strong>hof, Objektivität und Willkür<br />

(1989), S. 85 f. Zum <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sgehalt des allgemeinen Glei<strong>ch</strong>heitssatzes S. Huster, Re<strong>ch</strong>te und<br />

Ziele (1993), S. 29 ff., 195 ff.; F. Bydlinski, <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> als re<strong>ch</strong>tspraktis<strong>ch</strong>er Maßstab (1996), S. 110<br />

ff.<br />

49 R. Alexy, Theorie <strong>der</strong> Grundre<strong>ch</strong>te (1985), S. 494; zum Prinzipienmodell außerdem J. Esser, Grundsatz<br />

und Norm (1956), S. 69 ff.; R. Dworkin, Taking Rights Seriously (1977), S. 14 ff., 46 ff.; <strong>der</strong>s.,<br />

Law's Empire (1986), S. 179 ff., 221 ff.; F. Bydlinski, Fundamentale Re<strong>ch</strong>tsgrundsätze (1988), passim;<br />

J.-R. Sieckmann, Regelmodelle und Prinzipienmodelle des Re<strong>ch</strong>tssystems (1990), passim; M. Borowski,<br />

Grundre<strong>ch</strong>te als Prinzipien (1998), S. 61 ff.<br />

50 Dazu M. Morlok, Was heißt und zu wel<strong>ch</strong>em Ende studiert man Verfassungstheorie? (1988), S. 91<br />

ff. – »Verfassung als <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sreserve«; W. Brugger, Gesetz, Re<strong>ch</strong>t, <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1989), S. 7 –<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sgrundsätze als »materiale Verfassungssubstanz«.<br />

51 G. Wesner, Aequitas naturalis, 'natürli<strong>ch</strong>e Billigkeit', in <strong>der</strong> privatre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Dogmen- und Kodifikationsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

(1996), S. 81 ff. m.w.N.<br />

52 Am Beispiel <strong>der</strong> deuts<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>tsordnung H. Goerli<strong>ch</strong>, Grundre<strong>ch</strong>te als Verfahrensgarantien<br />

(1981), S. 57 ff.<br />

53 Zu <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>serzeugungstheorien R. Dreier, Re<strong>ch</strong>t und <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1991), S. 113 ff.; vgl. unten<br />

S. 88 ff.<br />

54 R. Dreier, Re<strong>ch</strong>t und <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1991), S. 113.<br />

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