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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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genstände einer re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Regelung zu unterwerfen sind. Es kann ungere<strong>ch</strong>t sein,<br />

wenn die Re<strong>ch</strong>tsordnung si<strong>ch</strong> aus wi<strong>ch</strong>tigen Sozialberei<strong>ch</strong>en zurückzieht. Sol<strong>ch</strong>e<br />

Ungere<strong>ch</strong>tigkeit muß dur<strong>ch</strong> eine <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie – au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> eine aus juristis<strong>ch</strong>er<br />

Perspektive definierte – aufgespürt werden. Die Frage, was re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> zu regeln<br />

ist, gehört also aus juristis<strong>ch</strong>er Perspektive ebenfalls zu den Fragen <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>.<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> wird dadur<strong>ch</strong>, juristis<strong>ch</strong> betra<strong>ch</strong>tet, umfassend genug, um als Inbegriff<br />

für 'ri<strong>ch</strong>tiges Re<strong>ch</strong>t' zu gelten 68 .<br />

II.<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> in <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tsdogmatik<br />

Re<strong>ch</strong>tsdogmatik ist die Summe aller Lehrsätze in bezug auf ein bestimmtes Re<strong>ch</strong>tssystem.<br />

Sie ist die Lehre von <strong>der</strong> ri<strong>ch</strong>tigen Re<strong>ch</strong>tspraxis, d.h. <strong>der</strong> ri<strong>ch</strong>tigen Erzeugung<br />

und Anwendung von Normen des positiven Re<strong>ch</strong>ts innerhalb eines bestimmten<br />

Re<strong>ch</strong>tssystems 69 . An<strong>der</strong>s als Re<strong>ch</strong>tstheorie, Re<strong>ch</strong>tsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te und Re<strong>ch</strong>tssoziologie<br />

betrifft die Re<strong>ch</strong>tsdogmatik das konkret anzuwendende Re<strong>ch</strong>t und gilt deshalb als<br />

»Kerndisziplin <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tswissens<strong>ch</strong>aft« 70 in empiris<strong>ch</strong>er, analytis<strong>ch</strong>er und normativer<br />

Dimension 71 . Um ihres Bezuges zur Re<strong>ch</strong>tspraxis willen hat sie einen unaufgebbaren<br />

Bezug zur praktis<strong>ch</strong>en Vernunft 72 .<br />

Wenn <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> als Gegenstand <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tsdogmatik untersu<strong>ch</strong>t wird, dann<br />

will <strong>der</strong> Jurist, an<strong>der</strong>s als <strong>der</strong> Philosoph, ni<strong>ch</strong>t nur wissen, wie si<strong>ch</strong> allgemeinste <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sprinzipien<br />

begründen lassen. Ihn interessiert außerdem, wie <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

real wird. Kann die Re<strong>ch</strong>tsanwendung insgesamt als Subsumtion unter kodifizierte<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen ('geronnene Moral') angesehen werden? Weisen die abstrakt-generellen<br />

Ebenen <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründung und die konkret-individuellen<br />

<strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>serzeugung zumindest Parallelen auf? Steckt die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie<br />

überhaupt einen äußeren Rahmen für ri<strong>ch</strong>tige Re<strong>ch</strong>tsanwendung ab und<br />

handelt es si<strong>ch</strong> dabei um ein enges Korsett o<strong>der</strong> um ein Ents<strong>ch</strong>eidungsfeld von annähernd<br />

grenzenloser Weite? Sol<strong>ch</strong>e Fragen legen es nahe, <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien<br />

jenseits <strong>der</strong> in politis<strong>ch</strong>er Philosophie übli<strong>ch</strong>en Prinzipiendiskussion zu erweitern<br />

und in ihrer Konsequenz für das Verständnis einzelner Re<strong>ch</strong>tsordnungen zu untersu<strong>ch</strong>en.<br />

68 Dazu oben Fn. 28 (<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> und ri<strong>ch</strong>tiges Re<strong>ch</strong>t).<br />

69 R. Dreier, Re<strong>ch</strong>tstheorie und Re<strong>ch</strong>tsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te (1989), S. 21 – Charakterisierung als 'juristis<strong>ch</strong>e<br />

Theorie des positiven Re<strong>ch</strong>ts eines bestimmten Re<strong>ch</strong>tssystems' und <strong>der</strong> Hinweis, daß das objektive<br />

Fors<strong>ch</strong>ungsinteresse (i.S.v. Erkenntnisinteresse) den Bezug zur Re<strong>ch</strong>tspraxis herstellt.<br />

70 R. Dreier, Re<strong>ch</strong>tstheorie und Re<strong>ch</strong>tsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te (1989), S. 21; R. Alexy/R. Dreier, The Concept of Jurisprudence<br />

(1990), S. 7.<br />

71 Vgl. R. Dreier, Re<strong>ch</strong>tstheorie und Re<strong>ch</strong>tsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te (1989), S. 22: »In ihrer empiris<strong>ch</strong>en Dimension<br />

ist sie [die Re<strong>ch</strong>tsdogmatik], faustformelartig ausgedrückt, auf die Sammlung und Si<strong>ch</strong>tung des<br />

positiven Re<strong>ch</strong>tsstoffs, in ihrer analytis<strong>ch</strong>en Dimension auf dessen begriffli<strong>ch</strong>-systematis<strong>ch</strong>e<br />

Dur<strong>ch</strong>dringung und in ihrer normativen, d.h. re<strong>ch</strong>tsethis<strong>ch</strong>en, Dimension darauf geri<strong>ch</strong>tet, im<br />

Vagheitsberei<strong>ch</strong> des positiven Re<strong>ch</strong>ts vernünftige Ents<strong>ch</strong>eidungsvors<strong>ch</strong>läge zu erarbeiten.«<br />

72 F. Wieacker, Zur praktis<strong>ch</strong>en Leistung <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tsdogmatik (1970), S. 78: »Re<strong>ch</strong>tsdogmatik als Instrument<br />

<strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tsfindung im Feld <strong>der</strong> praktis<strong>ch</strong>en Vernunft und Moral«; R. Dreier, Re<strong>ch</strong>tstheorie<br />

und Re<strong>ch</strong>tsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te (1989), S. 17, 22.<br />

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