16.04.2014 Aufrufe

Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ligiösen o<strong>der</strong> sonst materialen Wertvorstellung, die zwar einem Wandel unterworfen<br />

sein kann, aber letztli<strong>ch</strong> immer einen unbegründeten Rest enthält. Mit dieser Begründungsabstinenz<br />

verhält es si<strong>ch</strong> ähnli<strong>ch</strong> wie bei den <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> nietzs<strong>ch</strong>eanis<strong>ch</strong>en<br />

Grundposition: Sie ist angesi<strong>ch</strong>ts <strong>der</strong> prozeduralen Begründungsmögli<strong>ch</strong>keiten<br />

inadäquat und angesi<strong>ch</strong>ts <strong>der</strong> sozialen Aufgabe <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründung inakzeptabel.<br />

Das bloße Bekenntnis zu einer kollektiven Konzeption des Guten, sei es material<br />

(Naturre<strong>ch</strong>tslehren, Kommunitarismus) o<strong>der</strong> formal (Utilitarismus), kann die<br />

For<strong>der</strong>ung na<strong>ch</strong> einer Begründung ri<strong>ch</strong>tigen Re<strong>ch</strong>ts ni<strong>ch</strong>t befriedigen.<br />

C. <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> hobbesianis<strong>ch</strong>en Grundposition<br />

I. Zur Kritik spieltheoris<strong>ch</strong>er Grundlegung<br />

Die implizierte Grundregel <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien rationalen Ents<strong>ch</strong>eidens lautet:<br />

Gere<strong>ch</strong>t ist eine Verteilung von Gütern und Lasten, die das Ergebnis einer rationalen<br />

Ents<strong>ch</strong>eidung <strong>der</strong> betroffenen Parteien ist o<strong>der</strong> sein könnte, si<strong>ch</strong> also aus einer<br />

vorteilsorientierten Verhandlung ergibt o<strong>der</strong> ergeben könnte 53 . Was allerdings eine<br />

Ents<strong>ch</strong>eidung zu einer rationalen ma<strong>ch</strong>t, bleibt zwis<strong>ch</strong>en den Einzelansätzen umstritten.<br />

Während früher allein das Sozialvertragsmodell als Darstellungsmittel diente<br />

und <strong>der</strong> ausgehandelte Vertrag als zugrundeliegendes Rationalitätskonzept 54 , ist in<br />

neuerer Zeit die Spieltheorie das Werkzeug <strong>der</strong> Ents<strong>ch</strong>eidungstheoretiker. Unter<br />

'Spieltheorie' versteht man, seit ihrer Begründung dur<strong>ch</strong> von Neumann und Morgenstern<br />

55 , eine mathematis<strong>ch</strong>e Methode, um strategis<strong>ch</strong>e Interaktion zu analysieren. Sie<br />

findet ihr Hautanwendungsgebiet na<strong>ch</strong> wie vor in <strong>der</strong> Ökonomie, hat si<strong>ch</strong> aber als<br />

analytis<strong>ch</strong>es Werkzeug au<strong>ch</strong> in <strong>der</strong> politis<strong>ch</strong>en Philosophie etabliert. Die Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />

(2) und Grenzen (3) <strong>der</strong> Spieltheorie in <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien des rationalen<br />

Ents<strong>ch</strong>eidens hängen maßgebli<strong>ch</strong> von <strong>der</strong>en Anwendungsbedingungen ab (1).<br />

1. Einige Anwendungsbedingungen <strong>der</strong> Spieltheorie<br />

a) Die Skalierbarkeitsthese in <strong>der</strong> Spieltheorie<br />

Die Spieltheorie als Werkzeug <strong>der</strong> Sozialphilosophie untersu<strong>ch</strong>t das vorteilhafte<br />

Verhalten bei regelgeleiteter Interaktion. Für die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie ist die These<br />

zentral, daß si<strong>ch</strong> die Ergebnisse aus definierten Spielsituationen auf komplexere Situationen<br />

sozialer Interaktion übertragen lassen (Skalierbarkeitsthese) 56 . Die mathematis<strong>ch</strong>e<br />

Theorie wird so zunä<strong>ch</strong>st zur Wirts<strong>ch</strong>aftstheorie und, bei weitergehen<strong>der</strong><br />

Verallgemeinerung, zur umfassenden Theorie rationalen Sozialverhaltens. So wie<br />

Spiele als Zweipersonenspiele o<strong>der</strong> n-Personen-Spiele (Mehrpersonenspiele) vor-<br />

53 Vgl. oben S. 167 (D 1RC ).<br />

54 Zum Unters<strong>ch</strong>ied zwis<strong>ch</strong>en Vertrag als Darstellungsmittel und Vertrag als Rationalitätskonzept<br />

siehe oben S. 98 ff. (Vertrag).<br />

55 Vgl. J. v. Neumann/O. Morgenstern, The Theory of Games and Economic Behaviour (1944).<br />

56 Dazu oben S. 111 (Skalierbarkeitsthese).<br />

270

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!