Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch
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c) Die Begründung <strong>der</strong> Diskursregeln<br />
Die Begründung <strong>der</strong> Diskursregeln erfolgt in den einzelnen Diskurstheorien unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong><br />
479 . In allen <strong>Theorien</strong>, seien sie universal- o<strong>der</strong> transzendentalpragmatis<strong>ch</strong>,<br />
wird dabei na<strong>ch</strong> den notwendigen Voraussetzungen von Kommunikation gefors<strong>ch</strong>t<br />
(Präsuppositionsanalyse). Das kann mit <strong>der</strong> Argumentform des transzendentalen<br />
Arguments beispielhaft gezeigt werden. Ein gemeinsames Element <strong>der</strong> <strong>Theorien</strong><br />
liegt sodann in dem Hinweis auf den je<strong>der</strong> Argumentation immanenten Ri<strong>ch</strong>tigkeitsanspru<strong>ch</strong><br />
sowie dessen Unauswei<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>keit zur Vermeidung eines performativen<br />
Wi<strong>der</strong>spru<strong>ch</strong>es. Damit läßt si<strong>ch</strong> ein gemeinsamer Begründungskern <strong>der</strong> Diskurstheorien<br />
skizzieren 480 .<br />
aa) Das transzendentale Argument<br />
Als 'transzendental' bezei<strong>ch</strong>net Kant die Bedingungen <strong>der</strong> Mögli<strong>ch</strong>keit 481 . Von einem<br />
transzendentalen Argument spri<strong>ch</strong>t man demgemäß bei je<strong>der</strong> Analyse notwendiger<br />
Voraussetzungen (Präsuppositionsanalyse). Dabei wird zunä<strong>ch</strong>st ein Ausgangspunkt<br />
in irgendeiner Hinsi<strong>ch</strong>t als notwendig behauptet o<strong>der</strong> erkannt (praemissa maior).<br />
Diese Notwendigkeit muß sodann auf weiteren Voraussetzungen beruhen, die selbst<br />
notwendig für ihren Bestand sind (praemissa minor). Daraus folgt, daß die Voraussetzungen<br />
in <strong>der</strong>selben Hinsi<strong>ch</strong>t als notwendig angesehen werden müssen, wie <strong>der</strong><br />
Ausgangspunkt (conclusio). Wird beispielsweise <strong>der</strong> Stoffwe<strong>ch</strong>sel (Ausgangspunkt)<br />
als notwendig für das Weiterleben (relevante Hinsi<strong>ch</strong>t) eines Lebewesens erkannt<br />
(praemissa maior) und weiter gezeigt, daß die Nahrungsaufnahme notwendige Voraussetzung<br />
für einen kontinuierli<strong>ch</strong>en Stoffwe<strong>ch</strong>sel ist (praemissa minor), so folgt<br />
daraus, daß die Nahrungsaufnahme in <strong>der</strong>selben Hinsi<strong>ch</strong>t, also bezügli<strong>ch</strong> des Weiterlebens,<br />
für ein Lebewesen notwendig ist (conclusio).<br />
Wie wird nun diese Argumentform des tranzendentalen Arguments für die Diskurstheorie<br />
konkretisiert? Regelmäßig werden Spra<strong>ch</strong>philosophie und Linguistik<br />
aktiviert, um die Notwendigkeit bestimmter Kommunikationseigens<strong>ch</strong>aften aufzuzeigen<br />
482 . Dabei ist es angesi<strong>ch</strong>ts <strong>der</strong> Vielfalt unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Spre<strong>ch</strong>akte (Verspre-<br />
479 Dazu unten S. 233 ff. (einzelne Diskurstheorien).<br />
480 Die folgende Darstellung <strong>der</strong> transzendentalen Begründung <strong>der</strong> Diskursregeln folgt im wesentli<strong>ch</strong>en<br />
<strong>der</strong> Vorgehensweise bei R. Alexy, Diskurstheorie und Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te (1995), S. 135 ff., soweit<br />
diese Begründungselemente illustriert, die au<strong>ch</strong> mit den Aussagen an<strong>der</strong>er Diskurstheorien<br />
vereinbar sind.<br />
481 Vgl. I. Kant, KrV (1787), B 25 f.: »I<strong>ch</strong> nenne alle Erkenntnis transzendental, die si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t so wohl<br />
mit Gegenständen, son<strong>der</strong>n mit unserer Erkenntnisart von Gegenständen, so fern diese a priori<br />
mögli<strong>ch</strong> sein soll, überhaupt bes<strong>ch</strong>äftigt. Ein System sol<strong>ch</strong>er Begriffe würde Transzendental-<br />
Philosophie heißen.« (Hervorhebungen bei Kant); <strong>der</strong>s., KrV (1781), B80/A56: »transzendental (d.i.<br />
die Mögli<strong>ch</strong>keit <strong>der</strong> Erkenntnis o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gebrau<strong>ch</strong> <strong>der</strong>selben a priori)«.<br />
482 Die wohl wi<strong>ch</strong>tigste Grundlage bildet insoweit die Theorie des illokutionären Aktes von Austin.<br />
Austin unters<strong>ch</strong>eidet den Akt <strong>der</strong> Äußerung selbst (lokutionärer Akt) von dem Akt, <strong>der</strong> mit <strong>der</strong><br />
Äußerung vorgenommen wird (illokutionärer Akt) und demjenigen, <strong>der</strong> si<strong>ch</strong> aus <strong>der</strong> Äußerung<br />
ergibt (perlokutionärer Akt); J.L. Austin, Zur Theorie <strong>der</strong> Spre<strong>ch</strong>akte (1962), S. 110 ff. (a<strong>ch</strong>te Vorlesung);<br />
vgl. dazu J.R. Searle, Spee<strong>ch</strong> Acts (1969), S. 30 – illocutionary force indicators; D. Van<strong>der</strong>veken,<br />
Les actes de discours (1988), S. 107 ff. – La forme logique des actes illocutoires. Die folgende Präsuppositionsanalyse<br />
des Spre<strong>ch</strong>aktes <strong>der</strong> Behauptung ist eine Analyse des illokutionären Aktes, also<br />
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