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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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s<strong>ch</strong>es Begründung seiner <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>skritik teilen würden. Nietzs<strong>ch</strong>e hat die Skepsis<br />

als S<strong>ch</strong>wert gegen <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e und bürgerli<strong>ch</strong>e Moral entwickelt und in seinem<br />

moralkritis<strong>ch</strong>en Werk sozialdarwinistis<strong>ch</strong> zugespitzt: Nur die egoistis<strong>ch</strong>e und lebensfroh<br />

instinktive Herrenmoral eines 'Übermens<strong>ch</strong>en' entspre<strong>ch</strong>e dem alles beherrs<strong>ch</strong>enden<br />

Willen zur Ma<strong>ch</strong>t und sei im Gegensatz zur Sklavenmoral das einzig Ri<strong>ch</strong>tige<br />

im mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Sollen 6 . Die neuen Werte, die Nietzs<strong>ch</strong>e im 'Übermens<strong>ch</strong>en'<br />

verkörpert sah, gehen maßgebli<strong>ch</strong> auf S<strong>ch</strong>openhauers 'Willen zur Ma<strong>ch</strong>t' zurück 7 . Sie<br />

betonen die zentrale Rolle des Ma<strong>ch</strong>twillens als einer blinden und irrationalen Kraft,<br />

mit <strong>der</strong> die Gedanken <strong>der</strong> Aufklärung wi<strong>der</strong>legt und dur<strong>ch</strong> einen grundlegenden<br />

Pessimismus und Skeptizismus ersetzt werden.<br />

Den Standpunkt <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sskepsis wird nur einnehmen, wer die Su<strong>ch</strong>e<br />

na<strong>ch</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> als von vornherein aussi<strong>ch</strong>tslos o<strong>der</strong> als endgültig ges<strong>ch</strong>eitert ansieht.<br />

Der moralis<strong>ch</strong>e Nihilismus lehnt bereits die Existenz von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> ab 8 ,<br />

<strong>der</strong> moralis<strong>ch</strong>e Relativismus behauptet ihre Unents<strong>ch</strong>eidbarkeit 9 und <strong>der</strong> Emotivismus<br />

definiert die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> hinweg, indem er normativen und axiologis<strong>ch</strong>en Sätzen<br />

einen Anspru<strong>ch</strong> auf Ri<strong>ch</strong>tigkeit aberkennt 10 . <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> nietzs<strong>ch</strong>eanis<strong>ch</strong>en Tradition<br />

enthalten insofern eine moralis<strong>ch</strong>e Bankrotterklärung, also gerade die Antithese<br />

zur Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>. Ihr verbindendes Element liegt in <strong>der</strong> Ablehnung<br />

<strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> als Kategorie des Sollens. Damit können alle <strong>Theorien</strong> zur<br />

nietzs<strong>ch</strong>eanis<strong>ch</strong>en Tradition gere<strong>ch</strong>net werden, die die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sfrage für sinnlos<br />

o<strong>der</strong> unents<strong>ch</strong>eidbar und konsequenterweise in <strong>der</strong> praktis<strong>ch</strong>en Philosophie für<br />

irrelevant halten. In ihnen wird die Frage 'Was soll i<strong>ch</strong> tun?' ohne einen Rückgriff<br />

wird demgegenüber jede <strong>der</strong> Spielarten <strong>der</strong> Vernunftskepsis in einem weiten Sinn als 'Skeptizismus'<br />

verstanden.<br />

6 Vgl. F. Nietzs<strong>ch</strong>e, Also spra<strong>ch</strong> Zarathustra (1883), Zarathustras Vorrede, Nr. 7, S. 287: »I<strong>ch</strong> will die<br />

Mens<strong>ch</strong>en den Sinn ihres Seins lehren: wel<strong>ch</strong>er ist <strong>der</strong> Übermens<strong>ch</strong>, <strong>der</strong> Blitz aus <strong>der</strong> dunklen<br />

Wolke Mens<strong>ch</strong>.«; <strong>der</strong>s., Zur Genealogie <strong>der</strong> Moral (1887), Vorrede, Nr. 6, S. 768: »So daß gerade<br />

die Moral daran s<strong>ch</strong>uld wäre, wenn eine an si<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong>e hö<strong>ch</strong>ste Mä<strong>ch</strong>tigkeit und Pra<strong>ch</strong>t des Typus<br />

Mens<strong>ch</strong> niemals errei<strong>ch</strong>t würde?« (Hervorhebung bei Nietzs<strong>ch</strong>e).<br />

7 Vgl. A. S<strong>ch</strong>openhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung (1819), S. 691 (Kritik <strong>der</strong> kantis<strong>ch</strong>en Philosophie):<br />

»O<strong>der</strong> sind etwa au<strong>ch</strong> die Vors<strong>ch</strong>riften, wel<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> kluge und konsequente, überlegte<br />

und weitsehende Ma<strong>ch</strong>iavelli dem Fürsten gibt, unvernünftig?« (Hervorhebung bei S<strong>ch</strong>openhauer).<br />

8 Vgl. S. Rosen, Nihilism (1969), S. 72 ff., 94 ff. (Nihilismus bei Nietzs<strong>ch</strong>e).<br />

9 Dazu soglei<strong>ch</strong> S. 145 (re<strong>ch</strong>tsethis<strong>ch</strong>er Relativismus Kelsens). Zum Unters<strong>ch</strong>ied zwis<strong>ch</strong>en Skeptizismus<br />

i.S.v. Nihilismus einerseits und Relativismus an<strong>der</strong>erseits G. Patzig, Ethik ohne Metaphysik<br />

(1983), S. 62 ff. (76 ff.).<br />

10 Dazu insbeson<strong>der</strong>e C.L. Stevenson, Ethics and Language (1944), S. 22, 81 – die Bedeutung des Satzes<br />

'This is good.' ers<strong>ch</strong>öpfe si<strong>ch</strong> in <strong>der</strong>jenigen des Satzes 'I approve of this; do so as well.' Ausdrückli<strong>ch</strong><br />

au<strong>ch</strong> A.J. Ayer, Spra<strong>ch</strong>e, Wahrheit und Logik (1947), S. 135: »Wir werden uns darauf<br />

konzentrieren zu zeigen, daß Wertaussagen ... ni<strong>ch</strong>t im eigentli<strong>ch</strong>en Sinne bedeutsam, son<strong>der</strong>n<br />

einfa<strong>ch</strong> Gefühlsausdrücke sind, die we<strong>der</strong> wahr no<strong>ch</strong> fals<strong>ch</strong> sein können.« Als 'Emotivismus'<br />

kann generell diejenige ni<strong>ch</strong>tmetaphysis<strong>ch</strong>e, metaethis<strong>ch</strong>e Theorie gelten, die, an<strong>der</strong>s als <strong>der</strong> Deskriptivismus<br />

(Naturalismus, Intuitionismus), eine Fakten/Werte-Di<strong>ch</strong>otomie anerkennt, aber<br />

axiologis<strong>ch</strong>e Sätze, etwa die mit dem allgemeinsten Wertprädikat 'gut', als bloße Auffor<strong>der</strong>ungen<br />

interpretiert, weil er davon ausgeht, daß Werturteile im Gegensatz zu Tatsa<strong>ch</strong>enbehauptungen<br />

we<strong>der</strong> wahr o<strong>der</strong> ri<strong>ch</strong>tig no<strong>ch</strong> fals<strong>ch</strong> sein können. Vgl. zur Einteilung ni<strong>ch</strong>tmetaphysis<strong>ch</strong>er, metaethis<strong>ch</strong>er<br />

<strong>Theorien</strong> H. Pauer-Stu<strong>der</strong>, Das An<strong>der</strong>e <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1996), S. 195 ff.<br />

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