Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch
Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch
Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>ch</strong>en, Fragen, Emotionsäußerungen, Stellungnahmen, Absi<strong>ch</strong>tserklärungen, Befehle,<br />
Begründungen, Behauptungen u.v.m. 483 ) wenig aussi<strong>ch</strong>tsrei<strong>ch</strong>, gemeinsame Elemente<br />
je<strong>der</strong> Kommunikation als notwendig darzulegen; allenfalls über abstrakte Strukturelemente<br />
von Spre<strong>ch</strong>akten ließen si<strong>ch</strong> Aussagen treffen 484 . Für den Zweck <strong>der</strong> Begründung<br />
von Diskursregeln genügt es, wenn für einzelne Spre<strong>ch</strong>akte notwendige<br />
Voraussetzungen herausgearbeitet werden, um dann zu zeigen, daß diese Spre<strong>ch</strong>akte<br />
selbst in irgendeiner Hinsi<strong>ch</strong>t notwendig sind. Der Spre<strong>ch</strong>akt, für den das am aussi<strong>ch</strong>tsrei<strong>ch</strong>sten<br />
ist, ist <strong>der</strong>jenige des Behauptens in einem starken, d.h. voraussetzungsvollen<br />
Sinn. Behaupten in einem starken Sinne ist mehr als eine bloße Stellungnahme.<br />
Wer etwas behauptet, erhebt damit glei<strong>ch</strong>zeitig – zumindest implizit –<br />
einen Anspru<strong>ch</strong> auf Wahrheit o<strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit 485 . Täte er es ni<strong>ch</strong>t, würde <strong>der</strong> Spre<strong>ch</strong>er<br />
si<strong>ch</strong> mit dem Vollzug des Spre<strong>ch</strong>aktes in Wi<strong>der</strong>spru<strong>ch</strong> zu dessen Inhalt setzen<br />
(performativer Wi<strong>der</strong>spru<strong>ch</strong>), würde also als Behaupten<strong>der</strong> für etwas auftreten, das er<br />
für fals<strong>ch</strong> o<strong>der</strong> für unbegründet hält 486 .<br />
Wenn jemand einen Anspru<strong>ch</strong> auf Wahrheit o<strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit erhebt, so behauptet<br />
er glei<strong>ch</strong>zeitig, daß dieser Anspru<strong>ch</strong> einlösbar ist. Ansprü<strong>ch</strong>e auf Wahrheit o<strong>der</strong><br />
Ri<strong>ch</strong>tigkeit werden dur<strong>ch</strong> Begründungen eingelöst. Man kann folgli<strong>ch</strong> sagen: »Der<br />
Anspru<strong>ch</strong> auf Wahrheit o<strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>igkeit impliziert einen Anspru<strong>ch</strong> auf Begründbarkeit.«<br />
487 Der Spre<strong>ch</strong>er verpfli<strong>ch</strong>tet si<strong>ch</strong> implizit, auf Verlangen Gründe für seine Be<strong>der</strong><br />
Frage, was damit gesagt ist, wenn jemand etwas behauptet. Zur Unters<strong>ch</strong>eidung dessen, was<br />
gesagt ist, von dem, was damit gesagt wird vgl. E. v. Savigny, Analytis<strong>ch</strong>e Philosophie (1970), S. 90;<br />
<strong>der</strong>s., J.L. Austins Theorie <strong>der</strong> Spre<strong>ch</strong>akte (1972), S. 8; E. Braun, Paradigmenwe<strong>ch</strong>sel in <strong>der</strong> Spra<strong>ch</strong>philosophie<br />
(1996), S. 41.<br />
483 J.R. Searle, Spee<strong>ch</strong> Acts (1969), S. 22 ff. (23).<br />
484 Immerhin hat J.R. Searle, Spee<strong>ch</strong> Acts (1969), S. 54 ff. (64 f.) zur Struktur illokutionärer Spre<strong>ch</strong>akte<br />
die These aufgestellt, daß mit <strong>der</strong> Vornahme jedes illokutionären Aktes glei<strong>ch</strong>zeitig impliziert<br />
wird, die 'vorbereitenden Bedingungen' (preparationary conditions) dieses Aktes bestünden – bei<br />
einer 'Behauptung' etwa die Bedingung, daß <strong>der</strong> Spre<strong>ch</strong>er je<strong>der</strong>zeit eine Begründung na<strong>ch</strong>tragen<br />
kann, bei einem 'Verspre<strong>ch</strong>en', daß <strong>der</strong> Verspre<strong>ch</strong>ensempfänger ein Interesse am Verspro<strong>ch</strong>enen<br />
hat; bei einer 'Danksagung', daß das Empfangene dem Spre<strong>ch</strong>er gefallen hat u.s.w.<br />
485 R. Alexy, Diskurstheorie und Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te (1995), S. 135; vgl. dazu die These von den preparationary<br />
conditions bei J.R. Searle, Spee<strong>ch</strong> Acts (1969), S. 64 f.; im Ergebnis ebenso W. Reese-S<strong>ch</strong>äfer,<br />
Das Begründungsprogramm Diskursethik (1990), . 17. Von diesem starken Begriff des Behauptens<br />
kann ein s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>erer Begriff im Sinne bloßer Emotionsäußerungen, Stellungnahmen o<strong>der</strong><br />
unpersönli<strong>ch</strong>er Äußerungen unters<strong>ch</strong>ieden werden, <strong>der</strong> keinerlei Ri<strong>ch</strong>tigkeitsbehauptung eins<strong>ch</strong>ließt.<br />
Wer angesi<strong>ch</strong>ts eines Sonnenuntergangs spontan 's<strong>ch</strong>ön' sagt, ist unter Umständen we<strong>der</strong><br />
gewillt no<strong>ch</strong> in <strong>der</strong> Lage, dafür Gründe anzuführen. Er hat glei<strong>ch</strong>wohl – in einem s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en<br />
Sinne – eine Behauptung aufgestellt: 'Dieser Sonnenuntergang ist s<strong>ch</strong>ön!' Sol<strong>ch</strong>es s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>e Behaupten<br />
soll hier weiter ni<strong>ch</strong>t interessieren. Für das hier dargelegte Argument genügt es, daß es<br />
überhaupt eine Klasse von Spre<strong>ch</strong>akten gibt, die im starken Sinne ein Behaupten darstellt.<br />
486 Vgl. dazu K.-O. Apel, Die Vernunftfunktion <strong>der</strong> kommunikativen Rationalität (1996), S. 22: »Unter<br />
letzterem [dem transzendentalpragmatis<strong>ch</strong>en Selbstwi<strong>der</strong>spru<strong>ch</strong>] verstehe i<strong>ch</strong> einen performativen Wi<strong>der</strong>spru<strong>ch</strong><br />
zwis<strong>ch</strong>en dem Inhalt einer Proposition und dem selbstbezügli<strong>ch</strong>en – impliziten o<strong>der</strong> performativ<br />
expliziten – intentionalen Inhalt des Aktes des Vorbringens <strong>der</strong> Proposition im Rahmen eines<br />
argumentativen Diskurses.« (Hervorhebungen bei Apel). Zu vers<strong>ch</strong>iedenen Verwendungsweisen<br />
des Begriffes 'performativer Selbstwi<strong>der</strong>spru<strong>ch</strong>' vgl. M. Kettner, Ansatz zu einer Taxonomie performativer<br />
Selbstwi<strong>der</strong>sprü<strong>ch</strong>e (1993), S. 187 ff.<br />
487 R. Alexy, Diskurstheorie und Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te (1995), S. 136.<br />
226