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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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von J.F. Nash, J.C. Harsanyi und R. Selten in Stufen zu einem allgemeinen Analyseinstrument<br />

<strong>der</strong> Sozialwissens<strong>ch</strong>aften entwickelt worden 211 . Als Werkzeuge <strong>der</strong> Ents<strong>ch</strong>eidungsanalyse<br />

sind die Ergebnisse au<strong>ch</strong> für Ents<strong>ch</strong>eidungstheorien <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

(rational <strong>ch</strong>oice theories) zentral.<br />

1. Theorie <strong>der</strong> unglei<strong>ch</strong>en Verhandlungsma<strong>ch</strong>t (J.F. Nash)<br />

Nash hat die Ents<strong>ch</strong>eidungsprozedur als Optimierung <strong>der</strong> relativen Nutzenfaktoren konkretisiert<br />

und damit das Phänomen unglei<strong>ch</strong>er Verhandlungsma<strong>ch</strong>t (bargaining power)<br />

zum formalen Bestandteil seiner <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie gema<strong>ch</strong>t 212 . Die relativen<br />

Nutzenfaktoren <strong>der</strong> Parteien sind repräsentiert dur<strong>ch</strong> Werte zwis<strong>ch</strong>en 0 (dem Ni<strong>ch</strong>teinigungspunkt)<br />

und 1 (dem Maximalnutzen bei <strong>der</strong> jeweiligen Wuns<strong>ch</strong>vereinbarung).<br />

Sol<strong>ch</strong>e relativen Nutzenfaktoren haben bereits von Neumann/Morgenstern im<br />

Zusammenhang mit <strong>der</strong> hypothetis<strong>ch</strong>en Wahl zwis<strong>ch</strong>en vers<strong>ch</strong>iedenen Lotterien<br />

eingeführt 213 . Die Optimierung relativer Nutzenfaktoren läßt si<strong>ch</strong> anhand eines Beispiels<br />

zur Verteilung des Kooperationsgewinns verdeutli<strong>ch</strong>en: Angenommen A und<br />

B haben die Mögli<strong>ch</strong>keit, dur<strong>ch</strong> Zusammenarbeit bei <strong>der</strong> Produktion einen Kooperationsgewinn<br />

zu erzielen, also gemeinsam mehr zu erhalten, als wenn je<strong>der</strong> für si<strong>ch</strong><br />

arbeitete. B benötigt dringend einen kleinen Geldbetrag, um eine lästige S<strong>ch</strong>uld zu<br />

beglei<strong>ch</strong>en, während A s<strong>ch</strong>uldenfrei und sorglos ist. Dann hat A eine größere Verhandlungsma<strong>ch</strong>t.<br />

Für ihn ist <strong>der</strong> persönli<strong>ch</strong>e Nutzen aus <strong>der</strong> Kooperation in etwa<br />

proportional zum Gewinnanteil, also Nutzenfaktor 0 für keinen und 1 für 100%-igen<br />

Gewinnanteil. B dagegen ist mit einem kleinen Gewinnanteil bereits überproportional<br />

geholfen, er hat also zum Beispiel bereits Nutzenfaktor 0,5 bei nur 20%-<br />

igem Gewinnanteil 214 . Je na<strong>ch</strong>dem wie groß dieser Unters<strong>ch</strong>ied in <strong>der</strong> Verhandlungsma<strong>ch</strong>t<br />

ist, bildet die Multiplikation <strong>der</strong> Nutzenfaktoren von A und B ein Optimum<br />

bereits bei weniger als 50%-igem Gewinnanteil für B, zum Beispiel bei 30% für B und<br />

70% für A. Eine sol<strong>ch</strong>e Unglei<strong>ch</strong>verteilung ist na<strong>ch</strong> Nash eine rational begründete<br />

Ents<strong>ch</strong>eidung und damit gere<strong>ch</strong>t, weil sie den größten relativen Gesamtnutzen für<br />

die Parteien realisiert.<br />

Die relativen Nutzenfaktoren ma<strong>ch</strong>en für die Spieler einen Verglei<strong>ch</strong> und Abglei<strong>ch</strong><br />

ihrer jeweiligen Spielstrategien mögli<strong>ch</strong>. Nash konnte 1950 zeigen, daß in bestimmten<br />

Spielen ein Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tszustand eintritt, das sogenante Nasheiner<br />

Art Intervalls<strong>ch</strong>a<strong>ch</strong>telung <strong>der</strong> Parametrisierung nur no<strong>ch</strong> die neuen Nutzenfaktoren zur Grundlage<br />

<strong>der</strong> Ents<strong>ch</strong>eidung gema<strong>ch</strong>t werden.<br />

211 Der Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en den Einzeltheorien wird au<strong>ch</strong> dadur<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong>, daß diese drei<br />

Wissens<strong>ch</strong>aftler im Jahre 1994 gemeinsam mit dem Nobelpreis für Ökonomie ausgezei<strong>ch</strong>net wurden;<br />

vgl. Königli<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>wedis<strong>ch</strong>e Akademie <strong>der</strong> Wissens<strong>ch</strong>aften, Bank of Sweden Prize in Economic<br />

Sciences in Memory of Alfred Nobel, 1994, Pressemitteilung vom 11. Oktober 1994: John<br />

C. Harsanyi (Berkeley, USA); John F. Nash (Princeton, USA); Reinhard Selten (Bonn, Germany) »for<br />

their pioneering analysis of equilibria in the theory of non-cooperative games.«<br />

212 Vgl. J.F. Nash, The Bargaining Problem (1950), S. 158: »Now since our solution should consist of<br />

rational expectations of gain by the two bargainers, ... [it should give] ea<strong>ch</strong> the amount of satisfaction<br />

he should expect to get.«<br />

213 J. v. Neumann/O. Morgenstern, The Theory of Games (1944).<br />

214 Zur Erläuterung: Nutzenfaktor 0,5 bei 20%-igem Gewinnanteil bedeutet, daß es B glei<strong>ch</strong>gültig ist,<br />

ob er 20% si<strong>ch</strong>er (d.h. mit 100%-iger Chance) o<strong>der</strong> 100% mit 50%-iger Chance bekommt.<br />

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