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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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Dritter Teil:<br />

Einige <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

Die einzelnen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien sollen hier zunä<strong>ch</strong>st nur in ihren Grundzügen<br />

dargestellt und auf innere Wi<strong>der</strong>spru<strong>ch</strong>sfreiheit hin untersu<strong>ch</strong>t werden (Konsistenz).<br />

Im übrigen bleibt die Analyse <strong>der</strong> äußeren Wi<strong>der</strong>spru<strong>ch</strong>sfreiheit (Kohärenz) und alle<br />

übrige Kritik dem vierten Teil vorbehalten 1 , denn viele Einwände gelten für ganze<br />

Theoriegruppen und setzen deshalb einen Überblick über das Spektrum voraus. Die<br />

Darstellung folgt <strong>der</strong> zuvor begründeten Klassifizierung na<strong>ch</strong> Grundpositionen <strong>der</strong><br />

politis<strong>ch</strong>en Philosophie 2 und erstreckt si<strong>ch</strong> auf die ni<strong>ch</strong>tprozeduralen Theoriegruppen<br />

<strong>der</strong> nietzs<strong>ch</strong>eanis<strong>ch</strong>en und aristotelis<strong>ch</strong>en Grundposition, weil diese als Gegenmodelle<br />

zu den prozeduralen <strong>Theorien</strong> Bea<strong>ch</strong>tung verdienen. Die Auswahl <strong>der</strong><br />

<strong>Theorien</strong> zielt ni<strong>ch</strong>t auf Vollständigkeit, son<strong>der</strong>n soll das Spektrum <strong>der</strong> Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />

beispielhaft umreißen.<br />

A. <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> nietzs<strong>ch</strong>eanis<strong>ch</strong>en Grundposition (<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sskepsis)<br />

I. Charakteristika<br />

Die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien <strong>der</strong> nietzs<strong>ch</strong>eanis<strong>ch</strong>en Tradition verbindet die These, daß<br />

si<strong>ch</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> inhaltli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t bestimmen läßt. In <strong>der</strong> These, daß na<strong>ch</strong> den streitig<br />

gewordenen materialen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>svorstellungen <strong>der</strong> Naturre<strong>ch</strong>tslehren au<strong>ch</strong><br />

die rationalistis<strong>ch</strong>en <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründungen des Vernunftre<strong>ch</strong>ts fehlges<strong>ch</strong>lagen<br />

sein sollen, liegt das beson<strong>der</strong>e Verdienst Nietzs<strong>ch</strong>es 3 . Allein diese grundlegende<br />

Skepsis gegenüber je<strong>der</strong> praktis<strong>ch</strong>en Rationalität 4 – und damit au<strong>ch</strong> gegenüber <strong>der</strong><br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sskepsis) – ist gemeint, wenn hier von nietzs<strong>ch</strong>eanis<strong>ch</strong>er<br />

Grundposition die Rede ist 5 . Im übrigen gibt es ni<strong>ch</strong>t viele Skeptiker, die au<strong>ch</strong> Nietz-<br />

1 Dazu unten S. 261 ff. (Vierter Teil).<br />

2 Vgl. oben S. 80 ff. (Klassifizierung).<br />

3 Zu dieser Eins<strong>ch</strong>ätzung au<strong>ch</strong> A. MacIntyre, Verlust <strong>der</strong> Tugend (1984), S. 341; J. Habermas, Eintritt<br />

in die Postmo<strong>der</strong>ne: Nietzs<strong>ch</strong>e als Drehs<strong>ch</strong>eibe (1985), S. 129: »[Die] beiden von Nietzs<strong>ch</strong>e gebahnten<br />

... Wege... in die Postmo<strong>der</strong>ne«.<br />

4 Vgl. F. Nietzs<strong>ch</strong>e, Götzen-Dämmerung (1888), Die 'Vernunft' in <strong>der</strong> Philosophie, Nr. 5, S. 960 –<br />

Vernunft als »alte betrügeris<strong>ch</strong>e Weibsperson«. Siehe au<strong>ch</strong> oben S. 82, Fn. 201 f. sowie soglei<strong>ch</strong><br />

Fn. 6. Außerdem J. Habermas, Eintritt in die Postmo<strong>der</strong>ne: Nietzs<strong>ch</strong>e als Drehs<strong>ch</strong>eibe (1985),<br />

S. 129: »Nietzs<strong>ch</strong>e verdankt seinen ma<strong>ch</strong>ttheoretis<strong>ch</strong> entwickelten Begriff <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne einer demaskierenden<br />

Vernunftkritik, die si<strong>ch</strong> selbst außerhalb des Horizonts <strong>der</strong> Vernunft stellt.«<br />

5 Zur Identifizierung <strong>der</strong> nietzs<strong>ch</strong>eanis<strong>ch</strong>en Grundposition mit grundlegen<strong>der</strong> Skepsis gegenüber<br />

dem Begriff <strong>der</strong> praktis<strong>ch</strong>en Vernunft R. Alexy, Eine diskurstheoretis<strong>ch</strong>e Konzeption <strong>der</strong> praktis<strong>ch</strong>en<br />

Vernunft (1993), S. 11 f.; ähnli<strong>ch</strong> H. Klenner, Über die vier Arten von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien<br />

gegenwärtiger Re<strong>ch</strong>tsphilosophie (1995), S. 137 (»Agnostiker«). Genau genommen wäre bei <strong>der</strong><br />

kritis<strong>ch</strong>en Distanz zur praktis<strong>ch</strong>en Vernunft zwis<strong>ch</strong>en Relativismus, Skeptizismus und Nihilismus<br />

zu unters<strong>ch</strong>eiden; vgl. S. Rosen, Nihilism (1969), S. 72 ff., 94 ff. (Nihilismus bei Nietzs<strong>ch</strong>e). Hier<br />

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