Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch
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le 453 . Gerade darin liegt ja <strong>der</strong> Sinn <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründung, daß am Ende<br />
handlungsleitende Regeln befolgt und Prinzipien so weit wie mögli<strong>ch</strong> verwirkli<strong>ch</strong>t<br />
werden können. Teleologis<strong>ch</strong>e Gehalte des als gere<strong>ch</strong>t begründeten Ergebnisses ma<strong>ch</strong>en<br />
eine prozedurale Theorie ni<strong>ch</strong>t zur materialen, solange die letzten Gründe in<br />
Verfahrensüberlegungen liegen. Eine ganz entspre<strong>ch</strong>ende Regel kann für eine Wertorientierung<br />
in <strong>der</strong> Sozialordnung formuliert werden: Axiologis<strong>ch</strong>e Gehalte eines als<br />
gere<strong>ch</strong>t erkannten Ergebnisses ma<strong>ch</strong>en eine prozedurale Theorie ni<strong>ch</strong>t zur materialen.<br />
Und au<strong>ch</strong> für ethis<strong>ch</strong>e Gehalte 454 läßt si<strong>ch</strong> entspre<strong>ch</strong>endes formulieren: Eine<br />
prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie wird ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>on dadur<strong>ch</strong> zur materialen, daß sie<br />
im Ergebnis zu einer Konzeption <strong>der</strong> tugendhaften Person führt 455 .<br />
2. Die Unters<strong>ch</strong>eidung na<strong>ch</strong> dem S<strong>ch</strong>werpunkt <strong>der</strong> Begründung<br />
S<strong>ch</strong>wieriger wird die Abgrenzung zwis<strong>ch</strong>en materialen und prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien<br />
dort, wo die materialen Gehalte ni<strong>ch</strong>t nur im Ergebnis, son<strong>der</strong>n<br />
s<strong>ch</strong>on in <strong>der</strong> Begründung eine Rolle spielen. Das ist bis zu einem gewissen Grad unauswei<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />
456 . Wer ein Verfahren egoistis<strong>ch</strong>er Nutzenmaximierung anwendet,<br />
setzt damit bereits voraus, daß Mens<strong>ch</strong>en Interessen, Neigungen und ausrei<strong>ch</strong>end<br />
Verstand haben, um zwis<strong>ch</strong>en vers<strong>ch</strong>iedenen Handlungsweisen rational zu wählen<br />
457 . Wer ein Verfahren <strong>der</strong> Universalisierung vertritt, benötigt die mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />
Fähigkeit, einen moralis<strong>ch</strong>en Standpunkt einzunehmen. Da die Übergänge von <strong>der</strong>lei<br />
materialen Annahmen über sol<strong>ch</strong>e anthropologis<strong>ch</strong>en Konstanten zu einer prozeduralen<br />
Verfahrensbegründung fließend sind, bleibt letztli<strong>ch</strong> nur die Lösung, die Abgrenzung<br />
dana<strong>ch</strong> vorzunehmen, ob <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>werpunkt <strong>der</strong> Begründung auf materialen<br />
o<strong>der</strong> prozeduralen Überlegungen beruht 458 .<br />
Mit diesem vage ers<strong>ch</strong>einenden Kriterium lassen si<strong>ch</strong> prozedurale <strong>Theorien</strong> denno<strong>ch</strong><br />
ausrei<strong>ch</strong>end klar identifizieren, weil ihnen eine Begründungsstrategie gemein<br />
ist, die sie erkennbar ma<strong>ch</strong>t. <strong>Prozedurale</strong> <strong>Theorien</strong> versu<strong>ch</strong>en, die materialen Annahmen<br />
so s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong> wie mögli<strong>ch</strong> zu halten und die prozeduralen Überlegungen so stark wie mögli<strong>ch</strong><br />
453 Dazu unten S. 203 (Zwei Prinzipien <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> in Rawls' Theorie).<br />
454 Zur Ethik als <strong>der</strong> individuellen o<strong>der</strong> kollektiven Konzeption des Guten vgl. oben S. 94 (ethis<strong>ch</strong>er<br />
Gebrau<strong>ch</strong> <strong>der</strong> praktis<strong>ch</strong>en Vernunft na<strong>ch</strong> Habermas).<br />
455 Vgl. J. Nida-Rümelin, Die beiden zentralen Intentionen <strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> als Fairneß<br />
von John Rawls (1990), S. 466.<br />
456 So au<strong>ch</strong> J. Nida-Rümelin, Die beiden zentralen Intentionen <strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> als Fairneß<br />
von John Rawls (1990), S. 466: »Jede normativ-ethis<strong>ch</strong>e Theorie enthält – zumindest implizit –<br />
au<strong>ch</strong> eine Konzeption <strong>der</strong> moralis<strong>ch</strong>en Person.« H. Kits<strong>ch</strong>elt, Moralis<strong>ch</strong>es Argumentieren und Sozialtheorie<br />
(1980), S. 406: Eine prozedurale Theorie sei »immer s<strong>ch</strong>on im Rahmen einer anthropologis<strong>ch</strong><br />
orientierten Rekonstruktion moralis<strong>ch</strong>er Kompetenzen <strong>der</strong> Person zu lesen« (Hervorhebung bei<br />
Kits<strong>ch</strong>el). Mit an<strong>der</strong>em Akzent W. Kersting, Die politis<strong>ch</strong>e Philosophie des Gesells<strong>ch</strong>aftsvertrags<br />
(1994), S. 43 in Fn. 29 a.E.: »[Es] gilt, daß jedes Verfahren bestimmte, prozeduralistis<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t begründbare<br />
normative Bedingungen erfüllen muß, um als Legitimationsinstanz theoretis<strong>ch</strong> und<br />
praktis<strong>ch</strong> verwendet werden zu können.« Zu weitgehend deshalb M.R. Deckert, Folgenorientierung<br />
in <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tsanwendung (1995), S. 194 (»Die nur-prozeduralen <strong>Theorien</strong> verzi<strong>ch</strong>ten auf jeden<br />
materialen Gehalt.«) und K.-E. Hain, Diskurstheorie und Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te (2001), S. 195.<br />
457 Ähnli<strong>ch</strong> A. Cortina, Diskursethik und partizipatoris<strong>ch</strong>e Demokratie (1993), S. 246.<br />
458 Umgekehrt abgrenzend M.R. Deckert, Folgenorientierung in <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tsanwendung (1995), S. 194 –<br />
'Au<strong>ch</strong>-materiale' <strong>Theorien</strong> seien sol<strong>ch</strong>e, die den S<strong>ch</strong>werpunkt im materialen Berei<strong>ch</strong> haben.<br />
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