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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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men, weniger geeignet sind, gute Gründe zu identifizieren. Dies indes kann mit folgen<strong>der</strong><br />

Argumentation belegt werden.<br />

Bei praktis<strong>ch</strong>en Fragen ist die persönli<strong>ch</strong>e Voreingenommenheit in aller Regel<br />

größer als bei sol<strong>ch</strong>en über beweisbare Tatsa<strong>ch</strong>en. Wer über Handeln urteilt, tut dies<br />

immer vor dem Hintergrund <strong>der</strong> eigenen vergangenen und geplanten zukünftigen<br />

Aktivität – er ist befangen. Bezogen auf beweisbare Tatsa<strong>ch</strong>en wird si<strong>ch</strong> eine sol<strong>ch</strong>e<br />

Befangenheit nur selten einstellen. Damit kommt in Fragen des Handelns <strong>der</strong> Herstellung<br />

von Unparteili<strong>ch</strong>keit eine größere Bedeutung zu. Es ist folgli<strong>ch</strong> unter vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Konzeptionen <strong>der</strong> praktis<strong>ch</strong>en Vernunft diejenige vorzugswürdig, bei<br />

<strong>der</strong> eher zu erwarten ist, daß sie die Unparteili<strong>ch</strong>keit tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> herstellen kann.<br />

Während dialogis<strong>ch</strong>e Konzeptionen dies dur<strong>ch</strong> eine Mehrzahl von frei und glei<strong>ch</strong><br />

agierenden Teilnehmern garantieren, sind monologis<strong>ch</strong>e Konzeptionen auf die innere<br />

Distanzierung von persönli<strong>ch</strong>en Interessen und Meinungen angewiesen. In hypothetis<strong>ch</strong>en<br />

Idealsituationen mag die innere Distanzierung (Binnenpluralismus) glei<strong>ch</strong><br />

gut gelingen wie die äußere Pluralität <strong>der</strong> Ansi<strong>ch</strong>ten. Bei einer Übertragung auf reale<br />

Situationen des praktis<strong>ch</strong>en Vernunftgebrau<strong>ch</strong>s wird dagegen in aller Regel eine<br />

äußere Meinungsvielfalt einfa<strong>ch</strong>er und umfassen<strong>der</strong> herzustellen sein als die psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong><br />

anspru<strong>ch</strong>svolle, tendenziell s<strong>ch</strong>wer kontrollierbare und kaum jemals umfassende<br />

innere Distanzierung von eigenen Überzeugungen. Monologis<strong>ch</strong>e Konzeptionen<br />

<strong>der</strong> praktis<strong>ch</strong>en Vernunft stoßen dadur<strong>ch</strong> auf zusätzli<strong>ch</strong>e Probleme 138 , dialogis<strong>ch</strong>e<br />

Konzeptionen haben zumindest einen heuristis<strong>ch</strong>en Vorteil 139 . Abgesehen von<br />

einigen Son<strong>der</strong>situationen, in denen (friedli<strong>ch</strong>e) Pluralität <strong>der</strong> Meinungen unter vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Personen s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>terdings ni<strong>ch</strong>t herzustellen ist, sollten deshalb dialogis<strong>ch</strong>e<br />

Konzeptionen <strong>der</strong> praktis<strong>ch</strong>en Vernunft den monologis<strong>ch</strong>en vorgezogen werden.<br />

Dur<strong>ch</strong> die Einbindung <strong>der</strong> Argumente in eine kommunikative – d.h. ni<strong>ch</strong>t bloß<br />

monologis<strong>ch</strong>e – Struktur kann das größtmögli<strong>ch</strong>e Maß an Rationalität realisiert werden<br />

140 .<br />

III. Zur Kritik <strong>der</strong> Diskurstheorien<br />

Am diskurstheoretis<strong>ch</strong>en Ansatz ist vielfältige Kritik geübt worden 141 , die in allen ihren<br />

Facetten und in den unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Ansatzpunkten zu ihrer Wi<strong>der</strong>legung 142<br />

138 Vgl. R. Alexy, Theorie <strong>der</strong> juristis<strong>ch</strong>en Argumentation (1978), S. 224 mit Fn. 11 – zusätzli<strong>ch</strong>e Probleme<br />

müßten au<strong>ch</strong> bei einer Theorie des 'inneren Diskurses' gelöst werden.<br />

139 Das ist selbst bei diskurskritis<strong>ch</strong>er Betra<strong>ch</strong>tung zuzugestehen: H. Koriath, Diskurs und Strafre<strong>ch</strong>t<br />

(1999), S. 193: »Der Diskurs ist ein heuristis<strong>ch</strong>es Mittel, Begründungen enthält er ni<strong>ch</strong>t.«<br />

140 R. Alexy, Theorie <strong>der</strong> juristis<strong>ch</strong>en Argumentation (1991), S. 409.<br />

141 Etwa bei E. Tugendhat, Probleme <strong>der</strong> Ethik (1984), S. 108 ff. (monologis<strong>ch</strong>es statt dialogis<strong>ch</strong>es Rationalitätskonzept);<br />

A. Kaufmann, <strong>Prozedurale</strong> <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1989), S. 17 ff. (Inhaltsleere);<br />

<strong>der</strong>s., Über <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1993), S. 301 ff., 320 (Rangordnung <strong>der</strong> Argumente); H. Keuth, Erkenntnis<br />

o<strong>der</strong> Ents<strong>ch</strong>eidung (1993), S. 203 ff., 347 ff. (Beliebigkeit <strong>der</strong> Begründung); O. Weinberger,<br />

Conflicting Views on Practical Rationality (1992), S. 256 ff. (260) (Konsens als 'Pseudo-Argument');<br />

<strong>der</strong>s., Über die Kultur <strong>der</strong> politis<strong>ch</strong>en Argumentation (1994), S. 150; <strong>der</strong>s., Habermas on Democracy<br />

and Justice (1994), S. 242 (Konvergenzbeweis); <strong>der</strong>s., Diskursive Demokratie ohne Diskursphilosophie<br />

(1996), S. 428 ff. (Diskurs als 's<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Idealisierung'); U. Steinhoff, Probleme <strong>der</strong> Legitimation<br />

(1996), S. 449 ff.<br />

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