Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch
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<strong>der</strong> Punkt, auf den <strong>der</strong> Wahlkampf zuläuft, also <strong>der</strong> Wahlakt selbst, unter den elligiblen<br />
Kandidaten eine Ents<strong>ch</strong>eidung trifft, die als definitiv ri<strong>ch</strong>tig gilt. Dem steht au<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t entgegen, daß die Akteure dieses 'Kampfes' strategis<strong>ch</strong> agieren. Mit dem strategis<strong>ch</strong>en<br />
Element verhält es si<strong>ch</strong> wie bei den Parteien eines Geri<strong>ch</strong>tsverfahrens.<br />
Au<strong>ch</strong> sie verfolgen ihre Ziele strategis<strong>ch</strong>, ohne daß deshalb das Geri<strong>ch</strong>tsverfahren<br />
seinen Charakter als realer Diskurs verlöre 215 . Die Parteien und Akteure müssen si<strong>ch</strong><br />
in <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Mittel dem Verfahrens<strong>ch</strong>arakter des realen Diskurses unterordnen,<br />
werden also nur mit sol<strong>ch</strong>en Gründen gehört, die an <strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit, ni<strong>ch</strong>t bloß am<br />
Interesse orientiert sind 216 . Im Geri<strong>ch</strong>tsverfahren sorgt dafür <strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>ter, im Wahlkampf<br />
ist diese Aufgabe <strong>der</strong> Wählers<strong>ch</strong>aft zugewiesen. Das Funktionieren dieser<br />
Wä<strong>ch</strong>terrolle <strong>der</strong> Wahlbürger ist allerdings ein sehr voraussetzungsvolles Element<br />
des demokratis<strong>ch</strong>en Verfassungsstaates. Garant für Ri<strong>ch</strong>tigkeit können Wähler nur<br />
sein, wenn das Vertrauen, das in die Vernünftigkeit ihrer Ents<strong>ch</strong>eidungen gesetzt<br />
wird, bere<strong>ch</strong>tigt ist. Dazu gehören ni<strong>ch</strong>t bloß umfassende Mögli<strong>ch</strong>keiten <strong>der</strong> Information,<br />
Meinungsbildung und Willensäußerung 217 , son<strong>der</strong>n au<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Wille einer<br />
breiten Mehrheit, von diesen Mögli<strong>ch</strong>keiten in politis<strong>ch</strong>en Fragen tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> Gebrau<strong>ch</strong><br />
zu ma<strong>ch</strong>en, also die effektive Partizipation. Nur mit einem Mindestmaß an demokratis<strong>ch</strong>er<br />
Erziehung dürfte es gelingen, diese Voraussetzungen zu s<strong>ch</strong>affen und<br />
aufre<strong>ch</strong>tzuerhalten 218 , was glei<strong>ch</strong>zeitig zu dem Dilemma führt, daß in einem freiheitli<strong>ch</strong>en<br />
Staat die Voraussetzungen sol<strong>ch</strong>er Staatli<strong>ch</strong>keit ni<strong>ch</strong>t zu erzwingen sind 219 .<br />
Glei<strong>ch</strong>wohl gilt: Ohne Partizipation einer breiten Mehrheit ist <strong>der</strong> Typus des demokratis<strong>ch</strong>en<br />
Verfassungsstaates ni<strong>ch</strong>t lebensfähig. Man kann deshalb sagen, daß diese<br />
Partizipation mit zu den Anwendungsbedingungen des realen Diskurses 'Wahlkampf'<br />
sowie <strong>der</strong> ni<strong>ch</strong>tstrategis<strong>ch</strong>en Politik überhaupt gehört.<br />
Versteht man den Wahlkampf als realen Diskurs, so müssen au<strong>ch</strong> die übrigen<br />
Bedingungen, unter denen Wahlkampf betrieben wird, so weit, wie na<strong>ch</strong> den Umständen<br />
angemessen, <strong>der</strong> regulativen Idee eines Diskurses unter idealen Bedingungen<br />
angegli<strong>ch</strong>en werden 220 . Dem Diskursideal <strong>der</strong> vollkommenen Informiertheit<br />
dient es beispielsweise, wenn die Wahlkampftätigkeit von Parteien o<strong>der</strong> sogar die<br />
Parteien insgesamt aus dem staatli<strong>ch</strong>en Haushalt unterstützt werden 221 . Für die unbegrenzte<br />
Teilnahme ist vor allem ein glei<strong>ch</strong>bere<strong>ch</strong>tigter Zugang zu den Medien nö-<br />
215 Zu dieser Parallele zwis<strong>ch</strong>en politis<strong>ch</strong>er Partei und Prozeßpartei M. Kriele, Einführung in die<br />
Staatslehre (1994), S. 243 f.<br />
216 Vgl. oben S. 346 (Verwaltungs- und Geri<strong>ch</strong>tsverfahren als reale Diskurse).<br />
217 J.P. Müller, Demokratis<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1993), S. 205 ff.<br />
218 Ausführli<strong>ch</strong> zu den diskurstheoretis<strong>ch</strong> begründeten Anwendungsbedingungen des demokratis<strong>ch</strong>en<br />
Verfahrens J.P. Müller, Demokratis<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1993), S. 192 ff. Vgl. au<strong>ch</strong> F. Kübler,<br />
Der 'Markt <strong>der</strong> Meinungen' (1989), S. 117 ff. – zum amerikanis<strong>ch</strong>en Konzept eines demokratiefunktionalen<br />
'marketplace of ideas'.<br />
219 E.-W. Böckenförde, Entstehung des Staates als Vorgang <strong>der</strong> Säkularisierung (1976), S. 60. Zur Unerzwingbarkeit<br />
einer »Staatssittenlehre« etwa H. Dreier, Staatli<strong>ch</strong>e Legitimität, Grundgesetz und<br />
neue soziale Bewegung (1987), S. 173 m.w.N. Zum Freiheits<strong>ch</strong>arakter des Partizipationsverzi<strong>ch</strong>ts<br />
J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 152 f. – private vs. politis<strong>ch</strong>e Autonomie.<br />
220 Vgl. oben S. 221 (T Dr ).<br />
221 So etwa im deuts<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>t; vgl. M. Morlok, Artikel 21 GG (1998), Rn. 43 ff. m.w.N. (Zulässigkeit<br />
und Gebotenheit staatli<strong>ch</strong>er Parteienfinanzierung).<br />
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