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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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tig 222 . Dem kann das Medienre<strong>ch</strong>t beispielsweise dadur<strong>ch</strong> Re<strong>ch</strong>nung tragen, daß es<br />

den Parteien kostenlose Rundfunksendezeiten für Wahlwerbung einräumt 223 . Eine<br />

ungere<strong>ch</strong>te Teilnahmeverzerrung entsteht hingegen, wenn (wie jahrelang in Taiwan)<br />

sämtli<strong>ch</strong>e Fernsehsen<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Regierungspartei kontrolliert sind. An <strong>der</strong> gebotenen<br />

Annäherung an das Diskursideal, wie sie na<strong>ch</strong> den Umständen angemessen wäre,<br />

fehlt es in sol<strong>ch</strong>en Fällen.<br />

4. Die deliberative Politik<br />

a) Die 'legislative Politik' (J. Habermas)<br />

Mit dem Gedanken <strong>der</strong> 'deliberativen Politik' als Verfahrensbegriff <strong>der</strong> Demokratie<br />

rückt Habermas »aus dem breiten Spektrum politis<strong>ch</strong>er Prozesse den Auss<strong>ch</strong>nitt <strong>der</strong><br />

legislativen Politik ins Blickfeld« 224 , also genau denjenigen ni<strong>ch</strong>tstrategis<strong>ch</strong>en Politikgehalt,<br />

<strong>der</strong> im weiteren Sinne als 'Re<strong>ch</strong>tspolitik' bezei<strong>ch</strong>net werden kann 225 . Bei Cohen,<br />

von dessen Idee einer 'deliberative democracy' Habermas ausgeht 226 , kommt <strong>der</strong> öffentli<strong>ch</strong>en<br />

Deliberation die Funktion quasi-reiner prozeduraler <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> zu 227 .<br />

Dazu muß die Prozedurfairneß <strong>der</strong> öffentli<strong>ch</strong>en Deliberation gezeigt werden 228 .<br />

Ni<strong>ch</strong>ts läge näher, als die Fairneß dadur<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>erzustellen, daß man verlangt, die<br />

Re<strong>ch</strong>tspolitik müsse als realer Diskurs ausgestaltet sein 229 . Habermas zieht aber nirgends<br />

die Konsequenz, daß es si<strong>ch</strong> bei <strong>der</strong> ins Blickfeld gerückten 'legislativen Politik'<br />

um einen realen Diskurs handeln muß 230 . Vielmehr besteht er darauf, daß immer<br />

das strategis<strong>ch</strong>e Element <strong>der</strong> Verhandlung mits<strong>ch</strong>wingt 231 . Dadur<strong>ch</strong> wird das Span-<br />

222 Vgl. L.H. Tribe, American Constitutional Law (1988), S. 786: »Especially when the wealthy have<br />

more access to the most potent media of communication than the poor, how sure can we be that<br />

'free trade in ideas' is likely to generate truth?«<br />

223 So im deuts<strong>ch</strong>en Medienre<strong>ch</strong>t (z.B. § 24 II Rundfunkstaatsvertrag), das bei öffentli<strong>ch</strong>-re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />

Rundfunkanstalten kostenlose und bei privaten Sen<strong>der</strong>n selbstkostenpfli<strong>ch</strong>tige Wahlwerbung für<br />

Parteien gebietet, wobei die staatli<strong>ch</strong>e Leistung na<strong>ch</strong> dem Prinzip <strong>der</strong> abgestuften Chancenglei<strong>ch</strong>heit<br />

verteilt wird, um dem unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Rückhalt <strong>der</strong> Parteien in <strong>der</strong> Bürgers<strong>ch</strong>aft Re<strong>ch</strong>nung zu<br />

tragen; vgl. M. Morlok, Artikel 21 GG (1998), Rn. 95; <strong>der</strong>s., Artikel 38 GG (1998), Rn. 97, 108; jeweils<br />

m.w.N.<br />

224 J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 349.<br />

225 Vgl. oben S. 350 (S RP ).<br />

226 Dazu oben S. 242 (Habermas' deliberative Politik).<br />

227 J. Cohen, Deliberation and Democratic Legitimacy (1989), S. 21: »Citizens in su<strong>ch</strong> an or<strong>der</strong> [deliberative<br />

democracy] ... regard their basic institutions as legitimate as far as they establish the framework<br />

for free public deliberation ... [by] an ideal deliberative procedure« (Hervorhebung bei Cohen).<br />

Vgl. oben S. 127 ff. (Formen definitoris<strong>ch</strong>er Verfahrensgere<strong>ch</strong>tigkeit).<br />

228 Vgl. oben S. 341 ff. (Verfassunggebung als realer Diskurs).<br />

229 G.-P. Calliess, <strong>Prozedurale</strong>s Re<strong>ch</strong>t (1999), 106 ff. (110, 121 f.).<br />

230 Vgl. J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 349 ff. Ähnli<strong>ch</strong> für die Transzendentalpragmatik<br />

Apels: A. Cortina, Diskursethik und partizipatoris<strong>ch</strong>e Demokratie (1993), S. 249, 254.<br />

231 Vgl. J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 349: »Aus dem Blickwinkel <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tstheorie<br />

habe i<strong>ch</strong> diese [deliberative Politik] als einen Prozeß bes<strong>ch</strong>rieben, <strong>der</strong> ... Verhandlungen eins<strong>ch</strong>ließt.«<br />

Ebd., S. 388 f.: »Das Herzstück deliberativer Politik besteht nämli<strong>ch</strong> aus einem Netzwerk<br />

von Diskursen und Verhandlungen«. Ebd., S. 391: »Wir würden den diskursiven Charakter<br />

<strong>der</strong> öffentli<strong>ch</strong>en Meinungs- und Willensbildung mißverstehen, wenn wir glaubten, den idealen<br />

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