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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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D F :<br />

Fairneß ist <strong>der</strong> Inbegriff <strong>der</strong> Verfahrensri<strong>ch</strong>tigkeit bei sol<strong>ch</strong>en<br />

Prozeduren und ihrer Dur<strong>ch</strong>führung (Prozeß), die<br />

selbst ri<strong>ch</strong>tigkeitsorientiert sind.<br />

Die Fairneß in D F ist verfahrensbezogen und dadur<strong>ch</strong> immer inhaltsunabhängig. Im<br />

Sinne dieser Inhaltsunabhängigkeit können beispielsweise politis<strong>ch</strong>e Parteien im<br />

Wahlkampf 'Fairneßabkommen' s<strong>ch</strong>ließen, ohne <strong>der</strong> inhaltli<strong>ch</strong>en Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

ihre S<strong>ch</strong>ärfe zu nehmen 385 . Dieser verfahrensbezogene Fairneßbegriff <strong>der</strong> politis<strong>ch</strong>en<br />

Philosophie ist ni<strong>ch</strong>t identis<strong>ch</strong> mit dem Fairneßbegriff <strong>der</strong> englis<strong>ch</strong>en Umgangsspra<strong>ch</strong>e,<br />

denn dort steht 'Fairneß' außerdem no<strong>ch</strong> für die Ri<strong>ch</strong>tigkeit eines Ergebnisses<br />

386 . In D F ist 'Fairneß' hingegen ein Platzhalter für alle Einzelgebote des<br />

Verfahrens 387 . Daß sie dabei vor allem strikte Einhaltung aller festgelegten Regeln<br />

verlangt, ist nur einer ihrer Gehalte (Anwendungsfairneß) 388 . Als Inbegriff <strong>der</strong> Verfahrensri<strong>ch</strong>tigkeit<br />

fungiert 'Fairneß' als »programmatis<strong>ch</strong>es Optimierungsgebot« von<br />

Verfahren 389 .<br />

Prozeduren und Prozesse müssen selbst ri<strong>ch</strong>tigkeitsorientiert sein, um sinnvoll von<br />

Fairneß spre<strong>ch</strong>en zu können 390 . Der Massenmör<strong>der</strong> mag beim Genozid na<strong>ch</strong> einem<br />

no<strong>ch</strong> so ausgeklügelten Verfahren töten – Fairneß kann er dabei ni<strong>ch</strong>t erzeugen, weil<br />

er das Verfahren nur aus Effizienz, Gewohnheit o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Gründen einhält, es<br />

ihm aber jedenfalls ni<strong>ch</strong>t darum geht, damit die Ri<strong>ch</strong>tigkeit des Ergebnisses zu begründen.<br />

Sol<strong>ch</strong>e Verfahren sind ni<strong>ch</strong>t ri<strong>ch</strong>tigkeitsorientiert. Wird das glei<strong>ch</strong>e Ergebnis<br />

(<strong>der</strong> Tod eines Mens<strong>ch</strong>en) hingegen als Vollstreckung eines Todesurteils na<strong>ch</strong> einem<br />

geri<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Prozeß bewirkt, dann soll die Dur<strong>ch</strong>führung des Verfahrens einen<br />

Beitrag zur Begründung des Ergebnisses leisten: Das Verfahren ist ri<strong>ch</strong>tigkeitsorientiert<br />

und man kann sinnvoll von Fairneß spre<strong>ch</strong>en.<br />

385 Zur weitgehenden Inhaltsunabhängigkeit und Verfahrensorientierung sol<strong>ch</strong>er Fairneßabkommen<br />

vgl. R. Stark, Ehrens<strong>ch</strong>utz in Deuts<strong>ch</strong>land (1996), S. 215 ff. (215): »Kernstück des Abkommens war<br />

hier die S<strong>ch</strong>affung einer gemeinsamen S<strong>ch</strong>iedsstelle zur Überwa<strong>ch</strong>ung <strong>der</strong> getroffenen Vereinbarungen.<br />

... Die Ents<strong>ch</strong>eidungen <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>iedsstelle waren unverzügli<strong>ch</strong> von den Pressediensten <strong>der</strong><br />

betroffenen Parteien zu veröffentli<strong>ch</strong>en.«<br />

386 Webster's Third New International Dictionary (1986): »fair: ... 7a: <strong>ch</strong>aracterized by honesty and justice:<br />

free from fraud, injustice, prejudice, or favoritism ... syn ... or implies a quality or result in an<br />

action ... « (Hervorhebungen im Original). Die Umgangsspra<strong>ch</strong>e<br />

beurteilt als 'fair', ähnli<strong>ch</strong> wie beim umgangsspra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Prädikat 'gere<strong>ch</strong>t', selbst sol<strong>ch</strong>e Ergebnisse,<br />

die ni<strong>ch</strong>t auf ein Handeln von Mens<strong>ch</strong>en zurückzuführen sind – beispielsweise S<strong>ch</strong>icksalss<strong>ch</strong>läge<br />

und Naturkatastrophen.<br />

387 Exemplaris<strong>ch</strong> aus <strong>der</strong> Verfassungsjudikatur in Deuts<strong>ch</strong>land: BVerfGE 49, 220 (225) – wirksamer<br />

Re<strong>ch</strong>tss<strong>ch</strong>utz; 57, 250 (290) – bestes Beweismittel; 65, 171 (174 ff.) – Anwesenheit des Re<strong>ch</strong>tsbeistands;<br />

70, 297 (308) – umfassende Sa<strong>ch</strong>aufklärung; BVerfG (3. Kammer des Zweiten Senats) NJW<br />

1996, S. 1811 f. – Versäumnis des Geri<strong>ch</strong>ts. Zur Analyse und weiteren Beispielen siehe P.J. Tettinger,<br />

Fairness als Re<strong>ch</strong>tsbegriff (1997), S. 580 ff.<br />

388 Im Sportre<strong>ch</strong>t nennt man sie das formelle Element <strong>der</strong> Fairneß; P.J. Tettinger, Fairness als Re<strong>ch</strong>tsbegriff<br />

(1997), S. 591 m.w.N.<br />

389 P.J. Tettinger, Fairness als Re<strong>ch</strong>tsbegriff (1997), S. 594 f.<br />

390 Zum Verhältnis von Ri<strong>ch</strong>tigkeit und <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> vgl. R. Alexy, Theorie <strong>der</strong> juristis<strong>ch</strong>en Argumentation<br />

(1978), S. 242: »Ein Son<strong>der</strong>fall des Anspru<strong>ch</strong>s auf Ri<strong>ch</strong>tigkeit ist <strong>der</strong> Anspru<strong>ch</strong> auf <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>.«<br />

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