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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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immer eine Dankesfeier veranstaltet wird. Die Ni<strong>ch</strong>tveranstaltung <strong>der</strong> Feier trifft<br />

dann alle drei als Ungere<strong>ch</strong>tigkeit, weil es eine Sozialregel gibt, na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> ihnen eine<br />

Belohnung zusteht. Allgemein gilt dana<strong>ch</strong>: Wenn ein Verteilungs- o<strong>der</strong> Ausglei<strong>ch</strong>sprinzip<br />

hinzugezogen wird, dessen Anwendung eine Handlung for<strong>der</strong>t, dann begründet<br />

das Zuwi<strong>der</strong>handeln bezogen auf die glei<strong>ch</strong>mäßige Verwirkli<strong>ch</strong>ung des<br />

Prinzips eine Unglei<strong>ch</strong>behandlung und damit (umgangsspra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>) eine Ungere<strong>ch</strong>tigkeit.<br />

d) Zur Kritik am Glei<strong>ch</strong>heitsbezug<br />

Trotz <strong>der</strong> breiten Akzeptanz eines auf Glei<strong>ch</strong>heit bezogenen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriffs<br />

ist die Einbeziehung des Glei<strong>ch</strong>heitskriteriums in die Begriffsbestimmung von D 1<br />

problematis<strong>ch</strong>. Die auf Aristoteles zurückgehende Identifikation von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

und Glei<strong>ch</strong>heit ist mit einiger Bere<strong>ch</strong>tigung als eine unbegründete Bes<strong>ch</strong>ränkung kritisiert<br />

worden 84 . Denn die Annahme eines begriffli<strong>ch</strong> notwendigen Glei<strong>ch</strong>heitsbezugs<br />

läuft Gefahr, wi<strong>ch</strong>tige Aspekte des <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriffs in <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien<br />

auszublenden. Identifiziert man nämli<strong>ch</strong> die Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> im Re<strong>ch</strong>t<br />

mit <strong>der</strong> Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> Kriterien für ri<strong>ch</strong>tiges Re<strong>ch</strong>t 85 , so kann diese Su<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t bei<br />

glei<strong>ch</strong>heitsbezogenen Kriterien verharren. Sonst müßte <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> s<strong>ch</strong>on immer<br />

dann angenommen werden, wenn alle Betroffenen ausnahmslos glei<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t behandelt<br />

werden – eine (vorsi<strong>ch</strong>tig ausgedrückt) »mißli<strong>ch</strong>e Konsequenz« 86 .<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien müssen, da sie au<strong>ch</strong> eine glei<strong>ch</strong>mäßig s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Behandlung<br />

aller Betroffenen in bestimmten Fällen als 'ungere<strong>ch</strong>t' beurteilen, mit einem weiten<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriff operieren. Dieser weite Begriff <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> läßt si<strong>ch</strong><br />

sowohl in <strong>der</strong> politis<strong>ch</strong>en Philosophie als au<strong>ch</strong> in <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tstheorie neben an<strong>der</strong>en,<br />

engeren <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriffen (Einzelfallgere<strong>ch</strong>tigkeit 87 , Fairneß 88 ) na<strong>ch</strong>weisen 89 .<br />

Er identifiziert <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> mit Ri<strong>ch</strong>tigkeit s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>thin, also ni<strong>ch</strong>t bloß mit glei<strong>ch</strong>-<br />

84 J.R. Lucas, Principles of Politics (1966), S. 242: »Justice itself is not Equality. Aristotle, at the cost of<br />

great artificiality, made out that it was, and has been too mu<strong>ch</strong> quoted and too little criticized.«<br />

Kritis<strong>ch</strong> zum Glei<strong>ch</strong>heitskriterium au<strong>ch</strong> I. Tammelo, Theorie <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1977), S. 76 f.: »Es<br />

gibt indessen s<strong>ch</strong>werwiegende Bedenken gegen die Wahl von 'Glei<strong>ch</strong>heit' als Wesensmerkmal des<br />

Begriffes 'gere<strong>ch</strong>t'«; ähnli<strong>ch</strong>: <strong>der</strong>s., Re<strong>ch</strong>tslogik und materiale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1971), S. 58 ff.; S. Huster,<br />

Re<strong>ch</strong>te und Ziele (1993), S. 222.<br />

85 Dazu oben Fn. 28 (<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> des Re<strong>ch</strong>ts glei<strong>ch</strong>bedeutend mit 'ri<strong>ch</strong>tigem Re<strong>ch</strong>t').<br />

86 S. Huster, Re<strong>ch</strong>te und Ziele (1993), S. 222.<br />

87 Dazu unten S. 63 (engere <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriffe).<br />

88 Dazu unten S. 121 (Begriff <strong>der</strong> Fairneß). Zur Di<strong>ch</strong>otomie einer <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> als Fairneß und einer<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> in einem umfassen<strong>der</strong>en Sinne vgl. etwa: N. Res<strong>ch</strong>er, Distributive Justice (1966),<br />

S. 90: »There is justice in the narrower sense of fairness, on the one hand, and on the other, justice in a<br />

wi<strong>der</strong> sense, taking account of the general good.« (Hervorhebungen bei Res<strong>ch</strong>er).<br />

89 Für einen weiten <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriff etwa M. Rümelin, Die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1920), S. 50; W.K.<br />

Frankena, The Concept of Social Justice (1962), S. 3 ff. (10); A. Gewirth, Political Justice (1962),<br />

S. 125; B. Rüthers, Warum wir ni<strong>ch</strong>t genau wissen, was '<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>' ist (1987), S. 19 ff. (22 f.:<br />

Re<strong>ch</strong>tssi<strong>ch</strong>erheit als eines unter mehreren Merkmalen <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>); <strong>der</strong>s., Das Ungere<strong>ch</strong>te an<br />

<strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1991), S. 17 ff.; R. Zippelius, Re<strong>ch</strong>tsphilosophie (1989), S. 75 ff., 106 ff.; W. Wels<strong>ch</strong>,<br />

Vernunft (1995), S. 698 ff., 707 f. Zum Unters<strong>ch</strong>ied zwis<strong>ch</strong>en engem und weitem Begriff außerdem<br />

W. Fikents<strong>ch</strong>er, Methoden des Re<strong>ch</strong>ts IV (1977), S. 188 ff. ('Sa<strong>ch</strong>gere<strong>ch</strong>tigkeit' neben 'Glei<strong>ch</strong>gere<strong>ch</strong>tigkeit');<br />

S. Huster, Re<strong>ch</strong>te und Ziele (1993), S. 195 ff.<br />

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